Messe
Ukrainische Biobranche bereit für Europa!
Wertschöpfungspartnerschaften sichern europäische Bio-Versorgung

Die ukrainische Biobranche hat ganz Europa und namentlich Deutschland viel zu bieten. Mit einer klaren Qualitätsstrategie bestehen gute Perspektiven für eine gemeinsame Erfolgsgeschichte. Verlässliche, solidarische Wertschöpfungspartnerschaften sind für die ukrainische Agrar- und Ernährungswirtschaft von existentieller Bedeutung – mehr denn je! Für die Biobranche bergen diese Kooperationen zukunftsweisende Perspektiven für die Sicherung der nachhaltigen Versorgungssicherheit namentlich in Westeuropa.
‚Ukraine's Organic Sector in the EU Integration Process – Challenges, Opportunities, and Post-War Resilience’: Am 12. Februar 2025 zeigte das sehr gut besuchte Biofach-Kongressevent ein umfassendes Bild von der aktuellen Situation des ökologischen Landbaus in der Ukraine, den Exporten in die EU und den zukünftigen Möglichkeiten für die Entwicklung des ökologischen Landbaus in der Ukraine.
Eine hochkarätige Runde vertiefte die Chancen und Herausforderungen im direkten Austausch. Die Veranstaltung wurde von Taras Vyssotzky, Erster Stellvertretender Landwirtschaftsminister der Ukra-ine, Dr. Ophelia Nick, Parlamentarische Staatssekretärin im deutschen Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, und Marco Kräuchi, Programmleiter Handelsförderung im Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft, eröffnet. Marianna Paolino, Referentin für ökologischen Landbau bei der GD Landwirtschaft der Europäischen Kommission, und Jan Plagge, Präsident von IFOAM Organics Europe, betonten ihre Solidarität mit dem ökologischen Landbau in der Ukraine. Sergiy Galashevskyy, Geschäftsführer von Organic Standard Ltd. Ukra-ine, brachte die Praxiserfahrung aus der Biozertifizierung ein.
Das ‚Wirtschafts‘-Panel wur-de von Olena Deineko, Vorstandsvorsitzende der Organic Initiative Public Association, eröffnet, die die Ergebnisse einer Studie über den aktuellen Status, die Pläne und die Bedürfnisse ukrainischer Bio-Exporteure vorstellte (‚Ukrainian Organic Export: Challenges and New Opportunities – Organic initiative‘). Konkrete Praxiserfahrungen brachten Dorian Schroeper, Dobro Commodities, sowie Alla Ponomarenko, Alta Kraina, und Iryna Kolesnyk, Ukroliya Ltd, ein. Sie betonten ebenfalls die hohe Leistungsfähigkeit der Bio-Unternehmen in der Ukraine und zeigten anhand ihrer Unternehmen exemplarisch auf, wie der Handel mit Bio-Produkten aus der Ukraine erfolgreich umgesetzt werden kann.
Ukrainische Bio-Qualität für Nachfrage-Gap
Die auf der Biofach gezeigten aktuellen Marktzahlen zeigen: Die Nachfrage nach Biolebensmitteln zieht wieder an. Die Inlandversorgung durch neuumstellende Landwirtschaftsbetriebe kann selbst für Getreide gerade in Deutschland nicht gedeckt werden. Für weitere heimische Ackerkulturen, die für die pflanzliche Ernährung an Bedeutung gewinnen, ist der Importbedarf noch viel akzentuierter. Das bekannteste Erfolgsbeispiel ist ‚Donau Soja‘, das den Anbau in GVO-freier und zu einem wesentlichen Anteil in Bioqualität fördert und organisiert. Seit rund zehn Jahren steigerte sich die europäische Sojaversorgung, zunehmend auch für die Lebensmittelverarbeitung, von zehn auf über 90 Prozent der Nachfrage. Einen wesentlichen Anteil an diesem Erfolg leistet zusammen mit den Partnerländern in Südosteuropa die ukrainische Biobranche.
„Die ukrainische Biobranche ist nicht das Problem, sondern die Lösung. Denn: Für Euren Nachfrage-Gap haben wir die Produkte!“, betonte Dr. Olga Trofimtseva, Agrarspezialistin aus der Ukraine, mit Bezug auf den deutschen Nachfrageüberhang gleich als Einstieg. Die Integration der Ukraine in die EU stärke die strategische Sicherheit und die Widerstandsfähigkeit der Lebensmittelversorgung in Europa erheblich. Dies gelte insbesondere für den ökologischen Landbau als nachhaltige und damit zukunftsfähige Produktionsmethode.
Die EU-Integration der Ukraine sei zudem perfekt auf die laufende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) abgestimmt, so die Einschätzung Trofimtsevas: „Gemeinsam können wir die Landwirte stärken, ihre Rolle in der Wertschöpfungskette ausbauen und die richtigen Anreize für landwirtschaftliche Erzeuger schaffen, damit sie nicht nur wettbewerbsfähig, sondern auch nachhaltig und widerstandsfähig sind. Die Herausforderung besteht nun darin, den Fokus weg von den potenziellen Hindernissen und hin zu den enormen Chancen zu lenken, die vor uns liegen. Dies ist eine Aufgabe sowohl für die Ukraine als auch für die EU. Die Zukunft der europäischen Landwirtschaft wird heute gestaltet, und die Ukraine ist bereit, dabei eine führende Rolle zu spielen.“
Ukraine-Talk –Vom Brotkorb zum Innovations-Cluster
Ein weiteres Ukraine-Event fand am 13. Februar 2025 im Rahmen der bioPress-Talks in der ‚BIOimSEH Experten Lounge‘ statt. Im Ukraine-Talk gaben ukrainische Biounternehmen Einblick in ihre aktuelle Situation vor Ort, im Austausch mit Dr. Stefan Dreesmann von der Deutsch- Ukrainischen Kooperation Ökolandbau. Mit dabei waren Irina Kukhtina, Präsidentin der Ukrainian Berries Association, Alla Ponomarenko, Managing Partner bei Alta Kraina, Oleksiy Kolchanov, Mitgründer von Meety Chocolate, Andrew Vlasov, Exportleiter von Danube Agra-rian LTD M, sowie Yan Ostrovskyi, Gründer und Direktor des Unternehmens Stodola in Mykolajiw.
Die vertretenen Fachleute mit vielfältigem Branchenhintergrund zeigten eindrücklich einen Einblick in die kriegsbedingten Herausforderungen durch Ressourcen- und Energiemangel sowie generell die bedrohten Produktions- und Logistik-Infrastrukturen. Über Notlösungen hinaus gewinnt dadurch die Investition in dezentrale erneuerbare Energieinfrastruktur an Bedeutung. Flexibilität ist zudem angesichts eines akuten Fachkräfte-Mangels gefragt, bedingt einerseits durch den Mobilisierungsbedarf der ukrainischen Streitkräfte und gleichzeitig die große Anzahl von ukrainischen Flüchtlingen. Ein Ausbildungsprogramm für Frauen als Transporteurinnen und in weiteren klassischerweise männlich dominierten Berufsfeldern schafft hier Entlastung – und Perspektiven für die Zukunft.
Wie finden ukrainische Bio-Produkte vermehrt Eingang in den deutschen Einzelhandel? Für die logistischen Herausforderungen stehen mittlerweile trotz und teilweise als Folge der Kriegssituation professionelle Lösungen zur Verfügung. So wurden beispielsweise als Alternative zur Schwarzmeer-Route die Trans-portkapazitäten auf dem Schienenweg Richtung Westeuropa massiv ausgebaut. Einig waren sich die ukrainischen Lebensmittel-Fachleute: Die Wahrnehmung und Identität für ukrainische Qualitätsprodukte muss gestärkt werden. Noch immer setzt die ukrainische Agro-Food-Branche zu stark auf Futtermittel und unverarbeitete Agrarrohstoffe.
Alla Ponomarenko brachte ihre klare Zielvorgabe auf den Punkt: „Die Zukunft der ukrainischen Biobranche muss vermehrt in der Verarbeitung von Qualitäts-Spezialitäten liegen. Die Ukraine hat das Potenzial, sich über den traditionellen Brotkorb Europas hinaus auch als Innovations-Cluster für hochstehende Food-Technologie zu entwickeln!“
Peter Jossi