Kongress
Öko for Future: Schafft die Bio-Branche die Zeitenwende?
VI. Öko-Marketingtage auf Schloss Kirchberg

Die Bedeutung des Fachhandels schwindet, Bio im Discount floriert. In Brüssel droht die Deregulierung der Gentechnik und auch in Deutschland muss das grüne Landwirtschaftsministerium das 30-Prozent-Bio-Ziel vor zunehmendem Gegenwind verteidigen. In Zeiten des Umbruchs traf sich die Bio-Branche am 8. und 9. November 2023 zu den 6. Öko-Marketingtagen der Akademie Schloss Kirchberg. Einflussreiche Akteure von Bio-Verbänden, Herstellung, Handel und Politik waren gleichermaßen vertreten wie Forscher, Wissenschaftler und interessierte Studenten – die Veranstaltung war restlos ausgebucht.
Das Thema ‚Zeitenwende in der Bio-Branche: neue Märkte, neue Strategien‘ hat die Insider nach Kirchberg geführt. Angesichts des Bio-Umsatz-Rückgangs um 3,8 Prozent im Jahr 2022 ist die Verunsicherung in der Szene groß. Dabei werden die Produkte weiter gekauft – nur weniger im Fachhandel und mehr beim Discounter. Auch Bio-Herstellermarken haben es angesichts stetig expandierender Handelseigenmarken immer schwerer.
Die genauen Zahlen für die Entwicklung im ersten Halbjahr 2023 stellte Hanna Kehl von der GfK vor: 6,9 Prozent Rückgang für den Fachhandel, 8,6 Prozent Wachstum bei Discountern und 11,2 Prozent bei Drogeriemärkten. Auch die Handelsmarken wüchsen zweistellig und seien inzwischen für einen Umsatzanteil von über 45 Prozent verantwortlich. Am relevantesten sei Bio weiterhin bei häufig gekauften, frischen Produkten: weißer Mopro sowie Obst und Gemüse. „Zwischen Gewöhnung und Resignation“ verortete Kehl die aktuelle Konsumstimmung.
„Es herrscht eine gewisse Ratlosigkeit in der Branche und es braucht neue Allianzen“, meinte Rudolf Bühler, Gründer der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall (BESH), in seiner Eröffnungsrede. Nach Erkenntnissen des rheingold-Instituts für Marktforschung werde Bio vor allem in der Jugend nicht mehr als Problemlöser angesehen. Bühler forderte daher eine Weiterentwicklung zu ‚Öko Plus‘ mit dem neuen Schwerpunkt Klimaresilienz und gab in Anlehnung an die Friday for Future-Bewegung ein neues Motto aus: Öko for Future.
Die Rettung des Fachhandels – über Genossenschaften oder Kundenbeteiligung?
„Edeka und Rewe sind der neue Bio-Fachhandel“, meinte Stephan Rüschen, Professor für Lebensmittelhandel an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Heilbronn (DHBW), provokant. Im neu veröffentlichten Whitepaper ‚Zeitenwende im Bio-Fachhandel‘ hat er untersucht, wie sich Naturkostfachmärkte differenzieren können, um im Wettbewerb neben dem LEH weiterhin zu bestehen. Er schlägt dafür drei verschiedene Optionen vor, die sich auf Grundlage von Experteninterviews ergeben hätten:
1. Nach dem ‚Edeka-Modell‘ könnte sich der Fachhandel in eine Genossenschaft umorganisieren. Selbstständige Kaufleute seien erfolgreicher, könnten besser lokale Netzwerke knüpfen und das Sortiment individuell gestalten. 2. Der ‚Community-Ansatz‘ empfiehlt, die Kunden selbst am Bioladen zu beteiligen – etwa nach dem Beispiel genossenschaftlich betriebener Märkte, des Supercoops in Berlin, des FoodHubs in München oder des Bio-Supermarkts Odin aus den Niederlanden. 3. Der ‚Whole Foods-Ansatz‘ schlägt schließlich vor, den Fachhandel für nachhaltige Nicht-Bio-Produkte zu öffnen und sich quasi in Richtung des Einzelhändlers tegut zu bewegen, der bereits einen hohen Bio-Anteil hat und sich durch ein Reinheitsversprechen für einen Teil seiner Produkte zur Minimierung von Zusatzstoffen verpflichtet. Die Idee eines Bio-Discounters als vierter Vorschlag sei von allen Experten als nicht sinnvoll abgelehnt worden.
Bio-Wachstum befeuern: durch Aufklärung und neue Markenstrategien
War der Kongress in der Vergangenheit eher ein Treffpunkt von überzeugten Bio-Pionieren und der ‚engeren‘ Branche, so fand in diesem Jahr angesichts der Marktentwicklungen eine Öffnung für andere Bio-Vermarkter statt – bis hin zu den Discountern Aldi und Lidl. So stellte Julia Adou als Nachhaltigkeitsverantwortliche die Bio-Strategie von Aldi Süd vor, der eine ‚Demokratisierung von Bio-Produkten‘ anstrebe. Das ‚Bio-Smiley‘ der Eigenmarke Gut Bio sei in der Zwischenzeit bekannter als das EU-Bio-Siegel, so Adou. Und im Standardsortiment gebe es mittlerweile 15 Prozent Bio-Artikel. „Es wäre schade, in Schönheit zu sterben“, verteidigt die CSR-Expertin das Konzept von Billig-Bio. „Die Frage ist doch, wie wir die 70 Prozent der Bevölkerung erreichen, die sich gar nicht für Bio-Themen interessieren.“
Mit der neuen Eigenmarke ‚Nur Nur Natur‘, unter der fast ausschließlich Naturland-Produkte vermarktet werden, will der Discounter sein Bio-Produktsegment nun weiter aufwerten und gleichzeitig Aufklärungsarbeit über Bio-Mehrwerte leisten. Aufklärung ist auch das Ziel der neuen Bio-Informationsoffensive des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), die kurz nach den Öko-Marketingtagen – am 20. November – gestartet wurde. Karl Kempkens, Leiter des Referats Ökologische Lebensmittelwirtschaft, stellte ihre thematischen Pfeiler vor: Artenvielfalt, Tierhaltung, Zusatzstoffe und Verlässlichkeit. Auch die Bio-Verbände Naturland, Bioland und Demeter präsentierten ihre neuesten Marketing-Kampagnen, mit der sie das Bio-Image verbessern und Vorurteile bekämpfen wollen: von der Bio-Road-Show über Online-Kampagnen bis hin zu Safari-Events – Pressereisen zu Bio-Höfen.
Dass eine bessere Bio-Kommunikation dringend nötig ist, erklärte Antje Risius, Juniorprofessorin für Ernährung, Gesundheit und Nachhaltigkeit an der Universität Göttingen. Im Forschungsprojekt AVOEL beschäftigt sie sich mit Herausforderungen für Authentizität und Vertrauen bei Bio-Lebensmitteln. Die Ergebnisse sind teils erschreckend: So gingen 40 bis 50 Prozent der Verbraucher davon aus, dass bei Bio viel betrogen wird und Bio-Lebensmittel auch nicht anders als konventionelle zu bewerten sind.
„Es gibt ein allgemeines Misstrauen gegenüber der Bio-Branche“, stellte Risius fest. Gründe seien etwa fehlende persönliche Beziehungen zur Branche, das Siegelwirrwarr und mangelndes Vertrauen in die Bedeutung von Labels. Außerdem stünden für viele Verbraucher die Produktqualitäten – wie etwa weniger künstlich – im Vordergrund, während die Prozessqualitäten – der Herstellungsprozess, der Bio-Produkte eigentlich besonders auszeichnet – in den Hintergrund gerate. Im Zuge des Projekts ist die Homepage www.biokompetent.de entstanden, auf der Bio-Mehrwerte leicht verständlich dargestellt werden und auch auf mögliche Kritikpunkte eingegangen wird – etwa warum Bio-Äpfel aus Neuseeland verkauft werden oder weshalb Bio-Produkte oft in Plastik verpackt sind.
Verschiedene Marken-Strategien zur Befeuerung des Bio-Wachstums stellte Marketing-Experte Andreas Sommer vor. Unter dem Stichwort ‚Bekanntes, nur besser‘ fasste er erfolgreiche Produktentwicklungen wie die Erfrischungsgetränke-Reihe ‚The Organics‘ von Red Bull oder auch die Nutella-Alternative bionella von Rapunzel zusammen. Eine andere erfolgversprechende Strategie sei es, unerfüllte Kundenbedürfnisse zu bedienen, wie es den Frechen Freunden mit gesunden Produktinnovationen für Kinder und Babys gelungen ist. Alle erwähnten Marken hätten im letzten Jahr ein zweistelliges Wachstum verzeichnen können.
Deutliche Worte für die versammelte Öko-Community hatte auch Julian Stock, Vorstandsmitglied des Good Food Collectives und Nachhaltigkeitsleiter bei der Agentur blood actvertising, parat. „Die Bio-Branche gibt es eigentlich nicht mehr“, fasste er die Stimmen von Kirchberger Workshop-Teilnehmern zur eigenen Identitätskrise zusammen. Es fehle an dem ‚Warum‘, das bei jungen Startups noch klar im Vordergrund stehe. Stattdessen überwiege das Image einer „altbackenen Elite“ und Bio-Produkte würden von den einen als irrelevant, von den anderen als selbstverständlich wahrgenommen.
Bei einem Workshop zur Bio-Vermarktung im Mainstream bestätigten Branchenvertreter die Analyse. „Eine geschlossene Bio-Fachhandelsbranche gibt es tatsächlich nicht mehr. Bio ist endgültig im Mainstream angekommen“, meinte eine Bio-Herstellerin, deren Unternehmen selbst lange dem Grundsatz der Fachhandelstreue gefolgt war. („Der Fachhandel hat uns groß gemacht.“)
Inzwischen sei die Spielberger Mühle der letzte verbliebene Fachhandelstreue. „Nur im Fachhandel vermarkten funktioniert einfach nicht mehr“, so die Teilnehmerin. Ihr Unternehmen habe mittlerweile begonnen, auch ausgewählte Edeka-Händler zu beliefern. In den LEH hineinzukommen sei erfahrungsgemäß relativ leicht – drinbleiben schon schwerer.
Angekommen im Mainstream
Von den Problemen, die sich für Hersteller bei der Vermarktung im Mainstream ergeben, berichtete auch ein Bio-Startup-Gründer aus der Schokoladenbranche. Als kleines Nischenprodukt mit einem Qualitätsanspruch, der über Bio hinausgeht, wolle man nun eine größere Zielgruppe ansprechen. Dabei stelle sich allerdings die Frage, wie sich ein Nicht-Mainstreamprodukt zwischen etablierten Marken wie Lindt, Ritter Sport und Ferrero Rocher behaupten könne, die bereits seit Jahrzehnten die Schokoladen-Regale im LEH beherrschen. „Wie passen wir da hinein?“, so der Hersteller. Ein großes Problem bleibe außerdem die Logistik, die zu betreuungsintensiv für kleine Startups sei.
bioPress-Herausgeber und Workshopleiter Erich Margrander schlug als Lösung eine eigene Bio-Vorstufe vor, die – eventuell genossenschaftlich organisiert – die fehlende Struktur stellen könnte, um Kaufleute mit mehr Bio – auch von regionalen Erzeugern und kleinen Herstellern – zu beliefern.
Margrander machte auch auf eine Gefahr aufmerksam, die in den inzwischen angesagten Kooperationen der Anbauverbände mit dem Handel lauert. Bio-Hersteller könnten dadurch zu Private Label-Produzenten degradiert werden und am Ende zu wenige Rohstoffe für eigene Marken zur Verfügung haben. Dabei liege das Potenzial für den Bio-Ausbau in der Vielfalt.
Kathrin Jäckel, Geschäftsführerin des Bundesverbands Naturkost Naturwaren (BNN), pflichtete ihm bei, dass durch mehr Private Label auch ein Verlust in der Produktlandschaft zu befürchten sei. Innovation und Kreativität steckten in Herstellermarken. Und gerade um junge Leute zu gewinnen, brauche es ansprechende neue Produkte.
Sie bemängelte außerdem den „sportlichen Ehrgeiz, beim Lebensmitteleinkauf möglichst wenig zu zahlen“, der gerade in Deutschland im Vordergrund stehe und von Discountern befeuert werde. Der eigentliche Wert von Lebensmitteln bliebe dabei auf der Strecke. Der Lidl-CSR-Leiter Alexander Liedke entgegnete darauf, dass Erzeugerpreis und Verkaufspreis nicht unbedingt korrelierten und es auch eine Sache der Struktur sei, dass Discounter billige Lebensmittel anbieten könnten.
Jäckel räumte ein, dass der Fachhandel als kleiner Teil der wettbewerbsintensiven Lebensmittelwirtschaft strukturell massiv benachteiligt sei und es daher durchaus naheliege, über alternative Organisationsstrukturen nachzudenken. Margrander empfahl der BNN-Chefin wiederum, sich bei der Vermarktung auf das Alleinstellungsmerkmal zu konzentrieren, bei dem bisher niemand dem Fachhandel das Wasser reichen könne: dem Angebot eines Bio-Vollsortiments.
Mehr Bio-regional: mit stärkeren Wertschöpfungsketten
Ein eigener Themenblock der Tagung war in diesem Jahr dem Auf- und Ausbau von Bio-Wertschöpfungsketten gewidmet. „Wertschöpfung findet im Handel statt, die Hersteller sind an der Kette“, provozierte Klemens Fischer, Bio-Experte und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Akademie Schloss Kirchberg, zur Einleitung des entsprechenden Podiums.
Die Dringlichkeit eines gerechten Einkommens für landwirtschaftliche Erzeuger brachte in dem Kontext Albert Fuhs, Geschäftsführer des Obst- und Gemüse-Händlers Landgard Bio, in die Runde. „30 Prozent Bio geht nur mit den Landwirten“, betonte er. Die Realität sei momentan allerdings eher, dass Erntehelfer einen Mindestlohn ausgezahlt bekommen, während die Landwirte selbst am Ende unter diesem Mindestlohn landen.
Dabei sieht Fuhs auch die Konsumenten in der Verantwortung. „Für ein iPhone werden ohne Wimpernzucken 900 Euro gezahlt, aber wenn die Kartoffeln fünf Cent mehr kosten, ist das ein Eklat“, kritisierte er. Dabei gebe es Grundpreise, unter die man schlicht nicht kommen sollte. Mehr Verständnis für die Notwendigkeit höherer Preise – etwa im Falle von Wetterextremen – könne zum Beispiel durch Regionalität und die damit verbundenen kürzeren, direkteren Kommunikationswege erreicht werden.
Michaela Filipini von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) stellte das Bundesprogramm zur Förderung von Bio-Wertschöpfungsketten vor. Seit 2019 werden darunter Fortbildung, Beratung oder Informationskampagnen für Verbraucher finanziell unterstützt, ebenso wie Koordinationsstellen und Manager.
Ein solcher Bio-Wertschöpfungskettenmanager ist Felix Schmidling, der seit Ende 2020 für das Projekt ‚GemüseWert‘ zuständig ist, mit dem die Bio-Gemüse-Wertschöpfungsketten in der Metropolregion Nürnberg gestärkt werden sollen. Das Ziel, drei Gemüsebaubetriebe auf Ökolandbau umzustellen, sei mittlerweile schon erreicht worden, berichtete Schmidling. Außerdem habe der Projektnehmer, die Genossenschaft ‚Franken-Gemüse Knoblauchsland‘, zu der 40 Erzeugerbetriebe mit 2.000 Hektar Land gehören, seinen Bio-Umsatz verdoppelt. Nur mit dem Ausbau der Außer-Haus-Vermarktung hapere es noch. Neben Bio-Mindestquoten brauche es hierfür ein höheres Budget, mehr Fachkräfte und mehr saisonale Speisepläne.
Politik in Deutschland: Bio-Strategieund Verteilungskämpfe
Dass das Ziel von 30 Prozent Bio bis 2030 ohne politische Unterstützung nicht erreichbar ist, darüber waren sich die Branchen-Akteure einig. Silvia Bender, Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), gab erste Einblicke in die Bio-Strategie, die eine Woche nach den Öko-Marketingtagen – am 16. November – vorgestellt wurde. Das BMEL wolle sich vor allem für eine starke ökologische Züchtung und Forschung einsetzen, Betriebe bei der Bio-Umstellung unterstützen, Bio in der Außer-Haus-Verpflegung ausbauen und regionale Bio-Wertschöpfungsketten voranbringen.
„Wir brauchen eine Zeitenwende zu einem resilienten Ernährungssystem und die Regierung will den Wandel nicht nur begleiten, sondern mitgestalten“, stellte Bender klar. Gleichzeitig bedauerte sie einen „ungeahnten Verteilungskampf“ dabei, die Gelder in die richtige Richtung zu lenken. So sei die Bundesregierung etwa bei den Themen Koexistenz und Patente für Neue Gentechnik weit entfernt von einer gemeinsamen Position. Dennoch: 80 Prozent der Verbraucher in Deutschland wollten laut dem BMEL-Ernährungsreport mehr Bio und das Ministerium selbst stehe weiterhin fest hinter dem 30-Prozent-Ziel. Um es zu erreichen, brauche es einen starken Bio-Sektor, der mit Innovationen vorangeht.
Von den Branchen-Vertretern gab es wiederum Lob für die Arbeit des Ministeriums, das ohne den politischen Gegenwind noch mehr erreichen könne. „Wir hören die Kakophonie der Idiotie in den Krisen“, kommentierte Tina Andres, Vorstandsvorsitzendes des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Es gelte im Gegenzug, die Meinungsführerschaft der Zivilgesellschaft wieder zu stärken – etwa mit Blick auf die drohende Deregulierung Neuer Gentechnik. Um mit gutem Beispiel voranzugehen, sollten grüne Ministerien allerdings noch mehr Haltung zeigen.
Blick auf Europa: Ernährungswende in Gefahr
Vom rauen Wind, der der Bio-Branche aktuell in Brüssel entgegenweht, berichtete schließlich Jan Plagge, Präsident des Bio-Dachverbands IFOAM – Organics Europe. Verunsichert durch Kriege und Krisen propagierten die konservativen Parteien mit Hilfe des Narrativs der Ernährungssicherung Geschäftsmodelle von gestern, die auf externen Inputs und intensiver Agrarindustrie basieren. Darüber drohten die Versprechen des Green Deals und die wissenschaftlichen Studien, aufgrund derer die Notwendigkeit einer Ernährungswende anerkannt worden war, ins Hintertreffen zu geraten. Dabei seien immer noch zahlreiche politische Umbauprojekte im Gange: von der ‚Green Claims‘-Richtlinie bis zum Gesetz zur Wiederherstellung der Natur.
Eine Chance, die Agrarwende wieder voranzubringen, sieht Plagge im Strategiedialog zur Zukunft der Landwirtschaft, der von der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versprochen wurde. Dabei könnten alle Sektoren, inklusive Herstellern, Händlern und Konsumenten, zusammenkommen. Auch der mögliche Ukraine-Beitritt könnte alle zusammen an einen Tisch bringen und eine veränderte Taktik zur Folge haben. „Man muss über die Zukunft der gesamten Landwirtschaft sprechen“, meinte der IFOAM-Präsident. Bio sei ein wirksames Element für die Ökologisierung, aber es gelte, über den Tellerrand hinaus- und die konventionelle Landwirtschaft mitzudenken.
Auf der anderen Seite sei auch ein engerer Schulterschluss innerhalb des Bio-Sektors nötig, um die Segel im Gegenwind neu zu setzen. „Wir brauchen in der Branche eine interne Reform der Zusammenarbeit“, rief Plagge auf. Passend dazu wurde von den Partnern der Öko-Marketingtage zum Abschluss der Tagung gemeinsam die ‚Kirchberger Erklärung‘ zur Sicherung einer Gentechnik-freien Land- und Ernährungswirtschaft verabschiedet – unterzeichnet von den Bio-Anbauverbänden, BÖLW und AöL.
Lena Renner