BioFach
BioFach zeigt sich in Hochform
Erneuter Besucher- und Ausstellerrekord bei der Messe in Nürnberg
Mit 45.000 Fachbesucher aus 116 Ländern verzeichneten die Biofach und Vivaness vom 15. bis 18. Februar in Nürnberg ein Plus von 20 Prozent im Vergleich zu 2006. Ein Drittel der Besucher kam aus dem Ausland. Sie waren voll des Lobes über das Angebot der 2.566 Aussteller, 500 mehr als im Vorjahr. Das entspricht einer Steigerung von 23 Prozent. Zwei Drittel der Aussteller reisten aus dem Ausland an. Italien als Land des Jahres war mit 350 Ausstellern stärkste Nation nach Gastgeber Deutschland. „Rundum zufriedene Aussteller und Besucher. Genau so habe ich mir meinen Start bei der NürnbergMesse vorgestellt", verkündete Projektleiter Udo Funke stolz.
Eine Delegation aus Saudi-Arabien informiert sich in Nürnberg über Bio-Produkte.2006 war für die deutsche Bio-Branche in Deutschland erneut ein erfolgreiches Jahr. Die Lebensmittelumsätze stiegen nach Schätzungen von Prof. Ulrich Hamm von der Uni Kassel und der ZMP um 16 Prozent auf 4,5 Mrd. Euro. In der Europäischen Union wurden 2005 Bio-Lebensmittel im Wert von insgesamt 14,5 Mrd. Euro verzehrt, 27 Prozent davon allein in Deutschland, dem größten europäischen Verbrauchermarkt vor Großbritannien (17), Frankreich (14) und Italien (12).
Ende des Wachstums nicht in Sicht
Ein Ende des Wachstums sei nicht in Sicht, erklärte BÖLW-Vorstandsmitglied Thomas Dosch auf der Bilanz-Pressekonferenz am Vortag der Biofach-Eröffnung. Bis 2010 werde sich der Bio-Anteil am gesamten deutschen Lebensmittelmarkt auf sechs Prozent verdoppeln. Der Zuwachs geht nach Zahlen des Verbandes vor allem auf das Konto der rund 360 Bio-Supermärkte und der 14.000 Discounter-Filialen, die mittlerweile Öko-Lebensmittel in die Regale gestellt haben.
Stagnation gibt es bei der Zahl der Umstellungen, wie Dosch berichtete. Die Zahl der zu einem Anbauverband zählenden Betriebe stieg 2006 lediglich um 0,4 Prozent auf 9.645. „Da das Marktpotenzial für Bio-Produkte bei Weitem noch nicht ausgeschöpft ist, bietet diese Situation innovationsfreudigen Landwirten gute Perspektiven", betonte Thomas Dosch. Auch der Geschäftsführer des BÖLW, Alexander Gerber wies darauf hin, dass der Markt in fast allen Ländern Europas und in den USA kräftig und durchweg stärker als das Flächenwachstum zu lege.
Der Bio-Boom wird zu einem großen Teil von den Discountern getragen. Im den begleitenden Veranstaltungen wurde immer wieder vor den Billig-Anbietern gewarnt. Indessen hat der Einstieg von Aldi hat den Kartoffel-Bauern mittlerweile Preise auf Rekordniveau beschert. Plus hat den bis dahin stagnierenden Fleischmarkt umgekehrt. Viel Ware aber wenig Käufer gab es, bevor BioBio Fleisch und Wurst eingeführt wurde.
Politik bekenntsich zu Bio
Die politische Begleitmelodie war diese Mal überwiegend in Dur für die Bio-Gemeinde. Ernährungsminister Horst Seehofer kam zwar auch dieses Mal nicht, nachdem sich die BioFach unter der alten rot-grünen Regierung an den Ministerbesuch gewöhnt hatte. Staatsekretär Gerd Müller stellte jedoch eine stärkere staatliche Förderung der zukunftsträchtigen Bio-Landwirtschaft in Aussicht; 2006 hatte er noch von einer Gleichberechtigung von konventioneller und biologischer geredet.
Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast ist zu Gast bei Thomas Dosch beim Bioland-Stammtisch.Beim Reizthema Gentechnik lag er nicht auf einer Linie mit der Bio-Lebensmittelbranche. Das klang nach Moll. Die angestrebte Koexistenz mit Abstandsregelungen und verschuldens-unabhängiger Haftung lösten Raunen und Aufhören-Rufe aus.
Slow-Food-Präsident Carlo Petrini mit einer flammenden Rede gegen die Bedrohung der bäuerlichen Landwirtschaft durch Gentechnik sprach der Versammlung aus dem Herzen.
Die Warnung vor der Globalisierung wurde ebenfalls wieder vorgetragen, wohlwissend dass die Internationalität nicht mehr zu bremsen ist. „Weltweiter Handel bedeutet auch eine weltweite Transportkette mit höherem Energieverbrauch", beklagte Staatssekretär Müller (CSU).
Dabei war Bio nie nur regional: Kaffee, Tee, Gewürze, Schokolade werden schon lange Jahre in Bio-Qualität gehandelt. Kakao mit deutschen Ursprung wird es in absehbarer Zeit nun mal nicht geben.
Die EU-Kommissarin für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Mariann Fischer Boel, sprach sich für ein europäisches Logo für alle Bio-Produkte aus, die in der Europäischen Union hergestellt werden. Auch Importe, die nach denselben Standards produziert werden, könnten dieses Siegel tragen. Die bisherige Vielfalt der Gütezeichen verwirre die Verbraucher, sagte die EU-Kommissarin.
Allerdings sollte man den Dom in Köln und den Eifelturm in Paris lassen. Das deutsche Bio-Siegel und das französische AB-Zeichen sind mit viel Kommunikation, sprich Geld, bekannt gemacht worden. Das wäre Handeln durch die EU, wo kein Bedarf besteht.
Bio-Schaum-Kussein Renner
Im Rahmen der BioFach-Eröffnung wurde wieder der „Renner des Jahres" verliehen. Hier zählt allein, welche Neuheiten aus dem Vorjahr am häufigsten über die Kassen der Naturkostfachgeschäfte und Bio-Supermärkte gingen. Der begehrte Titel „Renner des Jahres" der BioFach für die erfolgreichsten Markteinführungen geht diesmal an: Bionade Ingwer-Orange (Getränke), Provamel Soya Yofu Himbeere-Vanille (Frühstücksprodukte), La Selva Crema de Balsamico (Mittagessen), Weissenhorn Zaziki (Abendessen) und Linea Natura Bio-Kuss (Zwischendurchverzehr). Dem Bio-Schaumkuss hatte bioPress bereits 2003, als es ihn noch nicht gab, Erfolg vorausgesagt.
„Renner des Jahres" der Vivaness sind: Dr. Hauschka Augencreme (Gesichtspflege), Weleda Sanddorn-Vitalisierungsdusche (Körperpflege), Logona Weiße Lavaerde Waschcreme Lotusblüte (Haarpflege), Primavera Life Aroma Roll-On Gute Laune (Wellness) und Dr. Hauschka Lip Gloss 04 Cherry (Dekorative Kosmetik).
Thönes aus Wachtendonk in Nordrhein-Westfalen lenkte die Aufmerksamkeit auf seine neue Mini-Salami: „Der Artikel ist nigel-nagel neu zur Messe", versichert Geschäftsführer Bruno Jöbkes. Er wird in bedruckter Folie im Thekenaufsteller für Metzgereien, Tankstellen und Supermärkte geliefert. Ein mittlerer Tankstellen-Betreiber mit 2.000 Verkaufsstellen ist bereits gefunden. Das ist Bio-to-Go, ein Produkt moderner Ausprägung. Bauernverbandspräsident Gerd Sonnleitner machte bei seinem Rundgang auch bei Thönes Station und probierte die Mini-Salami mit Genuss.
Die „Deutsche See" aus Bremerhaven überraschte mit den weltweit ersten Fischstäbchen in Bio-Qualität. Ein Produkt, das auch auf dem Bio-Markt das Zeug zu einem Renner hat. Insgesamt präsentierte sich die Branche gewohnt kreativ und innovativ mit Hirse- und Reisbier, fertigen Omeletts und Fischpastete, um nur wenige Beispiele zu nennen.
Bio ist entgegen aller anderslautenden Behauptungen doch besser: Einer Untersuchung zufolge enthält 87 Prozent der Bioware keine Rückstände. Dies habe ein Vergleich aktueller Analysedaten ergeben, teilten der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) und die Umweltorganisation Greenpeace auf der BioFach mit. Als Besorgnis erregend bezeichnete Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Martin Hofstetter dagegen die Pestizidbelastung bei konventionellem Obst und Gemüse. 81 Prozent der Proben seien belastet gewesen.
Wellness auf der Vivaness
Hochkarätige Produkte aufmerksamkeitsstark inszeniert, wohltuende Düfte, und sonnenfarbene Teppichböden ließen die Besucher in die Welt der Vivaness eintauchen. Die neue Fachmesse für Naturkosmetik und Wellness füllte die Messehalle 7A mit 164 Ausstellern auf Anhieb. Die Anbieter aus Deutschland, Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Indien, Italien, Kanada, Malaysia, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, den USA und Zypern freuten sich über zahlreichen Besuch aus dem Fachhandel, Reformhäusern, Kosmetikinstituten, Bio-Supermärkten, Großhandel, Apotheken oder auch von Kosmetik-Herstellern. „Wir sind sehr zufrieden mit der Kundenfrequenz. Unsere Erwartungen wurden übertroffen", so Silke Fliess aus der Marketingabteilung des Hersteller Logocos.
Neben den Gesprächen auf den Messeständen nutzten 8.000 Fachleute die 150 Veranstaltungen des BioFach-Kongresses und des ForumVivaness zur fachlichen Information. Das umfangreiche Kongress-Programm liest sich abwechslungsreich und spannend. Wer mehrere Vorträge besuchte, hörte allerdings zahlreiche Wiederholungen.
Der Kongress war recht unterschiedlich besucht von spärlich bis überfüllt reichte die Spanne. Die Inhalte waren trotz unterschiedlicher Themen aber teilweise gleich. Als Einleitung wurden oft die Zahlen über den deutschen Bio-Markt von Prof. Hamm präsentiert. Ob andalusisches, italienisches oder französisches Außenhandelsinstitut, alle stellten sie die gleichen Zahlen vor. Dass ein Exportmarkt da ist, haben die Hersteller schon längst erkannt. Mit Zahlen müssen sie nicht mehr überzeugt werden. Welche Strategien, in welchen Ländern, auf welchen Vertriebsschienen Erfolg versprechen, hätte man stattdessen in den 20 Minuten erörtern können.
Wenn Zahlen aus den Ländern wie Frankreich kommen, werden sie oft nicht interpretiert. Mit 25 Prozent Anteil ist Wein das mengenmäßig bedeutendste Bio-Produkt. Ob die Menge national oder international vermarktet wird, bleibt unbekannt.
Zertifizierung und Qualitätssicherung werden ausführlich dargestellt und ständig die Echtheit der Bio-Produkte betont und bewiesen. Das AB-Siegel wird detailliert erklärt. Für Mitarbeiter aus des QM-Abteilung äußerst interessant für Großhändler, Importeure, Einkäufer und Vertrieb eher sekundäre Informationen.
Was wird noch geboten außer Bio-Qualität? Die bietet schließlich jedes Land und jeder Hersteller. Image, Markenmerkmale, um sich von 1.000 anderen Bio-Produkten abzuheben, sind Themen, die weitgehend unberücksichtigt bleiben. Jedes Land hat seine eigene Esskultur. Was geht wo in Bio und was nicht? Trifft südeuropäische Babykost oder mediterrane Fertigsuppe den mitteleuropäischen Geschmack?
Infos über die Landwirtschaft werden vermittelt, aber relevante Informationen über die Strukturen der Weiterverarbeitung und der Verteilung fehlen. Ob Rohstoffe oder Endprodukte, ob kleine oder größere Mengen geliefert werden, ob man überhaupt exportfähig ist, bleibt unerwähnt.
Die Veranstaltungen hatten oft den Charakter der Selbstbestätigung der eigenen Bio-Identität. Die Bio-Mannschaften bestärkten sich intern, in der Richtigkeit des eigenen Tuns. Das war aber noch zu schwach, um den Externen überzeugend darzustellen, was man für sie tun kann. Die Marketingorientierung fehlte. Die Frage, welche sinnvolle Leistung kann ich für die anderen erbringen, wurde nicht gestellt und folglich auch nicht beantwortet.
Anton Großkinsky