Lehmann ist ein Bio-Mann
Mit gesunden Bio-Produkten zu bezahlbaren Preisen in den Supermarkt
Fruchthändler Friedrich Lehmann ist, was er isst: Zu 90 Prozent ernährt er sich von Obst und Gemüse: Ich liebe Früchte zum Frühstück, zum Mittag- und zum Abendessen. Alles biologisch natürlich. Sein Fruchthandelsunternehmen lehmann natur handelt nur mit O+G aus kontrolliert biologischem Anbau (kbA). Hauptkunden sind die Filialisten und Discounter. Lehmann ist ein LEH-Mann und ein Bio-Mann. Mit Überzeugungskraft und pfiffigen Ideen bringt der Lieferant Bio ins Supermarkt-Regal. Auf der Fruit Logistica sorgten die Rheinländer mit dem Argument Gesundheit für Aufsehen.
Geschäftsführer Lehmann ist überzeugt, von dem, was er verkauft. Das macht das Geschäft einfacher. Ein Vegetarier tut sich als Fleischverkäufer sicher schwerer als Lehmann mit Bio-Früchte. Der Großhändler hatte auf der Fruit Logistica einen spektakulären Auftritt mit dem Motto „Pharmazie der Zukunft“. Nährwerte und Nutzen der einzelnen Produkte wurden auf Schildern präsentiert. Belegt ist der Mehrwert durch entsprechende Bücher. Die Literatur liefert Lehman gleich mit, auch an den POS für engagierte Kaufleute mit gesundheitsbewussten Kunden.
„Frisches Obst und Gemüse ist die beste Gesundheitsvorsorge“, stellt Geschäftsführer Lehmann klar. Das Echo war laut und reichte bis in die Süddeutsche Zeitung. Anfeindungen blieben aus. Kommt nach Fress-, Nasch-, Imbiss- und Diätwelle eine Woge des gesunden Essens? „Unser Auftritt hat Resonanz ausgelöst. In der Fruchtwelt kennt man uns. Die Supermärkte wissen, dass wir Bio nicht nur machen, weil es gerade modern ist“, betont der Händler.
Eigenes Engagement im Anbau
Der O+G-Spezialist engagiert sich persönlich in der Landwirtschaft. Das beginnt mit der eigenen sich über 52 Hektar ausdehnenden demeter-Finca bei Huelva in Andalusien/Spanien. Prinzip ist die Kooperation mit der Natur. Hier gibt es keinen Schädling, der bekämpft werden muss. Das an der Nutzpflanze unerwünschte Tier bekommt Raum zum Leben. Granatäpfel sind anfällig gegen Läuse. Da wurde eine andere Pflanze gesucht und gesetzt, die die Läuse anlockt. „Unis und Schulklassen besuchen uns. Das ist wichtig, dass Kinder und Jugendliche eine Verbindung zur Natur bekommen“, meint Lehmann. Avocado, Litschi, Mango und Goji-Beeren usw. werden auf der Finca angebaut.
Das reicht natürlich nicht, um die deutschen Großflächen mit frischen Bio-Früchten zu versorgen. Daher versucht lehmann natur, mit eigenen Büros und Produktionen in Holland, Ägypten, Italien und Übersee die Kundenwünsche in Europa zu erfülen. Mit Sekem in Ägypten wird zusammengearbeitet. Demeter-Trauben kommen zum Beispiel aus dem nordafrikanischen Land. In Ecuador betreibt Lehmann einen eigenen Anbau für Bio-Bananen. In Europa wird außerdem in Griechenland, Spanien und Deutschland beschafft. Der Frisch-Fruchtspezialist beliefert Supermärkte ganzjährig mit einem vielfältigen Bio-Sortiment.
Feldgemüse, Wurzelgemüse, Feingemüse, Salat, Beeren, Steinobst, Kernobst und Exoten: Rund 60 Artikel bietet Lehmann den Supermärkten ganzjährig an. Direkt vom Erzeuger lautet das Prinzip. Sechs Agraringenieure sind im Auftrag der Firma weltweit zu Audits, Anbauberatung und Planung unterwegs.
Bezahlbare Bio-Bananen dank Super-Logistik
Lehmann startete mit einem konventionellen Kartoffel-Großhandel und erweiterte seine Unternehmen zu einem Fruchtimport. 1985 machte ihn ein Mitarbeiter auf einen Bio-Laden in Düsseldorf aufmerksam. „Dort kostete das Kilo-Bananen zwölf Mark. Wir haben unsere für 99 Pfennig an die Lebensmittelketten abgegeben. Beides kann nicht richtig sein. Mit einer Super-Logistik dazwischen müsste das Bio-Produkt bezahlbar sein und der Erzeuger einen vernünftigen Preis bekommen“, hat sich Lehmann damals gedacht.
Rund 25 Jahre später ist Lehmann zu einem reinen Bio-Unternehmen mutiert. Die beliebte gelbe Frucht kostet nun in Bio-Qualität zwischen 1,79 und 2,29 Euro im VK. Lehmann hatte recht mit der Idee der bezahlbaren Bio-Bananen.
Die Lehmänner wissen es: „Meist sind billige Produkte sehr teuer, weil der Preis nicht alle Kosten, die in folge oder durch den Konsum anfallen, enthält.“ Umweltschäden, falsche Ernährung mit Übergewicht, Diabetes usw. verursachen Folgekosten an anderer Stelle, zum Beispiel bei den Krankenkassen.
Damit aktiv verkauft und hochwertiges Obst und Gemüse an die Frau und den Mann gebracht werden kann, muss natürlich auch die Ausbildung des Personals am POS investiert werden. Lehmann-Mitarbeiter führen probeweise mehrere Monate die O+G-Abteilung in Supermärkten und zeigen, dass der Umsatz gesteigert werden kann. „Wir haben tolle Aufbauten gemacht. Man muss Masse zeigen und die Qualität hochhalten, lose verkaufen, um den Kunden zu begeistern.
Bio braucht aber ein Gesicht, damit der Mehrwert sichtbar wird. Am POS werden zum Beispiel die Produzenten auf Fotos gezeigt. Die Region, in der die Bio-Kartoffeln angebaut werden, wird vorgestellt. Durch das Internet wird die Herkunft der Übersee-Ware transparent gemacht. Das Bio-Produkt erzählt eine Geschichte, tritt damit aus der Anonymität heraus und wird glaubhaft. „Der Mehrwert wird erkennbar, Kundenbindung entsteht, und wir werden nicht für ein paar Cent weniger ausgetauscht“, beschreibt Lehmann seine Verkaufsstrategie.
„Irgendwann gibt es nur noch Bio“
Lehmann hat viele Teamleiter der großen Handelsketten geschult. Die Verkäufer lernen wie Bio-O+G frisch und ansprechend präsentiert, die Abschriften gesenkt und der Absatz gesteigert wird. Von der Finanzkrise war das grüne Bio-Sortiment im ersten Quartal 2009 noch nicht betroffen. „In der Tonnage haben wir ein Plus von 30 Prozent zu verzeichnen. Wir müssen nicht schnell wachsen. Irgendwann gibt es sowieso nur noch Bio, meint Lehmann, der sich bezahlbares Bio für alle auf die Fahne geschrieben hat. Dafür setzt er sich ein, dafür kämpft er, lernt aus seinen Niederlagen und freut sich über seine Siege.
Die Entwicklung ist schon soweit, dass der Handel manche Artikel gegen Bio austauscht. „Dann kommen andere Mengen und andere Logistikkosten zustande. Der Preis kann um zehn Prozent gesenkt werden und die Menge wächst weiter“, erläutert Lehmann.
Der Fruchthändler zog 2008 von Düsseldorf nach Mönchengladbach in ein neues Logistikzentrum auf 12.000 Quadratmetern Fläche um. 100 Leute arbeiten hier für das grüne Bio-Sortiment. Das Lager ist nach Lehmanns Worten „die modernste Anlage, die es gibt“. Kühlhäuser halten die Ware frisch. Eine Bananen-Reiferei wird betrieben. Eine vollautomatische Kartoffel-Aufbereitung ist integriert. Die Kartoffeln werden gewaschen, poliert, sortiert und optisch ausgelesen. In Behältern zwischengelagert und bei Bedarf computergesteuert aus dem Hochregal zur Verpackungsanlage gebracht. Schalen, Foodtainer, Carryfresh werden mit biologischem O+G gefüllt. Die Möglichkeiten der Verpackungstechnik sind vielfältig, um die Bedürfnisse des Handels abzudecken.
Die Halle ist ein Umschlagsplatz kein Lagerhaus und funktioniert nach dem Rein-raus-Prinzip. Übersee wird etwas länger vorrätig gehalten und reicht für eine Woche. Rund zwei Wochen reist eine Hayward-Kiwi mit dem Schiff von Neuseeland nach Deutschland. Auch die Palettierung geschieht automatisch. Der Warenein- und -ausgang wird elektronisch erfasst und Einkauf und Verkauf im Büro können den Stand ablesen. „Schwankungen aufzufangen ist unser Job. Flexibilität ist gefragt“, so Lehmann. Wenn ein Einzelhandelsunternehmen mit zehn Tonnen Zitronen pro Woche kalkuliert hat, aber dann nur acht Tonnen braucht, muss Lehmann die übrige Ware unterbringen. Ein anderer Filialist braucht vielleicht mehr als geplant, dann kann der Engpass beseitigt werden. Mit 20 Prozent Übermenge bleibt der Fruchthändler flexibel.
Fährt eine der großen Ketten eine Aktion, steigt die Menge gleich um das Doppelt bis Dreifache. „Daran ist nicht allein der niedrige Preis schuld, auch die Werbung und die Präsentation steigern die Menge“, betont der Vermittler zwischen Produzent und Handel.
Anton Großkinsky