Messe
Ukraine zeigt erneut starke Präsenz auf der Biofach
Wertschöpfungs-Partnerschaften zur Sicherung der europäischen Bio-Versorgung

Trotz allem: Die ukrainische Biobranche überzeugte an der Biofach 2025 erneut mit einem großen Auftritt. Rund 25 Unternehmen zeigten ihr vielfältiges Angebotsspektrum am Ukraine-Gemeinschaftsstand. Die solidarische Kooperation mit vier internationalen Vernetzungspartnerschaften schafft Sicherheit und Perspektiven für die Zukunft.
Am 24. Februar 2025 jährte sich der Beginn der ‚Full Scale Invasion‘ des imperialistischen russischen Kriegs gegen die freie demokratische Ukraine bereits zum dritten Mal. Der russische Krieg dauert jedoch bereits über elf Jahre. Über 4.000 Tage sind vergangen, seit das russische Regime auf den Erfolg der ‚Euromaidan‘- Demokratiebewegung im Winter 2013/14 mit dem militärischen Angriff auf die Oblaste Donbass und Lukansk und der Besetzung der Krim reagierte.
Die Bedrohungslage akzentuiert sich seit der Machtübernahme durch die neue US-Administration noch zusätzlich. Die bisher zumindest grundsätzlich unbestrittene militärische und wirtschaftliche Unterstützung gegen den russischen Angriffskrieg ist nicht mehr garantiert. Die Aufrechterhaltung der tatkräftigen Solidarität liegt nun endgültig prioritär in der Verantwortung der demokratischen Kräfte Europas.
Trotzdem – Widerstand braucht Solidarität
Verlässliche, solidarische Wertschöpfungs-Partnerschaften sind für die ukrainische Agrar- und Ernährungswirtschaft von existentieller Bedeutung – mehr denn je! Für die Biobranche bergen diese Kooperationen zukunftsweisende Perspektiven für die Sicherung der nachhaltigen Versorgungssicherheit namentlich in Westeuropa. Wie die auf der Biofach gezeigten aktuelle Marktzahlen zeigen: Die Nachfrage nach Biolebensmitteln zieht wieder an. Die Inlandversorgung durch neuumstellende Landwirtschaftsbetriebe kann selbst für Getreide gerade in Deutschland nicht gedeckt werden. Für weitere heimische Ackerkulturen, die für die pflanzliche Ernährung an Bedeutung gewinnen, ist der Importbedarf noch viel akzentuierter.
Ein Begriff zeigt die Zukunftsperspektiven auf: ‚Re-Europäisierung der Wertschöpfungspartnerschaften‘. Angesichts zunehmend unsicherer globaler Lieferketten müssen sich die Kooperationen besonders zwischen Ost- und Westeuropa verstärken. Das bekannteste Erfolgsbeispiel ist ‚Donau Soja‘, das den Anbau in GVO-freier und zu einem wesentlichen Anteil in Bioqualität fördert und organisiert. Seit rund zehn Jahren steigerte sich die europäische Sojaversorgung, zunehmend auch für die Lebensmittelverarbeitung, von zehn auf über 90 Prozent der Nachfrage. Einen wesentlichen Anteil an diesem Erfolg leistet zusammen mit den Partnerländern in Südosteuropa die ukrainische Biobranche.
Sortimentsvielfalt am nationalen Ukraine-Stand
© Stefan Dreesmann, Deutsch-ukrainische Zusammenarbeit im Ökolandbau
Die Ukraine war auch dieses Jahr wieder mit einer starken Präsenz auf der Biofach vertreten. Insgesamt 25 Unternehmen aus der ganzen Ukraine präsentierten ihre Produkte auf dem 180 Quadratmeter großen Stand. Der Stand repräsentierte die große Bandbreite an Bio-Produkten, die in der Ukraine produziert und verarbeitet werden. Dazu zählen landwirtschaftliche Rohstoffe wie Getreide und Sonnenblumen, Beeren, Früchte und Honig. An Bedeutung gewinnt das vielfältige verarbeitete Sortiment, wie Gemüsespezialitäten, Babynahrung, hochwertige Schokolade, Milchprodukte sowie Kräuter und Saaten. Die ukrainischen Biofachleute reisten trotz des anhaltenden Angriffskrieges Russlands aus der ganzen Ukraine an. Einige der vertretenen Unternehmen produzieren in Regionen, die fast täglich Angriffen der russischen Armee ausgesetzt sind.
Viele Biofach-Besuchende nutzten die Gelegenheit, sich einen Eindruck von ukrainischen Bio-Produkten zu verschaffen, ins direkte Gespräch zu kommen und das große Potenzial der ukrainischen Biobranche kennen zu lernen. „Ich freue mich sehr, dass sich die Ukraine trotz des anhaltenden russischen Angriffskrieges so stark auf der Biofach präsentiert, auch dank der Unterstützung durch mehrere internationale Projekte“, so Stefan Dreesmann, Leiter des Projekts ‚Deutsch-ukrainische Zusammenarbeit im Ökolandbau‘. Dreesmann zieht ein positives Fazit: „Ich bin sicher, dass gerade diese Biofach dazu beigetragen hat, neue Geschäftskontakte zwischen ukrainischen Bio-Unternehmen und interessierten Unternehmen aus aller Welt zu knüpfen.“
Organic is the Future – Ukraine auf dem Biofach-Kongress
© Stefan Dreesmann, Deutsch-ukrainische Zusammenarbeit im Ökolandbau
‚Ukraine's Organic Sector in the EU Integration Process – Challenges, Opportunities, and Post-War Resilience‘: Am Mittwoch,12. Februar, zeigte dieses sehr gut besuchte Kongressevent ein umfassendes Bild von der aktuellen Situation des ökologischen Landbaus in der Ukraine, den Exporten in die EU und den zukünftigen Möglichkeiten für die Entwicklung des ökologischen Landbaus in der Ukraine.
„Für Euren Nachfrage-Gap haben wir die Produkte!“, betonte Olga Trofimtseva, Agrarspezialistin aus der Ukraine, mit Bezug auf den deutschen Nachfrageüberhang gleich als Einstieg. Die Integration der Ukraine in die EU stärke die strategische Sicherheit und die Widerstandsfähigkeit der Lebensmittelversorgung in Europa erheblich. Dies gelte insbesondere für den ökologischen Landbau als nachhaltige und damit zukunftsfähige Produktionsmethode.
Die Veranstaltung wurde von Taras Vyssotzky, Erster Stellvertretender Landwirtschaftsminister der Ukraine, Ophelia Nick, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, und Marco Kräuchi, Programmleiter Handelsförderung im Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft, eröffnet. Die anschließenden Podiumsdiskussionen konkretisierten den Handlungsbedarf auf dem Weg zur EU-Integration. Mit Taras Vyssotzky, Marianna Paolino, Referentin für ökologischen Landbau bei der GD Landwirtschaft der Europäischen Kommission, Jan Plagge, Präsident von IFOAM Organics Europe, und Sergiy Galashevskyy, Geschäftsführer von Organic Standard Ltd. Ukraine, versammelte sich eine hochkarätige Runde zum direkten Austausch an einem Tisch. Plagge und Paolino betonten ihre Solidarität mit dem ökologischen Landbau in der Ukraine.
© Stefan Dreesmann, Deutsch-ukrainische Zusammenarbeit im Ökolandbau
Das ‚Wirtschafts‘-Panel wurde von Olena Deineko, Vorstandsvorsitzende der Organic Initiative Public Association, eröffnet, die die Ergebnisse einer Studie über den aktuellen Status, die Pläne und die Bedürfnisse ukrainischer Bio-Exporteure vorstellte (‚Ukrainian Organic Export: Challenges and New Opportunities – Organic initiative‘). Konkrete Praxiserfahrungen brachten Dorian Schroeper, Dobro Commodities sowie Alla Ponomarenko, Alta Kraina, und Iryna Kolesnyk, Ukroliya Ltd ein. Sie betonten ebenfalls die hohe Leistungsfähigkeit der Bio-Unternehmen in der Ukraine und zeigten anhand ihrer Unternehmen exemplarisch auf, wie der Handel mit Bio-Produkten aus der Ukraine erfolgreich umgesetzt werden kann.
Ukraine-Talk in der BIOimSEH Experten Lounge
Ein weiteres Ukraine-Event fand am Donnerstag, 13. Februar, im Rahmen der bioPress-Talks in der ‚BIOimSEH Experten Lounge‘ statt. Im Ukraine-Talk gaben ukrainische Biounternehmen Einblick in ihre aktuelle Situation vor Ort, im Austausch mit Stefan Dreesmann von der Deutsch-Ukrainischen Kooperation Ökolandbau. Mit dabei waren Irina Kukhtina, Präsidentin der Ukrainian Berries Association, Alla Ponomarenko, Managing Partner bei Alta Kraina, Oleksiy Kolchanov, Mitgründer von Meety Chocolate, Andrew Vlasov, Exportleiter von Danube Agrarian LTD M, sowie Yan Ostrovskyi, Gründer und Direktor des Unternehmens Stodola in Mykolajiw.
© Stefan Dreesmann, Deutsch-ukrainische Zusammenarbeit im Ökolandbau
Die vertretenen Fachleute mit vielfältigem Branchenhintergrund zeigten eindrücklich einen Einblick in die kriegsbedingten Herausforderungen durch Ressourcen- und Energiemangel sowie generell die bedrohten Produktions- und Logistik-Infrastrukturen. Über Notlösungen hinaus gewinnt dadurch die Investition in dezentrale erneuerbare Energieinfrastruktur an Bedeutung. Flexibilität ist zudem angesichts eines akuten Fachkräfte-Mangels gefragt, bedingt einerseits durch den Mobilisierungsbedarf der ukrainischen Streitkräfte und gleichzeitig die große Anzahl von ukrainischen Flüchtlingen. Ein Ausbildungsprogramm für Frauen als Transporteurinnen und in weiteren klassischerweise männlich dominierten Berufsfeldern schafft hier Entlastung – und Perspektiven für die Zukunft.
Wie finden ukrainische Bio-Produkte vermehrt Eingang in den deutschen Einzelhandel? Für die logistischen Herausforderungen stehen mittlerweile trotz und teilweise als Folge der Kriegssituation professionelle Lösungen zur Verfügung. So wurden beispielsweise als Alternative zur Schwarzmeer-Route die Transportkapazitäten auf dem Schienenweg Richtung Westeuropa massiv ausgebaut. Einig waren sich die ukrainischen Lebensmittel-Fachleute: Die Wahrnehmung und Identität für ukrainische Qualitätsprodukte muss gestärkt werden. Noch immer setzt die ukrainische Agro-Food-Branche zu stark auf Futtermittel und unverarbeitete Agrarrohstoffe. Alla Ponomarenko brachte ihre klare Zielvorgabe auf den Punkt: „Die Zukunft der ukrainischen Biobranche muss vermehrt in der Verarbeitung von Qualitäts-Spezialitäten sein. Die Ukraine hat das Potenzial, sich über den traditionellen Brotkorb Europas hinaus auch als Innovations-Cluster für hochstehende Food-Technologie zu entwickeln!“
Peter Jossi
Starke Wertschöpfungspartnerschaften mit Zukunft
Der nationale Pavillon der Ukraine auf der Biofach 2025 wurde durchgeführt vom Ukrainischen Beerenverband und der staatlichen Einrichtung ‚Büro für Unternehmertum und Exportförderung‘ (EEPO, Ukraine), dem nationalen Projekt Diia.Business und unter der Schirmherrschaft des Ministeriums für Agrarpolitik und Ernährung der Ukraine.
Der ukrainische Auftritt wurde durch vier internationale Vernetzungspartnerschaften unterstützt:
- Deutsch-Ukrainisches Kooperationsprojekt im ökologischen Landbau (COA) mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)
- die Schweiz im Rahmen des schweizerisch-ukrainischen Programms ‚Höherwertiger Handel aus dem Bio- und Milchsektor in der Ukraine‘ (QFTP), das vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL, Schweiz) in Zusammenarbeit mit der SAFOSO AG (Schweiz) durchgeführt wird, sowie des Schweizerischen Importförderungsprogramms (SIPPO), das von Swisscontact durchgeführt wird.
- Ukraine-Moldau-Amerikanischer Unternehmensfonds (UMAEF).