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Bio im Boden lassen

Real Organic-Landwirte kämpfen für ihre Arbeit

Bio im Boden lassen
Bestseller-Autor Paul Hawken sowie Linley Dixon und Dave Chapman vom Real Organic Project (v.l.n.r.) beantworten Publikumsfragen.

Bio ist nicht gleich Bio. In den USA verwässern Hydroponik-Produkte und solche aus Massentierhaltung den staatlichen Bio-Standard und machen den Landwirten, die noch ‚echtes Bio‘ produzieren, das Leben schwer. Wie konnte es dazu kommen? Und wie können sich Bio-Bauern gegen die Billigprodukte der Konkurrenz durchsetzen? Unter dem Motto ‚Geschichten von der Front‘ erzählten Mitte Januar 13 Referenten des Real Organic Projects (ROP) von ihrem Engagement.

„Vor 15 Jahren gab es noch 30.000 Naturkostläden, überall in den Vereinigten Staaten“, sagte Alan Lewis von der Naturkostkette ‚Natural Grocers‘. „Heute sind es nur noch 3.000.“ Die Handelsriesen Walmart, Costco, Target, Kroger und Safeway kontrollierten 80 Prozent des gesamten Lebensmittelmarktes und 95 Prozent dieses Marktes würden von konventionellen Produkten eingenommen.

Wie die Naturkostläden verschwinden auch die Kleinbauern vom Markt. „Die Distributoren behalten einen zu großen Anteil des Geldes“, erklärte Bio-Landwirt Javier Zamora. Die Farmer bekämen teilweise nur 40 Prozent, wobei sie 75 Prozent bräuchten, um ihre Existenz zu sichern. Die Konsumenten müssten für dieses Problem sensibilisiert werden.

Vom nationalen Bio-Programm zur Hydroponik

„Bio muss eine Vereinigung sein“, meinte Dave Chapman, Geschäftsführer des Real Organic Projects. Aufgewachsen auf einem konventionellen Milchviehbetrieb zog er nach Vermont und gründete dort schon 1985 die ‚Vermont Bio-Farmer‘. „Das USDA (Landwirtschaftsministerium) hasste Bio und war gezwungen, das nationale Bio-Programm (NOP) ins Leben zu rufen“, erinnert er sich an die Anfänge von staatlichem Bio in den Vereinigten Staaten. Im Jahr 2002 wurden die ersten Produkte mit dem Bio-Siegel des USDA zertifiziert.

„Noch 2010 hat das National Organic Standards Board (NOSB) fast einstimmig empfohlen, die Bio-Zertifizierung von Hydroponik zu verbieten“, erzählte Francis Thicke, der als Landwirt selbst im NOSB mitwirkt und Mitglied des ROP-Vorstands ist. Erst 2017 kam es dann zur verhängnisvollen Abstimmung, bei der das USDA Hydroponik im Bio-Anbau erlaubte. „Über 1.200 Lobbyisten spenden pro Jahr 350 Millionen Dollar für die Agrarindustrie“, erklärte Thicke. Auch die vier Sitze, die im NOSB von Landwirten besetzt werden, könnten von Vertretern der Agrarindustrie eingenommen werden.

„Es gab eine riesige Opposition aus Landwirten, aber sie wurden nicht gehört“, bedauert Emily Oakley, Mitglied des ROP-Beirats, – anders als die Koalition für Hydroponik, die bei jedem Treffen des NOSB anwesend gewesen sei. „Geld ist der einzige Grund, um Hydroponik als Bio zu zertifizieren“, stellte Chapman klar. Die große Mehrheit amerikanischer Bio-Landwirte sei gegen Hydroponik und Massentierhaltung im Ökolandbau. Nachdem die Abstimmung über den Boden als Grundlage des Ökolandbaus verloren wurde, nahm die Bewegung für ‚echtes Bio‘ richtig an Fahrt auf.

„Wir haben keine Macht darüber, welcher Druck auf das NOSB ausgeübt wird“, stellte Oakley fest. „Aber wir können kontrollieren, welchen Input und welche Methoden wir auf unserer Farm verwenden. Wir können uns dem Real Organic Project anschließen und eine eigene Zertifizierung bekommen.“

„Das USDA bricht seine eigenen Gesetze“

Wie wertvoll Boden ist, machte Bestseller-Autor Paul Hawken klar, der gerade an einem Buch über das Thema arbeitet. „Es ist außergewöhnlich, was da unten abgeht – und wir haben keine Ahnung davon“, meinte er. Bei jedem Schritt auf Boden trete man gewissermaßen auf 12.000 Insekten unter der Oberfläche. Das Bodenleben sei höchst komplex und man solle dem Boden daher respektvoll und demütig begegnen.

Viel Mut und Enthusiasmus versprühte Dru Rivers in ihrer Rede, die schon seit 40 Jahren als Landwirtin tätig ist und mittlerweile 400 Hektar zertifizierte Bio-Fläche bestellt. „Bio ist meine Religion, ich lebe es jeden Tag – es ist fast wie atmen“, sagte sie. Das gehe weit über das hinaus, was das Landwirtschaftsministerium als Bio definiert. Ihr aktivistisches Bio-Manifest: „Fang zu Hause an, sei freundlich, gib niemals auf.“ Bio sei keine Mode, sondern gekommen, um zu bleiben. „Die Zeit zu handeln ist jetzt!“

Welche Auswirkungen Hydroponik auf die Umwelt haben kann, führte Hugh Kent, Heidelbeerfarmer und eines der ersten Mitglieder des Real Organic Projects, dem Publikum drastisch vor Augen. Nicht nur der Boden von Hydroponic-Farmen ist mit Plastik abgedeckt. Eine weitere Plastikplane über den Hydro-Container-Systemen schützt sie vor Regen und führt zu Erosion am Rande der Planen, wo das Wasser gesammelt nach unten fließt. Alle vier Jahre müsse das Plastik erneuert werden und lande komplett im Müll, so Kent. „Es ist ein sehr billiges System.“ Durch die Plastikabdeckung des Bodens könnten konventionelle Landwirte innerhalb kürzester Zeit auf Bio umstellen – und diejenigen vom Markt verdrängen, die ihre Produkte auf biologischem Boden anbauen.

„Das USDA bricht seine eigenen Gesetze“, klagte Kent an. Bei echtem Bio gehe es darum, den Boden zu verbessern. USDA-Bio bedeute dagegen, Boden zu entfernen und Plastik hinzuzufügen. „Das ist Betrug am Bauern, an den Konsumenten und am Planeten.“

„Wir sind eine Bewegung, keine Marke“

Ein Richtungswechsel in der amerikanischen Landwirtschaftspolitik scheint momentan nicht in Sicht. „Das USDA investiert jetzt 3,1 Milliarden Dollar in sogenannte ‚Partnerschaften für klimafreundliche Rohstoffe‘“, klärte Linley Dixon, Co-Direktorin des ROP auf. Die Liste der Adressaten umfasst Großkonzerne wie Bayer, Coca-Cola, Mc Donald’s, Walmart, Microsoft, Nestlé, Cargill, Costco, Danone und Tyson. Dagegen belaufe sich das gesamte Budget des National Organic Programs lediglich auf 20 Millionen Dollar.

Dennoch bleiben die ROP-Landwirte optimistisch. „Wir müssen bäuerlich geführt und demokratisch bleiben“, meinte Dixon. So wie der deutsche Anbauverband Naturland, der mit seiner bereits 40-jährigen Existenz ein Vorbild für die US-Amerikaner darstellt. Zwar haben die Big Player mehr Ressourcen für Marketing, die ROP-Bauern hätten dafür mehr Authentizität.

„Wir sind eine Bewegung, keine Marke“, stellte Chapman klar. Das Real Organic-Label sei nötig, um mit Kunden in Kontakt zu treten, es sei aber nicht der Zweck des Projekts. Auch Landwirte, die (noch) nicht Bio-zertifiziert oder die strengen Standards des Real Organic Projects noch nicht erfüllen, könnten Teil der Bewegung sein. „Viele von uns haben als konventionelle Landwirte angefangen.“

Lena Renner

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