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Bio-Marken den Weg in den Handel ebnen

bioPress im Gespräch mit Vertriebsexperten von Eichhorn & Grundmann

Bio-Marken den Weg in den Handel ebnen © Eichhorn & Grundmann
Die vier Geschäftsführer der Agentur Eichhorn & Grundmann: Marc-André Eichhorn, Simon Reichau, Steffen Eichhorn sowie Patrick Hornsberger (v.l.n.r.)

Die Fachhandelstreue scheint passé, dennoch beherrschen Eigenmarken das Bio-Angebot im LEH. Woran liegt es? Was schafft Abhilfe? Und würden Standardkunden klassische Fachhandelsmarken überhaupt kaufen? Die Lebensmittel-Vertriebsagentur Eichhorn & Grundmann ist seit über 35 Jahren in der Branche aktiv und hilft auch Bio-Marken, im LEH Fuß zu fassen. bioPress hat sich mit den Geschäftsführern Steffen Eichhorn und Simon Reichau ausgetauscht.

bioPress: Herr Eichhorn, Herr Reichau, wir wünschen uns mehr Bio-Markenvielfalt im Lebensmitteleinzelhandel. Wie stufen Sie momentan die Präsenz von Bio-Herstellern – im Vergleich zu den Eigenmarken – ein?
Eichhorn: Nach unserer Erfahrung war Bio vor der Krise schon fast zur Selbstverständlichkeit geworden. ‚Noch besser, noch positiver, noch gesünder‘ war die Devise bei der Ernährung. Durch die Rezession wurde diese Entwicklung jedoch ausgebremst und der Aktionismus im Handel (Rabattaktionen, Handzettelwerbung etc.) hat wieder extrem zugenommen – mit Fokus auf Eigenmarken.
Der Schwerpunkt wird so sehr zugunsten von ‚Private Label‘ verschoben, dass teilweise Herstellermarken in den Regalen dadurch ersetzt werden. Wenn Händler selbst herstellen lassen, haben sie andere Möglichkeiten und können höhere Margen einfahren, sodass Verluste durch die Krise vermieden werden. Auch unsere Partner trifft das Problem.
bioPress:  Die Hersteller sind allerdings auch nicht ganz unverantwortlich für diese Entwicklung, oder? Weil sie nicht bereit waren, den LEH zu beliefern, blieb den Händlern gar nichts anderes übrig, als auf Bio-Eigenmarken zu setzen…
Reichau: Die Hersteller wollten die individuelle Welt von Fachhandel und Reformhäusern schützen und kleine Läden supporten. So wie aktuell Hersteller von Gesundheitsartikeln apothekenexklusiv bleiben und nicht in die Drogerie gehen, auch wenn sie dadurch auf Umsätze verzichten müssen.
Eichhorn: Außerdem waren die Hersteller vor 20 Jahren auch noch nicht so mutig. Sie wollten vermeiden, dass sie vom Fachhandel ausgelistet werden, wenn sie sich für den LEH öffnen. Auch die Bio-Großhändler waren nicht bereit, offen konventionelle Supermärkte zu beliefern. Seit vielen Jahren wandern Artikel über sie in den LEH, aber immer unter vorgehaltener Hand. Dabei haben viele Märkte händeringend nach Partnern gesucht: Sie wollten ja mit Bio ihr Profil schärfen und alle Kundenwünsche erfüllen – auch die nach höherpreisiger Qualitätsware.

Mut zum Mainstream

bioPress: Die Ängste der Hersteller sind verständlich, haben sich aber als unbegründet erwiesen. Andechser ist jetzt mit der gleichen Marke in Fachhandel und LEH unterwegs und inzwischen bei sämtlichen Absatzkanälen bis hin zum Discounter gelistet. Auch Unternehmen wie Followfood waren in den letzten Jahren mit Bio-Produkten im Mainstream richtig erfolgreich.
Eichhorn: Richtig, Unternehmen wie Bauck haben den Fachhandelstreuen vorgemacht, dass es möglich ist, zweigleisig zu fahren: und zwar nicht (nur) über den Großhandel, sondern über direkten Kontakt zu den Märkten. Auch viele Demeter-Marken öffnen sich gerade und arbeiten direkt mit dem LEH zusammen. Schon aus Gründen der Kostenersparnis ist diese Lösung für beide Seiten sehr attraktiv.
Alnatura ist schon seit langem bei Edeka aktiv und hat dem Händler durch seine Kundenwahrnehmung und günstige Angebote geholfen, Bio-Kundschaft zu gewinnen.
Reichau: Auch wenn viele eine andere Meinung zu Alnatura haben – ihre Artikel haben den Weg geebnet für weitere Fachhandelsmarken, die es vorher nicht im LEH gab. Und ja, Bio lohnt sich für den Handel. Die große Bio-Abteilung im Edeka Zurheide in Düsseldorf ist nur ein erfolgreiches Beispiel von vielen.
bioPress: Früher blieben Eigenmarken eher liegen, heute sind sie für 60 Prozent des Bio-Umsatzes verantwortlich und die Tendenz zur ‚Verramschung‘ unter Private Label nimmt weiter zu. Wie kann man das wieder umkehren?
Reichau: Für mich ist das auch eine Sache der Kommunikation, viele Fachhandelsmarken müssten sich da moderner aufstellen. Bauck hat es geschafft, das Reformwaren-Image hinter sich zu lassen und sich an eine neue Zielgruppe anzupassen, die nicht nur im Fachhandel, sondern überwiegend im LEH einkauft. Man muss beide Käufergruppen ansprechen, es gibt auch unter Bio-Kunden vielerlei Ansprüche zu erfüllen. Wir bemühen uns seit Jahren darum, dass eingefleischte Fachhandelsmarken über Direktgeschäft den Weg in den LEH gehen.
Eichhorn: Sich selbst mit Bio-Eigenmarken zu positionieren, war ja eine strategische Entscheidung der Händler, die damit zu tun hatte, Ansprüchen gerecht zu werden und eine gewisse Wahrnehmung zu erzielen. Es schlagen bei dem Thema zwei Herzen in meiner Brust. Man hätte die Benchmark so hoch legen können, dass Bio-Pioniere mit ihren Produkten geschützt worden wären. Andererseits gehört zu Bio im Mainstream aber auch, dass man sich für Eigenmarken öffnet.

Zuordnung ist die Zukunft

bioPress: These: Wenn man Produkte in die Regale stellt, kaufen die Kunden sie auch.
Eichhorn: Stimmt schon: Wenn Kunden die Wahl zwischen konventionell und Demeter haben und der Preisabstand nur bei ein paar Cent liegt, würden sicher einige zu Demeter greifen. Die Krux im Handel ist, dass man konventionelle Marken wie Tempo trotzdem benötigt. Die Standardkunden haben ein gewisses Budget und wollen, dass ihre gewohnten Marken weiterhin verfügbar sind. Und wenn wir alles zusammenführen, würde es Bio-Supermärkte wie Denn’s bald nicht mehr geben.
Diversität ist ja auch eine Stärke: von Bioläden bis zu Supermärkten, in denen ich ‚meine‘ Marke finde, mit der ich aufgewachsen bin. Man könnte zu solchen bekannten Marken aber sicher noch mehr Alternativen bieten. Wir sind bei Bio im LEH erst am Anfang – ich bin gespannt, wie die Zukunft aussieht.
Reichau: Marken wie Zwergenwiese und Rapunzel würden die Leute im Rewe sicher sofort kaufen. Insgesamt fehlt es immer noch an Vielfalt. Märkte wie das Rewe Center von Ingo Istas in Köln zeigen als Crème de la Crème, wie es gehen kann: Dort werden hohe Absätze durch Bio-Zuordnung erzielt.
Die Zukunft ist es, Bio in die Sortimente zu integrieren – sodass Kunden die Originalmarken aus dem Fachhandel neben den konventionellen Vergleichsprodukten finden. Allerdings hat auch der Handel Angst: und zwar davor, konventionelle Marken vor den Kopf zu stoßen, wenn sie Platz für Bio machen müssen…

Zu wenig Ansporn, zu wenig Puffer…

bioPress: Das ist die zweite Trägheit neben der Fachhandelsangst: LEH-Einkäufer, die lieber bei den Marken bleiben, die sie schon gut kennen, solange sie damit noch ein bisschen Umsatzplus rausholen können. Warum sich aus dem Fenster lehnen, wenn man sich auch in Ruhe zurücklehnen kann?
Reichau: Keiner traut sich mehr, einen Paradigmenwechsel anzustoßen – gerade nicht die jungen Einkäufer, die unter Druck stehen. Und der Ausbau steht und fällt mit den Personen, die dahinter stehen. Sie müssen überzeugt werden, dass es funktioniert, und brauchen Mut, um Planogramme anzupassen und Platzierungen zu verändern.
bioPress: Vielleicht wäre es auch notwendig, langfristiger zu denken als in der Vierteljahresplanung? Manchmal geht es ja erstmal abwärts, bevor man mit etwas Neuem durchstarten kann…
Eichhorn: Ohne Einkauf und Handel in Schutz nehmen zu wollen: Unsere letzten ‚Jahresgespräche‘ fanden quasi ununterbrochen statt. Es gibt momentan solche Schwankungen in Beschaffung, Logistik und Ressourcen, dass für eine strategische Neuausrichtung schlicht Zeit und Ressourcen fehlen. Die Eigenmarke mit Verbandssiegeln zu stärken, hat die Einkaufsleitung auf dem Schirm – viele andere Dinge sind aus dem Fokus gerutscht. Ich bin aber überzeugt, dass sich Bio-Marken im LEH langfristig durchsetzen werden.
bioPress: Letzte Frage: Strecke oder Zentrallager – was ist wichtiger?
Eichhorn: Vermutlich bleibt beides notwendig. Das Zentrallager liefert das Basissortiment, ist jedoch schon allein räumlich begrenzt. Streckenlieferungen sind für den zweistufigen Handel eine Herausforderung, aber gleichzeitig seine Chance: Sie machen seine Vielfalt und Individualität aus.

Interview: Erich Margrander
und Lena Renner

 

360-Grad-Vertrieb im deutschen Lebensmittelhandel
Die Eichhorn & Grundmann Vertriebs GmbH mit Hauptsitz in Baden-Württemberg wurde vor 36 Jahren gegründet. Das Familienunternehmen bietet eine kontinuierliche Betreuung von allen Handelszentralen, Point of Sale-Arbeit und Key Accounting. Datenmanagement und -erhebungen samt Tiefenanalysen sowie die Präsentation neuer Lebensmitteltrends gehören zum Angebotsportfolio der Agentur. Über 12.000 Märkte sind laut eigenen Angaben Teil des Kunden-Netzwerks. Zu den Partnern zählen renommierte nationale und internationale Lebensmittelmarken, darunter auch bekannte Bio-Marken-Hersteller. Einen Wachstumsschub gab es 2021 durch die Fusion mit der Vertriebsagentur Reichau aus Westdeutschland. An der Spitze des Unternehmens mit knapp 90 Mitarbeitern stehen nun die vier Geschäftsführer Marc-André und Steffen Eichhorn, Simon Reichau sowie Patrick Hornsberger.
 
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