USA
Echtes Bio versus Big Trade
Landwirte des Real Organic Projects trotzen der Verwässerung des Standards

Bio in der USA ist im Argen. Seit 2017 erlaubt die Zertifizierung des Landwirtschaftsministeriums USDA Hydroponik im Bio-Anbau: mit der Folge von ‚Plastikfarmen‘, die in großer Masse Obst und Gemüse mit Bio-Label zum Spottpreis produzieren. Inmitten der politischen Unruhen der neuen Trump-Regierung kämpft das Real Organic Project weiter für die Wertschätzung von Landwirten und echtes Bio. Mit einem neuen Joint Venture mit dem Bio-Anbauverband Naturland will der Zusammenschluss jetzt die Kräfte mit Europa bündeln. bioPress hat mit Linley Dixon, früher Bio-Landwirtin, jetzt Aktivistin und Co-Direktorin des Real Organic Projects, gesprochen.
bioPress: Frau Dixon, das Real Organic Project kämpft seit vielen Jahren für den Erhalt des Bio-Standards in den USA. Wie dramatisch ist die Lage unter der neuen Trump-Regierung?
Linley Dixon: Wir sind sehr entmutigt von der neuen Regierung. Bio braucht eine gute Regulierung und Trump will überhaupt keine Regulierungen. Angesichts dessen ist es momentan eine sehr schwere Aufgabe, den Bio-Standard zu verbessern.
Auch die Subventionierung der Zertifizierungskosten, die wir bislang in den USA haben, ist aktuell in Gefahr. Es wurde angekündigt, dass sie gekürzt wird. Wenn das passiert, werden die kleineren Landwirte sich keine Bio-Zertifizierung mehr leisten können. Die Kosten liegen mindestens bei 1.500 Dollar, oft sogar mehr, und die Regierung kommt nur für 750 Dollar auf. Wir haben auch jetzt schon viele Bio-Kleinbauern deswegen verloren und hatten deshalb dafür gekämpft, dass die Subventionen erhöht werden. Wenn sie stattdessen wegfallen, sehe ich keine Hoffnung für die USDA-Bio-Zertifizierung kleiner Landwirte.
Aber schon vor Trump war Bio in den USA in der Bredouille, egal welche Regierung wir hatten – unter Republikanern wie auch Demokraten. Große Tierfabriken (CAFOs) und Produkte aus Hydroponik werden als Bio zertifiziert und untergraben den Standard. Das Real Organic Project (ROP) stellt sich dem entgegen. Zehn Jahre lang haben wir mit ‚leisem‘ Lobbying versucht, eine Veränderung zu erwirken, aber es hat sich nichts getan. Wir mussten laut sein und die Leute direkt ansprechen. Dafür haben wir das ROP gegründet.
bioPress: Wie stehen die Zertifizierer selbst zur Verwässerung des Bio-Standards?
Dixon: Wir haben wirklich gute Zertifizierer in den Vereinigten Staaten, aber sie gehen in der Regel nicht über den USDA-Standard hinaus. Ein paar integre Zertifizierer haben sich allerdings zu einer Koalition zusammengeschlossen und gemeinsam dem USDA erklärt, dass sie Hydroponik nicht als Bio zertifizieren werden. Das Ministerium ist bislang nicht strafrechtlich gegen diesen Verstoß gegen das Bio-Gesetz vorgegangen. Indem wir uns zusammentun, können wir verhindern, dass das USDA zu viel Macht hat.
bioPress: Was schätzen Sie: Wie viel Bio-Obst und -Gemüse in den USA stammt momentan aus Hydroponik?
Dixon: Es gibt keine Transparenz darüber, deshalb ist es schwer zu sagen. Wir kennen aber einige der Marken, die mit Hydroponik produzieren. Manche davon haben ein Marktmonopol: Im Bereich von Beeren, Tomaten, Gurken, Paprika und Kopfsalat werden um die 70 Prozent hydroponisch erzeugt. Bodenbasiertes Bio hat keinen Platz mehr in den Regalen. Mit ihren Gewächshäusern können die Produzenten die Ware außerdem das ganze Jahr über anbieten, während unsere Landwirte ihre Produkte in der Regel saisonal liefern.
bioPress: Was tun Sie dafür, um weiter im Markt bestehen zu können?
Dixon: Unsere Stärke ist es, eine Bewegung aufzubauen, die Landwirte zu vernetzen. Auch unsere Kunden werden von uns aufgeklärt, unterstützen uns und leisten zum Beispiel selbst Lobbyarbeit in Geschäften. Wir haben keine Macht, deshalb setzen wir ganz auf Grassroots-Aktivitäten. Es ist die einzige Weise, auf die wir Einfluss nehmen können – dieselbe Weise, in der die Bio-Bewegung einst angefangen hat.
bioPress: Über welche Absatzkanäle können die Landwirte von Real Organic ihre Ware vertreiben?
Dixon: Früher konnten wir unsere Produkte bei Whole Foods anbieten, und waren sogar in allen großen Supermärkten vertreten. Angesichts der Konsolidierung im Einzelhandel sind diese Möglichkeiten allerdings im Moment nicht mehr vorhanden. Regionale, kleine Landwirte können sich die Regalgebühren nicht mehr leisten – wir haben in den letzten Jahren viele Regalplätze verloren.
Die Marktpreise von Bio sind zu niedrig – vor allem, weil die Großunternehmen zweigleisig fahren. Driscoll‘s zum Beispiel bietet 90 Prozent der Beeren konventionell an und hat nur eine kleine Bio-Linie. Das bedeutet, dass sie ihr Geld mit konventionell verdienen und Bio zu sehr niedrigen Preisen vermarkten können. Sobald sie den Bio-Markt beherrschen, können sie die Preise wieder anziehen und so den Markt nach ihrem Gutdünken manipulieren.
Die Landwirte können auch nie direkt mit den großen Einzelhändlern sprechen. Sie haben nur Kontakt zu den Zwischenhändlern, die als Mittelmänner die Preise bestimmen. Unter ihnen gibt es viel Korruption.
Die Hoffnung ist, mit dem Real Organic-Label Regalplätze bei den großen Einzelhändlern zurückzuerobern, weil sie sich damit profilieren können, aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Selbst Whole Foods, der noch ein paar Real Organic-Produkte anbietet, steht nicht wirklich dahinter und bewirbt ihren Mehrwert nicht. Viele unserer Landwirte reduzieren ihre Kapazitäten daher gerade eher, als sie zu erweitern.
Wir helfen ihnen, ihre Ware über alternative Absatzkanäle zu vermarkten. Zum Beispiel hatten wir einen Heidelbeerfarmer, der von Whole Foods ausgelistet wurde. Also haben wir ihn dabei unterstützt, seine Produkte online zu vermarkten und zu versenden. Man muss kreativ sein.
Außerdem arbeiten wir mit unabhängigen Lebensmittelgeschäften zusammen. Sie sind unsere natürlichen Verbündeten und unterstützen uns sehr. Auch sie kämpfen im Wettbewerb ums Überleben und viele mussten schließen, aber es bleiben auch noch viele Erfolgreiche.
bioPress: In Deutschland sind in den letzten Jahren im Zuge der Inflation viele Bio-Kunden zum Kauf beim Discounter umgeschwenkt. Wo verorten Sie momentan den Bio-Markt in den USA zwischen Qualität und Preis?
Dixon: Dasselbe Produkt ist bei Whole Foods billiger als bei den unabhängigen Geschäften und bei Walmart nochmal billiger. Die einzige Chance der Selbstständigen ist es daher, ein qualitativ hochwertigeres Produkt zu bieten.
Allerdings kauft ein Großteil der amerikanischen Konsumenten im Moment dort ein, wo es am billigsten ist. Wir haben immer noch eine sehr hohe Inflation. Es gibt sehr treue Bio-Kunden, aber es ist schwer, Qualität zu vermarkten, wenn die Leute darauf achten müssen, wie sie über die Runden kommen. Auch in den USA gibt es bei vielen ein wachsendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit und gesunde Lebensmittel, aber gerade spiegelt sich das nicht im Markt wider, weil die Marktlage einfach schlimmer und schlimmer wird.
bioPress: Sind Konsumenten selbst auch Teil des Real Organic Projects?
Dixon: Ja, viele Konsumenten sind frustriert von der Marktentwicklung, fühlen sich verbunden und wollen helfen. Als zahlende Mitglieder können sie unsere Landwirte unterstützen und bilden unser finanzielles Rückgrat. Dadurch ist es möglich, dass wir das Real Organic-Label kostenlos vergeben und Landwirte für die Mitgliedschaft keine Gebühr zahlen müssen. Sie bekommen auch kostenlos Unterstützung bei der Vermarktung und Weiterbildungsangebote. Von der Regierung erhalten wir keine Fördergelder.
bioPress: Wie viele Landwirte gehören inzwischen zum Real Organic Project?
Dixon: Über 1.000 Höfe sind inzwischen dabei, verteilt über die ganzen Vereinigten Staaten. Ein paar Mitglieder haben wir auch in Kanada.
bioPress: Auf der Biofach haben Sie Ihre neue Kooperation mit Naturland vorgestellt. Wie ist es zu der Partnerschaft gekommen?
Dixon: Naturland ist international in 60 Ländern aktiv, hatte aber noch keine Präsenz in den USA und war daher auf der Suche nach einem Erzeugerverbund, um eine Kooperation zu starten. Außer uns gibt es noch das Add-on-Label ‚Regenerative Organic Certified‘ (ROC), das aber nicht in der Hand von Landwirten ist. Das Real Organic Project passte dagegen von seiner Struktur her perfekt zu Naturland. Bei der Ecofarm-Konferenz in Kalifornien vor zwei Jahren haben wir uns zum ersten Mal persönlich ausgetauscht. Es war schnell klar, dass wir uns sehr ähnlich und Verbündete sind.
bioPress: Wie sind Sie auf die Idee zu einem Joint Venture gekommen und wie funktioniert der Zusammenschluss?
Dixon: Bislang hatten wir nicht die Kapazitäten oder das Know-how, um verarbeitete Produkte mit Real Organic zu zertifizieren, wir haben uns auf Bio-Höfe und ihre Erzeugnisse fokussiert. Naturland hat da eine ganz andere Expertise, aber keine Kontakte zu den Landwirten in den USA. Deshalb ist es die perfekte Partnerschaft.
Im Rahmen des Joint Ventures haben wir ein neues Siegel entwickelt, das das Real Organic-Label mit dem Blätter-‚N‘ von Naturland kombiniert. Teil des Pilotprojekts ist zum Beispiel bereits der Kaffee-Lieferant ‚Birds & Beans‘, der das Label verwenden wird, sobald seine Naturland-Zertifizierung abgeschlossen ist. Langfristig sollen viele Produkte mit dem Real Organic-Naturland-Label in den USA vermarktet werden. Bereits von Naturland zertifizierte Rohstoffe oder verarbeitete Produkte werden automatisch dafür zugelassen.
Von der Kooperation mit Naturland profitieren wir außerdem auch im Export. Zum Beispiel war es uns bisher nicht gelungen, Mandeln aus Kalifornien nach Europa zu bringen – mit dem Naturland-Siegel ist es jetzt geglückt.
bioPress: Was erhoffen Sie sich für die Zukunft?
Dixon: In der EU läuft so Vieles richtig in puncto Bio – verglichen mit den USA. Vielleicht sind die politischen Ziele teils etwas idealistisch, aber ob sie erreicht werden oder nicht: Es gibt viel Unterstützung von den Regierungen für Bio. Wir hoffen, dass wir etwas von dieser Erfolgsgeschichte auch zu uns bringen können.
Das USDA hat so viele Fehler gemacht, dass die Leute es infrage stellen, ob Bio der richtige Weg ist. Wenn die Kunden Bio nicht mehr vertrauen, springen sie ab. In den USA hat man nur aufs Wachstum geschaut und den Stellenwert der Integrität nicht verstanden. Das Ziel, Bio möglichst billig und in möglichst großen Mengen für alle zur Verfügung zu stellen, stand zu sehr im Fokus. Dabei kommt mit Integrität auch Wachstum: langsamer, aber am Ende nachhaltiger.
bioPress: Haben Sie noch Hoffnung dafür, dass sich das USDA-Label wieder mehr den Grundsätzen von Bio annähern wird?
Dixon: Ja, wir machen dafür zum Beispiel Lobby-Arbeit mit der Organic Farmers Association (OFA). Im Moment stehen die Sterne nicht gut; die Gelder für das Regierungsprogramm TOPP (transition to organic partnership program) sind in Gefahr. Aber wir werden weitermachen – und hoffen auf mehr Unterstützung von der nächsten Regierung.
Interview: Erich Margrander
und Lena Renner