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Biofach 2025: ökologisch Handeln für die Zukunft

Branchentreff in Nürnberg mit Aufbruchsstimmung

Biofach 2025: ökologisch Handeln für die Zukunft © NürnbergMesse/Thomas-Geiger

Vom Stellenwert von Bio in Krisenzeiten bis hin zum Weg in den Mainstream tauschte sich die Bio-Branche mit Akteuren aus der Praxis, Wissenschaft und Politik bei der diesjährigen Leitmesse für Bio-Lebensmittel vom 11. bis 14. Februar aus. Erstmals wurde das Thema ‚Bio im LEH‘ in verschiedenen Kongressveranstaltungen beleuchtet, samt der Chancen und Schwierigkeiten für Produzenten. Der Meetingpoint BIOimSEH brachte Kaufleute und Hersteller auf einer Fläche zusammen und lotete mit seiner Experten Lounge neue Möglichkeiten der Bio-Beschaffung aus: vom Engagement selbstständiger Händler bis zur Rolle der Bio-Großhändler.

„Die Biofach ist nicht nur eine Messe des Handels, sondern eine Messe des Handelns“, sagte Tina Andres, Geschäftsführerin des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), in der Pressekonferenz zum Messestart. Das hätten alle Teilnehmer in den Messehallen und im Kongress bewiesen, zog Biofach-Veranstaltungsleiter Dominik Dietz am Ende als positives Resümee. Die neue, kompaktere Hallenstruktur sei gut angekommen, ebenso wie die Erweiterung des Rahmenprogramms. Fast 80 Prozent der Fläche sei für 2026 bereits ausgebucht.

Bio als Rückbesinnung zur Natur

Als prominenter Gast nahm der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar an der Eröffnung der Leitmesse für Bio-Produkte teil. Bio müsse ein Kontrast zu unserer digitalisierten Welt sein, in der die Synthetik Überhand genommen hat, meinte er; der Sehnsucht nach Echtem nachkommen, nach einem Schritt zurück zur Natur. „Wo geht Innovation hin? Und was ist das Ziel?“, gelte es immer zu fragen, um Entgleisungen bei neuen Trends und Entwicklungen zu vermeiden.

Die Leute verbinden sich intuitiv wieder mit dem, was gut für sie ist, stimmte Tina Andres zu. „Die Hände schmutzig zu machen, befreit den Kopf“, meinte sie. Mit Blick auf die aktuelle politische Situation in Deutschland sprach die BÖLW-Chefin sich deutlich gegen rechts und ein Paktieren mit rechten Parteien aus. „Bio ist aus einer sehr politischen, demokratischen Bewegung heraus entstanden.“

Nicht mutig zu sein, sei gerade in der Politik keine Option, betonte auch Karen Mapusua, Präsidentin des Bio-Dachverbands IFOAM Organics International. „Wenn man die Augen nicht auf den Horizont richtet, paddelt man vielleicht im Kreis herum.“ Es gelte, vorbeugend gegen die Krisen zu arbeiten, anstatt von Krisen in den Rückschritt getrieben zu werden.

BMEL: Mehrwert von Bio muss honoriert werden

Silvia Bender, Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), sprach in Vertretung von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir bei der Biofach-Eröffnung. „Wenn demokratische Parteien das Trennende statt das Gemeinsame in den Vordergrund rücken, gewinnt das Extreme“, mahnte sie.

Die Mehrwerte von Bio – Ressourcenschonung, Klimaresilienz und eine stabile Ernährungssicherung – müssten immer wieder aufs Neue hervorgehoben werden. Das neue Öko-Barometer, dessen Ergebnisse das BMEL bald veröffentlichen werde, zeige nach der Verunsicherung durch die Inflation wieder Aufwind für Bio: 38 Prozent der Konsumenten kauften demnach häufig (oder ausschließlich) Bio-Produkte. Dazu habe das grüne Ministerium mit der Kampagne ‚Bio? Na Logo!‘, „der größten Bio-Informationsinitiative seit Künast“, beigetragen.

Die Zukunft hänge von Investitionen in eine nachhaltige Wirtschaft ab. „Jeder Transfer zahlt sich doppelt und dreifach aus“, so Bender. Im EU-Agrarrat habe das BMEL im Januar einen Impuls für den Bürokratieabbau speziell für Bio gesetzt. „Wir wollen es denen leichter machen, die es besser machen.“ Gemeinwohlleistungen müssten einkommenswirksam honoriert werden. „Die Bio-Idee ist jetzt wichtiger denn je“, betonte Bender. „Sie alle tragen dazu bei, sie weiterzuentwickeln. Bleiben Sie innovativ, bleiben Sie politisch!“

Bio im Mainstream: die Konsumenten abholen statt belehren

Im Biofach-Kongress waren dieses Jahr unter dem Fokusthema ‚Yes, we do! Wie Wandel in der Lebensmittelwirtschaft gelingt‘ über 170 Einzelsessions geboten. Am besten besucht war nach Angaben der Veranstalter die bereits als fester Programmpunkt etablierte Veranstaltung zum deutschen Bio-Markt mit gut 200 Interessierten. Auch die Themen rund um die Außer-Haus-Verpflegung hätten viel Zuspruch erhalten.

Im Sustainable Future Lab, veranstaltet vom Good Food Collective, war der Saal wieder voll belegt. Im interaktiven Format samt Publikumsabstimmung und freien Plätzen für spontane Diskussionsteilnehmer wurde etwa die Frage ‚Transformationskraft Retail – Bio-Wachstumspotenziale ohne Limit?‘ ausgelotet. Fest im Podium saßen die Edeka-Kauffrau Theresia Quint, Hans-Martin Hermann von Lidl, Kerstin Erbe von dm, Lukas Nossol von dennree, Kathrin Jäckel, Geschäftsführerin des Bundesverbands Naturkost Naturwaren (BNN), und Stephan Rüschen, Professor für Lebensmittelhandel an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Heilbronn.

Bei 67 Prozent Eigenmarkenanteil liegt der Bio-Markt aktuell, stellte Rüschen kritisch fest. An dieser Entwicklung seien die Bio-Lebensmittelhersteller auch ein wenig „selbst schuld“, da sie nicht in den LEH wollten, der folglich dazu motiviert wurde, selbst Bio-Produkte anzubieten. „Man hätte sich viel früher öffnen müssen“, erklärte der Wissenschaftler.

„Wir wollen die Wahl zwischen konventionell und Bio bei möglichst vielen Produkten anbieten“, verkündete Hermann von Lidl. Discounter könnten das Potenzial von Bio vergrößern, indem sie Leute ansprechen, die sich noch nicht für Bio entschieden haben. Als „abgrenzend elitär“ betitelte Erbe von dm den Fachhandel. „Man geht hin und ist ein besserer Mensch.“ Der Drogeriemarktkette sei es dagegen gelungen, mit ihrem Bio-Trockensortiment auch Flexitarier abzuholen.

BNN-Chefin Jäckel stimmte zu, in den Nullerjahren sei in der Bio-Szene ein ‚edukatives Narrativ‘ mit ‚erhobenem Zeigefinger‘ entstanden, während die Pioniere sich noch als Gegenbewegung zur industriellen Lebensmittelwirtschaft betrachtet hatten. „Alles steht und fällt damit, die Menschen zu erreichen“, stellte sie fest. Dass Bio im Handel allgegenwärtig und somit normalisiert und zur Selbstverständlichkeit wird, ist für sie der richtige Weg.

Ein Teilnehmer aus dem Publikum verteidigte das Zögern der Bio-Marken mit Blick auf den LEH damit, dass sie nicht in die Maschinerie des konventionellen Handels „reingedrückt“ werden wollten. Diese Perspektive kann auch die Edeka-Kauffrau Theresia Quint nachvollziehen, denn: „Der Handel hat nicht gelernt, dass der Bio-Markt anders zu bewirtschaften ist als der konventionelle – die konventionellen Strategien werden einfach auf Bio übertragen.“ Die Branche brauche einen gesunden Mittelstand mit Bezug zum Handwerk, anstatt dass Verarbeiter in der Not dazu gebracht werden, für Eigenmarken zu produzieren. Der „Hahnenkampf des Handels“ berge zudem das Risiko, dass es zum Vertrauensbruch der Verbraucher in puncto Bio kommen könnte.

Bio-Herstellermarken: Klasse statt Masse?

Ins Detail ging die Frage, wie die Beschaffung für Bio-Markenvielfalt im Mainstream gelingen kann, in der Experten Lounge des Meetingpoints BIOimSEH. Auch hier wurde der Wert von handwerklicher Bio-Qualität hervorgehoben. Der Unterschied von Herstellerqualität zur industriellen Qualität müsse wieder stärker kommuniziert werden, betonte Gottfried Willmann, Abteilungsleiter Markt bei Demeter. Eine Langzeitteigführung beispielsweise stehe nun einmal im Widerspruch zu den schnellstmöglichen Abläufen.

Theresia Quint mahnte die Branche, die Chance des Gesundheitshypes nicht zu verschenken. Neben der Verwendung von Bio-Rohstoffen seien auch die Form der Verarbeitung und die Freiheit von Zusatzstoffen Stärken von Bio, die nicht in der Massenproduktion untergehen dürften. „Vergesst eure starken Marken nicht!“, rief Quint auf. Das Grundvertrauen bei einer Marke wie Rapunzel sei so groß, dass Kunden überhaupt keinen Preisvergleich mehr machen.

Manche Hersteller seien vielleicht überfordert mit den unterschiedlichen Strukturen im LEH. Im Edeka funktioniere die Vermarktung anders als im Kaufland und dort laufe es wiederum anders als bei Discountern. „Diese Unterschiede am Markt müssen in kleinen Schritten erarbeitet werden“, so Quint. Derweil rüsteten auch die konventionellen Marken nach. „Ich will die erste Bio-Praline nicht von Lindt im Regal haben!“, betonte die Kauffrau.
Beschaffung im SEH: viele Wege zum Bio-Ziel

Der Jungkaufmann Luis Sanktjohanser von Edeka Quint unterstrich den Überraschungseffekt, wenn Artikelgruppen, die als sehr „un-Bio“ betrachtet werden, wie etwa Tütensuppen oder Instantnudeln, in Bio-Qualität im Regal auftauchen. Mit solchen Produkten, die manche Hersteller dieses Jahr auf die Biofach brachten, könne man auch Kunden ansprechen, die nicht zu den klassischen Bio-Käufern gehören.

Mit fast 30 Prozent Bio-Umsatzanteil ist Edeka Quint Vorreiter in der Bio-Beschaffung im selbstständigen Einzelhandel. Die Fachhandelstreue sei immer noch ein bremsender Faktor, berichtete Sanktjohanser, eine gut funktionierende Vorstufe essentiell – auch wenn dort auf Bio-Ebene noch Nachholbedarf besteht. Edeka Quint habe mittlerweile ein sehr gutes Verhältnis zu Bio-Großhändlern – „wir haben sie lange genervt und sind daher viel im Gespräch gewesen.“

Ein Bio-Großhändler alleine könne allerdings immer noch nicht alles abbilden, man müsse immer offen sein für neue Bezugswege. Edeka Quint hat derzeit (den Wein ausgenommen) ungefähr 30 verschiedene. Dass es bei seinen Kollegen noch anders aussieht, ist Sanktjohanser bewusst. „Der Großteil des LEHs hat Bio nicht auf der Agenda.“ Es sei daher Aufgabe der Branche, sehr aktiv auf den Lebensmitteleinzelhandel zuzugehen, um Bio dort weiter voranzubringen. Kaufleute haben laut Sanktjohanser wiederum auch Einfluss darauf, wie Bio bei der Edeka-Vorstufe betrachtet wird. Das Bild habe sich dort gedreht, nachdem Quint mit den Produkten Wachstum erreicht hat. Ein gut drehender Artikel sei dann plötzlich auch zentral gelistet.

Der Bio-Großhandel als regionaler Bündler

Den grundsätzlichen Wert der Bündelung hob Gottfried Wilhelm von Demeter hervor. Wenn ein Gemüseerzeuger als Direktlieferant mehrmals die Woche kommen müsse, um Ware im Wert von 150 Euro abzuliefern, rechne sich das kaum und mache auch das Produkt unnötig teuer. Es brauche daher einen Großhändler, der kostengünstig Ware aus der Region bündeln und in den SEH bringen kann. Für Willmann sollten die Lieferanten keinen Unterschied dabei machen, ob sie bei Fachhandel oder LEH anhalten. Es gelte, mehr danach zu fragen, wie die Märkte organisiert sind: zentralisiert oder inhabergeführt. „Wo bekomme ich Vielfalt unter?“, warf der Demeter-Experte als zentralen Aspekt in den Raum. Die klassischen Partner dafür seien die Kaufleute, da sie sich durch ein vielfältiges Angebot profilieren und von der Konkurrenz unterscheiden möchten.

Aldi fordert Ordnungspolitik

Eine Diskussion zwischen Wirtschaft und Politik organisierte der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). „Die Handelshäuser supporten das Bio-Ziel. Aber was macht die Politik dafür“, fragte im Podium Julia Adou, Nachhaltigkeitsverantwortliche von Aldi Süd. 16 Prozent des Standardsortiments biete der Discounter jetzt in Bio-Qualität. Angesichts der hohen Preissensibilität der Konsumenten bleibe es für Händler allerdings immer ein Risiko, eine nachhaltige Entscheidung zu treffen. „Am Ende greift der Kunde immer zu ‚günstig‘“, so Adou. Es sei deshalb Aufgabe der Regierung, durch Ordnungspolitik das gesamte Niveau im Wettbewerb zu heben und so ein Level Playing Field zu schaffen. Sicherheit für Landwirte könne zum Beispiel damit erreicht werden, allen Händlern einen Mindestprozentsatz von Bio im Angebot vorzugeben.

Wenn es keinen Rahmen für die Praxis gibt und man nur auf Freiwilligkeit setzt, würden horrende Kosten externalisiert, stimmte BÖLW-Vorstand Peter Röhrig zu. Sind resiliente Systeme teuer, sei das eine große Widersprüchlichkeit. Mit Blick auf die Landwirtschaft schlug er ein Stufenmodell für verschiedene Pflanzenschutzniveaus vor – mit entsprechend gestaffelter politischer Förderung. Bio solle darin eine eigene Stufe besetzen, sodass der Kontrollaufwand erleichtert wird.

„Es ist ein Problem, wenn die Politik blockiert ist und gesellschaftliche Mehrheiten nicht mehr abbildet“, stellte der Grünen-Abgeordnete Karl Bär fest. Es sei besser, wenn sich die gewählte Regierung für Bio entscheidet als die Führung von Aldi. Seine Vorschläge zur Kosteninternalisierung: Pestizidabgabe und Stickstoffüberschussabgabe.

Verantwortung Handel, Entscheidung Verbraucher

Mit der Frage nach der Verantwortung des Handels und der Spannung zwischen Werten und Geldverdienen beschäftigte sich ein bioPress-Panel im Kongress. Angesichts der Abhängigkeit von Kunden und Nachfrage sei die Verantwortung des Handels schwer zu definieren, meinte der Edeka-Kaufmann Luis Sanktjohanser. Außerdem wolle der Kunde keine Bevormundung. „Aber wir können ein Sortiment bieten, das ihn in eine gewisse Richtung lenkt.“

„Letztlich entscheiden die One-Stop-Shopper, wo sie Halt machen“, erklärte Martin Ries, Abteilungsleiter Ökolandbau im baden-württembergischen Landwirtschaftsministerium. Mit bio-regionalen Artikeln könnten sich Einzelhändler profilieren und so Kunden gewinnen. Bleibe die Aufgabe, den Wert von bio-regional als Komplexleistung zu kommunizieren. Und die Frage: Wie kommt die Ware dahin?

Lena Renner

Bio-Großhändler formieren sich 
In einem Großhandels-Talk lotete bioPress-Herausgeber Erich Margrander mit Akteuren aus der Praxis aus, welche Rolle sie bei der Belieferung von Kaufleuten im SEH spielen wollen und können. „Die alten Schwarz-Weiß-Weisheiten entsprechen nicht mehr der Realität“, meinte Bodan-Geschäftsführer Sascha Damaschun. Auf der einen Seite gebe es im Fachhandel filialisierte Systeme, die teils konventioneller wirkten als bei den Discountern; auf der anderen konventionelle Einzelhändler, die sich tatsächlich mit den Werten der Bio-Branche verbinden möchten. Die Akteure der Bio-Branche seien daher aufgefordert, für das Ziel, mehr Bio in die Fläche zu bringen, neue Lösungen zu finden und den Bedürfnissen der Kaufleute nachzukommen. Dass Bodan selbst den Fachhandel im Vergleich noch bevorzugt, sei kein Hindernis dafür, gleichzeitig den LEH zu beliefern. „Gut aufgestellte Bio-Hersteller brauchen neue Absatzmärkte“, merkte Damaschun als weiteres Argument für die Ausweitung an.
Alarmiert äußerte sich der Unternehmer über eine Begebenheit beim Strategiedialog Zukunft Landwirtschaft in Baden-Württemberg, wo sowohl Vertreter des konventionellen als auch des Bio-Großhandels mit von der Partie waren und sich über den Bio-Ausbau austauschten. Dabei habe es unter den Politikern eine Tendenz gegeben zu „vielen Dank für die Aufbauarbeit, jetzt reden wir mal mit den Großen“. „Dem dürfen wir nicht tatenlos zusehen!“, mahnte Damaschun eindringlich. „Wir werden jetzt mitnichten die Flinte ins Korn werfen, sondern wollen und können weiter eine aktive Rolle spielen.“ Die Bio-Großhändler müssten ihre Systemrelevanz behaupten und dürften die Bio-Versorgung nicht den „großen Jungs“ überlassen, die nicht darauf ausgelegt seien und nicht dieselbe regionale Strukturkompetenz bis hin zu Verarbeitern und der landwirtschaftlichen Ebene besäßen.
Wie aber lässt es sich verhindern, dass Naturkostgroßhändler in eine Steigbügelhalterfunktion gedrängt werden und am Ende nur die Bedürfnisse der kapitalmächtigen Handelszentralen erfüllen? Dass sie interessante, gut laufende Produkte besorgen und anschließend wieder vor die Tür gesetzt werden? Könnte die Bio-Branche zusammen eine Vorstufe schaffen, die nicht so einfach wieder nach Hause geschickt werden kann?, fragte Erich Margrander. Bei der Bio im Mittelpunkt steht und mit der die Kaufleute aus allen Handelshäusern angebunden werden?
Das Problem der verschiedenen Bezugswege bleibe mit Blick auf die Belieferung des SEH im Vordergrund, meinte Damaschun: „Ein Kaufmann, der sich engagiert, ist zur Mehrarbeit verdammt, weil er an seinem Standardsystem vorbeiarbeiten muss“. Es brauche daher Antworten bis in die zentral verwalteten EDV-Systeme, vielleicht eine neue Daten- und Berechnungsdrehscheibe – mit Hoheit bei den einzelnen Händlern. Eine kreative Innovationsaufgabe sei das, die nicht aus der Vergangenheit heraus beantwortet werden könne. Hersteller, Groß- und Einzelhändler – und auch ein paar IT-Spezialisten – müssten dafür an einem Tisch zusammenkommen. Die Branche solle sich der Herausforderung stellen, schließlich sei Regionen zu bedienen, mit möglichst kurzen Wegen ein „ureigenes Anliegen der ökologischen Landwirtschaft“. 
„Wir brauchen eine regionalere Distributionslogistik, als es sie aktuell gibt“, stimmte Alexander Wirtgen, Geschäftsführer von Naturkost West, zu. Es müssten neue Logistikkooperationen aufgebaut und bestehende weitergedacht werden. Dann hätten Bio-Großhändler auch weiterhin ihre Daseinsberechtigung. Sie müssten für Systemstabilität stehen und Lösungsanbieter sein.
Dass es bei den Handelshäusern durchaus offene Ohren für das Anliegen gibt, meinte Gottfried Willmann. So hätten die verschiedenen Globus-Markthallen bereits die Möglichkeit, ganz selbstständig zu listen, um sich zu profilieren. Und auf der Grünen Woche habe die Rewe ein neues System vorgestellt, mit dem lokale Lieferanten IT-technisch integriert werden können.
Damaschun rief dazu auf, sich für eine innovative Lösung „mit offenem Visier und ohne Scheuklappen“ zusammenzusetzen. Lange warten dürfe man damit nicht mehr. Eine Anpassung sei bereits betriebswirtschaftliche Notwendigkeit, das vorhandene Zeitfenster nicht unendlich, sondern relativ schmal. „Lieber gestalten als nur reagieren“, laute die Devise.

 

EU-Öko-Verordnung in Drittländern
Seit dem 1. Januar 2025 ist es ernst: Alle Drittländer ohne anderslautende Verträge müssen nach dem Übergang vom ‚Äquivalenz‘- zum ‚Compliance‘-Standard die Bio-Regeln der EU eins zu eins umsetzen. Die damit verbundenen Probleme und Herausforderungen wurden auf verschiedenen Veranstaltungen der Biofach kontrovers diskutiert. 
„Die Bio-Zertifizierung ist eine der komplexesten Zertifizierungen überhaupt“, sagte Tobias Fischer, der seit 20 Jahren bei der Kiwa BCS Öko-Garantie GmbH in der Bio-Kontrolle – vor allem für Drittländer – tätig ist. Der Umfang der Regulierung habe über die Jahre konstant zugenommen – für Drittländer sei die Anwendung grundsätzlich machbar, aber mit einem sehr hohen Aufwand verbunden. Herausfordernd für die Lieferanten sind vor allem die Vorgaben zur Zertifizierung von Gruppen, die künftig auf maximal 2.000 Mitglieder mit jeweils unter fünf Hektar Gesamtfläche bzw. maximal 25.000 Euro Umsatz beschränkt sind. Bis zum 15. Oktober haben Unternehmen bzw. Erzeuger noch Zeit, sich neu zertifizieren zu lassen, „dann ist Ende der Fahnenstange“, so Fischer.
Betroffen von der Änderung ist beispielsweise der bekannte Bio-Hersteller Rapunzel. „Wir hadern schon sehr mit der neuen Verordnung“, stellte Geschäftsführerin Margit Epple klar. Seit 50 Jahren unterhält das Unternehmen Beziehungen zu Lieferanten in der Türkei, seit rund 30 existiert dort das Tochterunternehmen Rapunzel Organik Tarim. Aufgrund der neuen Vorgaben hat Rapunzel die Erzeuger jetzt in zwei verschiedene Produktgruppen aufgeteilt, die beide einer eigenen Rechtsperson unterstehen, einer „vollumfänglichen Firma“, die neu gegründet werden musste, samt Buchführung, Dokumentation, Kontrollsystemen und Sozialversicherungsbeiträgen. Die größeren Bauern bleiben daneben als Einzelbetriebe bestehen. „Die Zertifizierungskosten sind nun drei bis acht Mal so hoch wie vorher“, stellt Epple fest. Die Folge: Bio werde entweder teurer oder die Preise würden auf die Erzeuger umgewälzt. „Manche Kleinunternehmen werden aufhören“, befürchtet die Geschäftsführerin. Ob und zu wie vielen Lieferengpässen es kommen wird, lässt sich noch nicht mit Sicherheit sagen. „Bei uns hat sich noch keiner abgemeldet“, berichtet Fischer. Wie sich die Lage weiter entwickelt, bleibe allerdings spannend. 

Bildstrecke: Experten Lounge_Meetingpoint BIOimSEH

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