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Agrarpolitik

Neues Tierschutzgesetz: Ende der Anbindehaltung in zehn Jahren

Bundeskabinett beschließt Kompromissreform

Neues Tierschutzgesetz: Ende der Anbindehaltung in zehn Jahren © stock.adobe.com/Anselm

Am vergangenen Freitag hat das Bundeskabinett einen Entwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes beschlossen. Geplant sind unter anderem eine verpflichtende Videoaufzeichnung in Schlachthöfen, konkretere Vorgaben für das Schwänzekupieren bei Ferkeln und ein Verbot der Anbindehaltung in zehn Jahren. Für die Kompromissreform gibt es allerdings sowohl von Landwirten als auch von Tierschutzverbänden Kritik.

Eigentlich hätte die Tierschutznovelle bereits am vergangenen Mittwoch auf der Agenda des Bundeskabinetts stehen sollen. Dann wurde der Punkt ohne Erklärung von der Tagesordnung genommen. Tierschutzverbände machten abermals die FDP als Blockierer aus und forderten Bundeskanzler Olaf Scholz auf, ein Machtwort zu sprechen.

Am Freitag passierte die Reform das Bundeskabinett schließlich still und überraschend im Umlaufverfahren, also auf schriftlichem Wege ohne Zusammenkunft. Neben einer Stärkung des Qualzuchtverbots gibt es viele Neuerungen für den Bereich der Nutztierhaltung:

  • In ‚tierschutzrelevanten Bereichen‘ von Schlachthöfen sind künftig Videoaufzeichnungen verpflichtend, die eine bessere Kontrolle durch Behörden ermöglichen sollen.
  • Schwänzekupieren soll bei Lämmern verboten und bei Ferkeln strenger geregelt werden. Ein Drittel des Ringelschwanzes darf im Einzelfall weiterhin kupiert werden, sofern Daten zu Schwanzverletzungen vorgelegt werden. Für das Ausbrennen von Hornanlagen bei Kälbern ist in Zukunft eine tierärztliche Betäubung notwendig.
  • Die Anbindehaltung wird mit einer Übergangszeit von zehn Jahren grundsätzlich verboten. Für bestehende Betriebe mit bis zu 50 (über sechs Monate alten) Rindern bleibt allerdings die ‚Kombihaltung‘ erlaubt, solange die Tiere mindestens 120 Tage Weidegang pro Jahr und zwei Mal pro Woche Zugang zu einer Freifläche bekommen.

Als weitere Neuerung sieht der Gesetzesentwurf höhere Strafen bei Verstößen gegen das Tierschutzrecht vor. Für das Töten eines Tieres ‚ohne vernünftigen Grund‘ soll die mögliche Freiheitsstrafe von drei auf fünf Jahre steigen. Für versuchte Misshandlungen oder Tötungen verdoppelt sich der Bußgeldrahmen von derzeit 25.000 auf bis zu 50.000 Euro. Außerdem wird das Amt eines Bundesbeauftragten für Tierschutz auf gesetzlicher Ebene verankert.

Wie Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir selbst zugesteht, handelt es sich bei dem Kabinettsbeschluss um einen Kompromiss: „Den einen geht er zu weit, den anderen nicht weit genug.“ So gab es außerhalb der Koalition nur wenig Lob für die Gesetzesnovelle.

Für Hubertus Beringmeier, Veredlungspräsident des Deutschen Bauernverbandes, bringe das Gesetz für Landwirte in Deutschland weitere bürokratische Lasten, sei „wenig praktikabel und in handwerklicher Hinsicht sehr überarbeitungsbedürftig.“

Von einem „enttäuschenden Reförmchen“ spricht dagegen die Albert Schweitzer Stiftung. Durch die vorgesehenen Ausnahmen würde Anbindehaltung faktisch „bis zum Sankt Nimmerleinstag“ erlaubt. Olaf Bandt, Vorsitzender des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), monierte, dass „noch nicht einmal das seit über 20 Jahren europaweit verbotene Abschneiden der Ringelschwänze wirksam eingeschränkt“ werde. Ein Passus, der Schweinehaltern, die nicht auf das Schwänzekupieren verzichten, auferlegt, deutlich mehr Platz zur Verfügung zu stellen, wurde aus der Novelle gestrichen.

Die Änderung des Tierschutzgesetzes soll noch vor der Sommerpause im Bundesrat behandelt werden; der erste Durchgang ist für den 5. Juli vorgesehen.

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