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Gentechnik ist keine Lösung

11. Konferenz der Gentechnikfreien Regionen am Bodensee

Keine Deregulierung, sondern Kennzeichnung, Rückverfolgbarkeit und Wahlfreiheit auch bei Neuer Gentechnik: Das forderten die Referenten der 11. Bodenseekonferenz der Gentechnikfreien Regionen Ende Mai im österreichischen Hohenems. In Vorträgen und Gesprächsrunden zeigten sie die Probleme von CRISPR/Cas und Co auf. Ergänzt wurde das Expertentreffen durch einen Themenabend des Österreichischen Rundfunks (ORF) Vorarlberg.

Ein Heilmittel gegen Welthunger und Klimakrise: Das versprechen die großen Saatgutkonzerne durch Einführung der Genschere. Schon am 5. Juli will die EU-Kommission den neuen Gesetzesentwurf zur Gentechnik vorlegen, durch den die Deregulierung Neuer Genomischer Techniken (NGT) wie CRISPR/Cas befürchtet wird. Wie der Vorschlag aussehen wird, steht zwar noch nicht fest, Annemarie Volling, die bei der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) für die Sicherung der gentechnikfreien Landwirtschaft zuständig ist, stellte aber bereits zwei Optionen vor, die im Raum stünden: Bei der ersten müsste man mit neuer Gentechnik hergestellte Produkte nur noch anmelden – ohne Zulassungsverfahren, Risikoprüfung und Kennzeichnung. Bei der zweiten gäbe es ein Zulassungsverfahren, das mit einer Nachhaltigkeitsbewertung und -kennzeichnung verbunden ist.

„Die Deregulierung wäre eine sozial-ökonomische Katastrophe“, warnte Bärbel Endrass, die selbst einen Bioland-Legehennenbetrieb bewirtschaftet. Die Kommission habe keine Antwort auf die Koexistenzfrage: Ohne Mindestregeln sei keine gentechnikfreie Landwirtschaft mehr möglich.

Die Wunderpflanzen bleiben aus

Einen Überblick über den aktuellen Entwicklungsstand neuer Gentechnik-Pflanzen gab Eva Gelinsky, Leiterin der IG Saatgut. Sehr viele Produkte mit Marktreife gebe es noch nicht vorzuzeigen, sagte sie. Eine CRISPR-Tomate, die von einem kleinen Startup entwickelt wurde, sei in Japan schon auf dem Markt. Ihr Verzehr soll entspannungsfördernd und blutdrucksenkend wirken – Lifestyle also statt Werkzeug gegen den Klimawandel.

In den USA wird seit einer Weile ein Salat mit verlängertem Regalleben angebaut: Die Blätter werden nicht braun, auch wenn der Salat nicht mehr frisch ist. Ob es sich dabei um ein Mittel gegen Lebensmittelverschwendung handelt, wie die Hersteller propagieren, oder doch eher um Verbrauchertäuschung, sei dahingestellt. Dann gibt es noch einen Senf ohne Bitterstoffe und den herbizidresistenten Raps der Firma Cibus, der bereits seit ein paar Jahren im Umlauf ist und mit einer Vorgängermethode von CRISPR/Cas entwickelt wur-de.

„Er war kein Renner und es ist unklar, wie viel davon überhaupt noch im Anbau ist“, meint die Agrarökologin Angelika Hilbeck, die am Institut für Integrative Biologie der ETH Zürich arbeitet. Sie stellt die Versprechen der Industrie infrage und weist auf die „astronomische Förderung“ aus öffentlichen Geldern hin, trotz der die Gentechnik es in den 50 Jahren ihrer Existenz nicht geschafft habe, die verheißenen paradiesischen Zustände herzustellen. Ein Erfolgsmodell sei sie nur für die Entwickler – die Chemiekonzerne, die es geschafft hätten, Landwirte vollständig von ihrem Saatgut abhängig zu machen und damit sehr viel Geld zu verdienen. Ein Grund, weshalb die Eingriffe nicht wie geplant funktionieren, sei vielleicht in einem „sehr reduktionistischen Verständnis von Organismen“ zu verorten, das der Realität und der Komplexität der Ökosysteme nicht gerecht werde.

„Die Landwirtschaft braucht einen grundlegenden systemischen Umbau – Gentechnik ist keine Lösung“, stellte auch Gelinsky fest. „Wir brauchen eine vielfältige, agrarökologische Landwirtschaft“, fügte Brigitte Reisenberger, Sprecherin Landwirtschaft und Gentechnik bei Global 2000, hinzu. Immer noch gebe es kaum unabhängige Forschung zu Risiken und Nachweismethoden. Über 420.000 EU-Bürger hätten sich an der Petition gegen eine Deregulierung und für eine Kenn- zeichnungspflicht neuer Gentechnik beteiligt, was den Wunsch der Konsumenten nach Wahlfreiheit verdeutlicht.

Machtkonzentration und Patente

Die globalen Player Bayer, Corteva, Syngenta und BASF kontrollierten bereits 50 Prozent des globalen Saatgut- und Pestizidmarktes, führte Katherine Dolan, Bereichsleiterin Saatgutpolitik beim Verein Arche Noah, dem Publikum vor Augen. Sie machte außerdem auf einen Widerspruch aufmerksam: Nach der EU-Biopatentrichtlinie seien Patente nur auf gentechnisch veränderte Pflanzen erlaubt, da andere Züchtungsarten nicht als technische Erfindung gesehen würden. Patentiert werde eigentlich eine Eigenschaft, zum Beispiel eine Krankheitsresistenz, die dann auch hunderte Sorten betreffen kann. Nun steht die Annahme, mit neuer Gentechnik gezüchtete Pflanzen seien wie konventionelle zu bewerten, auf der die drohende Deregulierung fußt, der Tatsache entgegen, dass Patente auf CRISPR/Cas laut EU-Recht eindeutig möglich sind – wie bei herkömmlicher Gentechnik.

„Patente verhindern Innovation in der Pflanzenzucht“, warnte Dolan. Sie verursachten eine steigende Abhängigkeit von globalen Konzernen und könnten dazu führen, dass es für mittelständische Saatgutunternehmen keine Zukunft gibt und KMUs vom Markt verdrängt werden. „Für kleine Unternehmen sind die Lizenzen unbezahlbar“, bestätigte Endrass. Eine Deregulierung ginge mit der Entwicklung zu immer weniger Konzernen mit eingeschränktem Angebot einher und auch die Landwirte verlören ihre Unabhängigkeit. „Der Bauernverband will die neue Gentechnik – aber ohne Patente“, berichtete sie. Das aber sei unmöglich und „Ponyhofdenken“.

Die Referenten waren sich einig, dass die Gentechnikfreiheit in Deutschland und Europa ein hohes Gut ist, das es weiter zu bewahren gilt. Bis auf wenige Betriebe in Portugal und Spanien gebe es bislang keinen Gentechnik-Anbau in ganz Europa, so Endrass. Ohne die derzeitigen Gesetze aber könnten sich gentechnisch veränderte Organismen (GVO) unkontrolliert ausbreiten. Ohne ein Zulassungsverfahren mit Sicherheitsbewertung und Kenn- zeichnung sei keine Koexistenz mehr möglich und die Landwirte verlören ihre wirtschaftliche Grundlage. Zudem stehe die Wahlfreiheit auf dem Spiel: „Wir können dann nicht mehr anbauen, was die Konsumenten wollen – nämlich gentechnikfreie Produkte“, klagte Endrass. Das komme einer Entmündigung gleich und sei ein tiefer Eingriff in die demokratischen Rechte. „Wir können nicht warten, dass uns jemand rettet, sondern müssen jetzt laut werden“, rief sie auf.

Lena Renner

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