Tunesien entwickelt (s)eine Bio-Kultur
Bio-Olivenöl als Zugpferd für ein ganzes Land
{mosimage}Fünf bis zehn Jahre dauert es bis zur ersten Ernte, doch dann tragen Olivenbäume jahrzehntelang. Auch das Bild von einem kulinarisch reichen Tunesien will nur langsam wachsen. Dank vieler kleiner Schritte, Beharrlichkeit und verbesserter Qualität könnte es sich jedoch bald etablieren.
Afrika, das klingt weit weg. Tunesien aber, das kleinste Land der Mahgreb-Staaten, trennen nur 160 Kilometer von Sizilien. Das Land bietet sich nicht nur für einen sonnenreichen Urlaub an, sondern auch als interessanter Handelspartner für Bio-Produkte wie Olivenöl, Datteln, Orangen oder Kartoffeln.
Erleichtert wird der Import dadurch, dass Tunesien seit 2009 auf der Drittlandsliste der EU steht und die dort geltenden Bio-Regeln somit als gleichwertig anerkannt werden. Als Kontrollstellen sind Ecocert, Lacon, BCS sowie IMC und ICEA aktiv. Olivenöl allerdings fällt zugleich unter die Quotenregelung der EU, wonach Tunesien jährlich maximal 56.760 Tonnen zollfrei einführen darf.
Trotzdem ist Olivenöl die Lokomotive für die ökologische Landwirtschaft und wird entsprechend vom Staat gefördert. Die Flächen an Bio-Olivenhainen liegt je nach Quelle bereits zwischen 115.000 (Centre technique de l’agriculture biologique) und 125.000 Hektar (Office National de l’Huile). Laut der tunesischen Auslandshandelskammer AHK entspricht das etwa acht Prozent der gesamten Olivenfläche.
Bei der Angabe der produzierten Mengen und der Erzeugerbetriebe weichen die Angaben der verschiedenen Institutionen ebenfalls voneinander ab. Dies liegt unter anderem daran, dass noch nicht alle Betriebe die Bio-Zertifizierung haben. Doch auch deren Felder werden meist traditionell bestellt, das heißt ohne chemische Pflanzenschutzmittel oder synthetische Dünger. Fakt bleibt, dass der Bio-Olivenölsektor unbeirrt wächst, dass der weitaus größte Teil ausgeführt wird und dass immer mehr tunesische Firmen ihr Extra Virgine Öl unter eigenem Namen in Flaschen anbieten.
Sowohl Erzeugern als auch potentiellen Importeuren und Händlern stehen die AHK und das Packtec (Centre Technique de l’Emballage et du Conditionnement) mit Rat und Tat zur Seite. Die AHK engagiert sich unter anderem zusammen mit der GIZ für ein Public-Private Partnership Projekt zur Förderung der Bekanntheit von Bio-Olivenöl in Deutschland (wir berichteten).
Oliven werden handgepflückt.Beim staatlichen Packtec umfassen die Werbeaktivitäten dagegen auch konventionelles in Flaschen abgefülltes (konditioniertes) Öl. Dabei werden zum Beispiel auf der Homepage einzelne Produkte vorgestellt, Anzeigen geschaltet oder Messen organisiert, primär in Deutschland, den USA und Frankreich.
Zur Finanzierung der Kampagne tragen auch die Produzenten ihren Teil bei, indem sie einen bestimmten Betrag in einen Fond einzahlen. Bisher haben sich rund 50 reine Bio-Firmen registriert; dazu kommen mehrere Umstellungsbetriebe. In 2011 will das Packtec den Fokus noch mehr auf den B2B-Handel legen und dabei als Vermittler Kundenanfragen an geeignete Anbieter weiter leiten.
Viele Faktoren beeinflussen die Qualität
Oliven werden handgpfückt oder mit einem speziellen Rechen vom Baum gezogen.{_umbruch_}Foto: E. PeilerÜberall im Land wachsen Olivenbäume, im feuchteren Norden relativ dicht und oft auf locker begrüntem Boden. Das Herz des Bio-Olivenölanbaus liegt jedoch in Zentraltunesien, dem Sahel. Übers Jahr gesehen reicht die Niederschlagsmenge gerade zur Versorgung der tiefwurzelnden Bäume aus, auch wenn der Erdboden karg und sandig erscheint.
Engagierte Bio-Betriebe wie die von Slim Fendri oder von Faiza Gargouri belassen es aber nicht dabei. Auf ihren Domänen wachsen vorwiegend Olivenbäume der Sorte Chemlali. Die Früchte sind zwar klein, doch zeichnen sie sich durch gute Trockenresistenz und Widerstandskraft gegenüber der schädlichen Olivenfliege aus.
Bei der zweiten für Tunesien typische Varietät Chetoui, die ihrerseits mit einem hohen Gehalt an Polyphenolen punktet, ist die Alternanz weniger stark ausgeprägt. Auf den Feldern stehen die Bäume weit auseinander;
Oliven werden am Boden mit Netzen eingesammelt.{_umbruch_}Foto: E. Peilermit Blick in die Zukunft pflanzen Fendri und Gargouri jetzt aber junge Bäume zwischen die alten.
Ein Netz aus dünnen Schläuchen verbindet die Bäume. Es dient der gezielten Tröpfchenbewässerung aus eigenen Tiefbrunnen. Außerdem erweise es sich als hilfreich für die Fruchtbarkeit, den Boden regelmäßig umzupflügen, sagt Slim Fendri. Vor der im November beginnenden Ernte wird der Bereich um die Bäume herum ausgelassen, denn ein fester, planer Boden erleichtert die Arbeit der Olivenpflückerinnen.
Diese arbeiten sich, ausgerüstet mit einer großen Plane und einer stabilen Leiter, unermüdlich von Baum zu Baum. Mit stabilen Kunststoffkämmen streifen sie die reifen Oliven zügig von den Zweigen und sammeln sie dann in bereitstehende Kisten. Auch wenn sich die Früchte nur kurz darin befinden, zählt deren Luftdurchlässigkeit zu den vielen Details, die die Qualität des Endprodukts beeinflussen.
Mindestens so wichtig ist es, den optimalen Erntezeitpunkt abzupassen. Slim Fendri sieht diesen für gekommen, wenn der Farbton der Früchte von gelbgrün in violett-schwarz wechselt. Seine Mühle verfügt ebenso wie die von Familie Gargouri mittlerweile über moderne Maschinen aus Edelstahl, die für eine hygienische Verarbeitung sorgen. Die Oliven, die möglichst umgehend verarbeitet werden müssen, werden in einem Edelstahltrog gewaschen und von Blättern oder Steinen befreit.
Samt den Kernen werden sie dann ohne Wärmezufuhr in einer Trommel zu einem zähen dunklen Brei zerkleinert. Nach einer Stunde kontinuierlichen Rührens können 15 bis 25 Prozent Öl aus der Mischung abgetrennt werden. Es kommt zunächst in kleinere Behälter, damit sich die Trübstoffe absetzen.
Bei der endgültigen Lagerung des Öls bis zur Abfüllung setzt Gargouri auf eine Lagerung des Öls in großen Edelstahltanks. Slim Fendri arbeitet dagegen mit unterirdischen Zisternen. Diese seien zwar schwieriger zu reinigen, hätten aber den Vorteil einer konstanten Temperatur von etwa 14 Grad.
Nach der Anlieferung werden die Oliven gewaschen und gepresst. Übrig bleibt der Trester, der wieder zur Düngung verwendet wird.Auch der übrig bleibende Trester werde genutzt, erklärt Faiza Gargouri. Vermischt mit tierischem Dung diene er als natürlicher Dünger.
Nach zwei Wochen ist das Aroma dann soweit ausgereift, dass das Bio-Olivenöl abgefüllt und verkauft werden kann. Es duftet charakteristisch fruchtig, nach grünen Mandeln. Der Geschmack ist individuell, pikant und leicht scharf im Abgang. Kenner und Einheimische schätzen dieses junge Öl besonders zu frischen Salaten. Für den Einsteiger-Gaumen bietet sich eher das gereifte und harmonischere Olivenöl an, das auch zu Speisen mit Eigengeschmack passt.
Lebendige Tradition
Am letzten Novemberwochenende dreht sich in Boumerdès nahe Mahdia alles um die regionale Küche: Die Fête de Boumerdès des Saveurs du Patrimoine Culinaire öffnet ihre Tore. Diesmal, im Jahr 2010, wird das kulinarische Open-Air-Festival vom Packtec mitorganisiert, so dass Olivenöl die Hauptrolle spielt. Unter dem passenden Namen Expo Zeitoliva – Messe für Olivenöl und kulinarischen Tourismus richtet sich die Veranstaltung an Gewerbetreibende des Sektors und an Konsumenten sowie Touristen, die sich für die kulinarischen Besonderheiten Tunesiens begeistern.
Auf dem Programm stehen zahlreiche Vorführungen, Verkostungen und Vorträge. Nicht nur bei der Eröffnung durch Kulturminister und dem Gouverneur von Mahdia drängen sich die Besucher und Medienvertreter auf dem Gelände. Reges Interesse findet auch die Kochshow mit dem amerikanischen Koch Roy Breiman und dem tunesischen Spitzenkoch Rafik Tladli.
Bio ist ein, wenn auch noch kleines, Thema auf dem kulinarischen Open-Air-Festival in Tunesien Fête de Boumerdès des Saveurs du Patrimoine Culinaire.{_umbruch_}Foto: E. PeilerTladli, der tatsächlich aussieht wie ein Doppelgänger von Johann Lafer und ein Gourmetrestaurant betreibt, sammelt direkt bei den Familien traditionelle Rezepte und kreuzt sie mit eigenen, an die moderne Mittelmeerküche angepassten Kreationen. Auf der Expo bereitet er Häppchen mit schnellen, raffinierten Pestos zu, beispielsweise aus Lauch, Thunfisch, Harissa, tunesischem Frischkäse, etwas Reibekäse und natürlich Olivenöl. „Ein starkes Öl, das zu ganz vielen Speisen passt“, lobt Tladli dabei den Geschmack des Chemlali-Öls.
Das zeigt sich auch bei einem Kochwettbewerb, bei dem die Einheimischen ein Hauptgericht mit den hier typischen Zutaten Olivenöl, Oliven und Schnittlauch kochen sollten. Die Jury aus zwei tunesischen Köchen, dem US-Amerikanischen Koch Roy Breiman und Elke Peiler von der AHK unter der Leitung von Rafik ist dann auch sehr angetan von den kreativen Ideen der Frauen, die ihre Gerichte mit schüchternem Stolz präsentieren.
Angeboten werden die typischen Gerichte aus der Region.{_umbruch_}Foto: E. PeilerViel Entwicklungspotenzial steckt im Bereich Öko-Agrotourismus. Victoria Hassouni aus Deutschland gehört hier zu den Pionieren. Zusammen mit ihrem tunesischen Ehemann hat sie in ihrer 440 Hektar großen, idyllisch gelegenen Bio-Olivenplantage ein Öko-Hotel integriert. Die sieben einzelnen Gästehäuser sind im individuellen Stil verschiedener Regionen gebaut. Dank eines Bio-Swimmingpools und einem Restaurant kommt der Verwöhncharakter nicht zu kurz.
Gekocht wird fast ausschließlich mit eigenen Produkten, wobei das verwendete Olivenöl vor Ort in einer traditionellen Ölpresse produziert wird. Wie vor Jahrhunderten werden die Oliven dort mit rustikalen Matten aus Halfagras gepresst. Die Hauptmenge an Öl wird allerdings in einer externen modernen Fabrik erzeugt und ist für den weltweiten Export bestimmt.
Bettina Pabel
Informationen über den Bio-Sektor in Tunesien:
Deutsch-Tunesische Industrie- und Handelskammer, Les Berges du Lac Tunis. Elke Peiler (e.peiler@ahktunis.org; http://tunesien.ahk.de)
Centre technique de l’agriculture biologique (www.ctab.nat.tn)
Office National de l’Huile (www.onh.com.tn/).
Packtec, Houda Marbrouki, Responsable projet Huile d’Olive (Houda.mabrouki@packtec-tunisia.com;
www.tunisia-oliveoil.com)
Deutsch-Tunesische Industrie- und Handelskammer
An 120 Standorten in 80 Ländern bieten die deutschen Auslandshandelskammern ihre Dienstleistungen an. Seit 1979 auch in Tunesien. Die auf Initiative beider Regierungen gegründete Kammer soll die Beziehungen zwischen Deutschen und tunesischen Partnern fördern und ist paritätisch zusammengesetzt. Bei der AHK Tunis sind rund 600 Unternehmen Mitglied.