Start / Ausgaben / bioPress 94 - Januar 2018 / Das EU-Öko-Recht: Das Nebeneinander von bestehendem und zukünftigem Recht

Recht

Das EU-Öko-Recht:
Das Nebeneinander von bestehendem und zukünftigem Recht

Nach der knappen Zustimmung zur Revision EU-Ökoverordnung stehen zahlreiche und nicht immer einfache Änderungen an. Änderungen, die die meisten deutschen Bio-Verbände und -Unternehmen durchaus kritisch sehen. Sicher nicht zuletzt deshalb war der Tageslehrgang von Rechtsanwalt Hanspeter Schmidt und Dr. Manon Haccius Ende November 2017 in Frankfurt mit rund 130 Teilnehmern wieder bestens besucht.

Auch wenn die Neuerungen erst nach 2020 in Kraft treten, rieten die beiden Rechtsexperten Bio-Akteuren schon in der Übergangszeit zu Wachsamkeit. Es gelte, einerseits das komplexe geltende Recht zu befolgen, andererseits sich und Partner auf neue Vorschriften vorzubereiten. Dabei gebe es seitens der Behörden noch reichlich Nacharbeit. So müssten nicht nur inhaltliche Schwachpunkte beseitigt, sondern auch zahlreiche Rechtsakte zu den Verordnungen erlassen werden. Und in deren Offenlegungsphase (u.a. im Bundesanzeiger), betonte Schmidt, böten sich der Bio-Branche reale Chancen, über einen Widerspruch beim Europäischen Gerichtshof innerhalb von zwei Monaten aktiv Einfluss zu nehmen (Artikel 263 AEUV).

Mehrarbeit für Bio-Landwirte: Rückstände und Vorsorgepflicht

Am Beispiel eines zurückliegenden Fundes von Folpet-Rückständen auf Bio-Weinblättern ging Schmidt ausführlich auf den heiß diskutierten Umgang mit Verunreinigungen ein: Momentan kommt es bei der rechtlichen Bewertung darauf an, ob sich Bio-Landwirte an das Pestizidverbot gehalten haben; Abdrift von Nachbarfeldern darf nicht einbezogen werden.

Zukünftig müssen sie dagegen, so wie es derzeit bei der Nacherntebehandlung der Fall ist, beim Anbau selber Vorsorgemaßnahmen treffen und sich schützen – vor Kontaminationen von Nachbarfeldern ebenso wie aus der Umwelt, und das nach vorläufiger Beschlusslage ohne Mengenbegrenzung nach unten. Bio-Landwirte sind demnach verpflichtet, ihre Nachbarn auf die Gefahren hinzuweisen, Schutzmaßnahmen zu fordern und diese Gespräche zu dokumentieren.

Nachweise dafür dürften sowohl weiterverarbeitende Firmen oder Händler verlangen als auch Öko-Kontrollstellen, sagte Schmidt und verwies auf die drohende Dezertifizierung. Vor allem in kleinstrukturierten Regionen Deutschlands, aber auch in Ländern wie dem Balkan stellten die Forderungen eine deutliche Mehrbelastung für bestehende oder an Umstellung interessierten Höfen dar.

Anstehende Neuerungen bergen reichlich Diskussionspunkte

Stichpunktartig gingen Haccius und Schmidt auf die sechs Kapitel des Revisionsentwurfs ein:

  • Kapitel 1 u.a. mit Definitionen (vorbeugende vs. vorsorgende Maßnahmen, Verarbeitung)  
  • Kapitel 2 als ‚weiches Recht‘ mit generellen Zielen und Prinzipien
  • Kapitel 3 als ‚hartes Recht‘ mit Produktionsregeln (u.a. für Algen und Aquakulturen, Hefen und Wein, GVO und CRISP-CAS-Problem, Datenbanken auch für Bio-Zuchttiere)
  • Kapitel 4 zur Kennzeichnung (weitere Produkte zertifizierbar, z.B. Maté und andere traditionell genutzte Pflanzen, Weinblätter und Meersalz)
  • Kapitel 5 zur Zertifizierung (u.a. begrenzte Erlaubnis der  Gruppenzertifizierung, etwa für Streuobstprojekte, in Drittländern für Kooperativen)
  • Kapitel 6 zur Ökokontrolle im Verhältnis zur allgemeinen Lebensmittelkontrolle (wer kontrolliert?)

In diesem Zusammenhang kam nicht nur die Frage der Kontrollpflicht für den Online-Handel zur Sprache, sondern auch die Ausweitung der Vorsorge- und Kontrollpflicht auf die gesamte Prozesskette inklusive der Transporteure.

Im Raum standen außerdem geänderte Aufgabenfelder der Ökokontrollstellen. So werde eine risikobasierte und damit reine Endprodukt-Kontrolle diskutiert, und auch die Klausel, nach der Betriebe unter bestimmten Voraussetzungen nur noch alle 24 Monate kontrolliert werden müssen. Zudem müssen die Kontrolleure bei jedem Verdacht auf Unregelmäßigkeiten Maßnahmen einleiten und Analysen veranlassen und Ware eventuell vorsorglich sperren (Laut Schmidt würden bei immer empfindlicheren Geräten Nullwerte allerdings angesichts der ubiquitären Umweltbelastung zunehmend unwahrscheinlicher). Nach wie vor kompliziert schließlich, würden die Regeln für Importe aus Drittländern bleiben – Stichwort Compliance/Konformität, binationale Gleichwertigkeitsabkommen oder zugelassene Kontrollstellen.

Bettina Pabel

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