Ernährungswende
Ernährung in der EU: Report empfiehlt politische Maßnahmen
Wissenschaftler für Steueränderungen und Werbeeinschränkungen
Eine Beratungsgruppe aus 17 internationalen Wissenschaftlern hat im Auftrag der EU-Kommission den Forschungsstand zum Thema Ernährungspolitik aufgearbeitet. Als Ergebnis empfehlen sie eine Reihe von Maßnahmen, mit denen sich eine gesunde und nachhaltige Lebensmittelauswahl fördern lässt, darunter: geschickte Steueränderungen, die Einschränkung von Werbung für ungesunde Produkte sowie verbindliche Regeln für gesundheitskritische Inhaltsstoffe.
„Schaut man sich Studien zur Wirksamkeit von freiwilliger Kennzeichnung von Nahrungsmitteln an, also die vielen unterschiedlichen Label der europäischen Nahrungsmittelindustrie, dann stellt man fest, dass sie die Kaufentscheidung nur wenig beeinflussen“, erklärt Linus Mattauch, Juniorprofessor für die nachhaltige Nutzung von natürlichen Ressourcen an der TU Berlin. Auch freiwillige Vereinbarungen zwischen Staat und Lebensmittelindustrie in Bezug auf die Reduktion von ungesunden Inhaltsstoffen zeigten nur geringe Erfolge. „Eine Ausnahme ist die Reduktion von Salz, weil sie nur einen geringen Einfluss auf das Kerngeschäft der Unternehmen hat“, so Mattauch.
Dagegen kann die Politik laut der Beratungsgruppe durch Preisgestaltung effektiv Einfluss nehmen: etwa durch Zucker- und Fleischsteuern sowie niedrigere Steuern auf gesunde und nachhaltige Alternativen. Mit einer Zuckersteuer habe man in Ländern wie Mexiko oder Großbritannien bereits sehr gute Erfahrungen gemacht. Nach der Faustformel ‚20 pro 20‘ führte eine Verteuerung eines stark zuckerhaltigen Produkts um 20 Prozent dazu, dass das Produkt auch zu 20 Prozent weniger nachgefragt werde. Über die geringere Nachfrage werde dann der notwendige Druck auf die Industrie aufgebaut, die Zusammensetzung der Produkte zu ändern. Auch verbindliche Regeln könnten dabei helfen, einen ungesunden Fett-, Zucker- und Salzgehalt zu verringern.
Positiv erwähnt wird im Bericht die Abgabe auf Fleisch, die im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung in Deutschland enthalten ist und für den Umbau von Ställen für artgerechtere Tierhaltung verwendet werden soll. Auch der hohe Fleischkonsum in Deutschland könnte dadurch zurückgehen. „Auf der anderen Seite könnte man die Steuern auf gesunde und nachhaltige Produkte senken und somit auch sozialer Benachteiligung von Menschen mit geringem Einkommen begegnen“, schlägt Mattauch vor.
Weiterhin sollte die Werbung für Lebensmittel, die bei regelmäßigem Verzehr ungesund oder nicht nachhaltig sind, eingeschränkt werden. Freiwillige Verhaltenskodizes hätten sich auch in diesem Bereich nicht bewährt. Zudem müsse in Schulen und Kindergärten, Restaurants und Kantinen verstärkt gesundes und aus nachhaltigen Quellen stammendes Essen angeboten werden.
Die Beratungsgruppe hat der europäische Zusammenschluss von Akademienetzwerken SAPEA besetzt, in dem über hundert Akademien aus mehr als 40 Ländern vereint sind.
Zum Report der Beratungskommission gelangen Sie hier.