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Paradigmenwechsel fleischlos

Gesellschaftlicher Haltungswandel ist nicht mehr umkehrbar

Paradigmenwechsel fleischlos © rheingold-Studie_stock.adobe

Der Verzicht auf Fleisch ist ein zunehmender und anhaltender Trend. Es hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden, der sich weiter fortsetzen wird. Verbraucher erwarten für die Umstellung aber die Unterstützung von Herstellern. Das ist das Ergebnis einer neuen Ernährungsstudie, die das Meinungsforschungsinstitut rheingold im Auftrag des Vereins Kulinaria Deutschland durchgeführt hat.

Die Gründe für eine vegane oder vegetarische Ernährung sind laut der Studie vielfältig: Angefangen von einer bewussteren Ernährung über Tier- oder Klimaschutz, religiöse Gründe, hohe Fleischkosten, Gesundheitsaspekte bis hin zu geschmacklicher Abneigung gegenüber Fleisch gibt es diverse Motivationen, kein Fleisch mehr zu essen. Meist haben Konsumenten mehrere Gründe für ihren Fleischverzicht. Nach den Studienergebnissen können vier verschiedene Motivationstypen unterschieden werden:

1. Typ Selbst-Erhaltung
Damit bezeichnet man eine eher ‚unfreiwillige‘ Ernährungsumstellung. Meist sind es ältere Konsumenten mit gesundheitlichen Einbrüchen (zum Beispiel hohe Cholesterinwerte oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen) und konservativen Ernährungsgewohnheiten. Die Umstellung fällt schwer.

2. Typ Selbst-Optimierung
Durch alle Altersgruppen hinweg isst diese Gruppe eher funktional, und Selbstoptimierung geht über Genuss. Das Ziel ist Fitness, Schlankheit und ‚ewige Jugend‘. Sehr fokussiert und diszipliniert werden Lebensmittel auf Nährwerte und gesunde Inhalte geprüft.

3. Typ Welt-Erhaltung
Die meist jüngeren Konsumenten und bevorzugt Frauen haben ethische Gründe und Ideale als Ursache für die gewählte fleischlose Ernährung: Klimaschutz, Tierschutz, Umweltschutz und Fairness sind hier die Treiber. Die Gruppe möchte ‚das Richtige tun‘ und ‚auf der guten Seite sein‘.

4. Typ Welt-Entdeckung
Welt-Entdecker genießen es zu essen. Die Qualität des Essens steht im Vordergrund. Es gibt eine ausgeprägte Entdecker- und Probierlust. Essen ist hier eine sinnliche Erfahrung und der Einkauf Teil des Lustgewinns.

Nach der Entscheidung, sich künftig vegan oder vegetarisch zu ernähren, zeigten sich in der Studie vier Entwicklungsphasen der Ernährungsumstellung:

1. Zum Einstieg werden oft fleischnahe Produkte gesucht, die sich an den bisherigen Ernährungsgewohnheiten orientieren (zum Beispiel vegetarische Bolognese).
2. Es findet eine Öffnung gegenüber Produkt-Neuentdeckungen statt, die über Vorbilder in Rezepten und in sozialen Medien gefunden werden.
3. Es zeigt sich eine ‚fordernde Komplexität‘ zwischen den alten und neuen Essgewohnheiten. Konsumenten lavieren hier zwischen Suche, Orientierungslosigkeit und Ambivalenz hin und her. Erst nach und nach werden Fleisch-Ersatzprodukte unwichtiger.
4. Mit einer ‚neuen Entschiedenheit‘ entwickeln sich neue Gewohnheiten, Lieblingsgerichte und -produkte. Bei vielen entschiedenen Veganern/Vegetariern stellt sich nach längerer Zeit ein Fleisch-Ekel ein. Besonders positiv ist die Komplexitätsreduktion beim Einkauf. Kein langes Suchen, keine Ambivalenzen mehr.
Ein eindeutiges Ergebnis der Interviews: Niemand kehrt nach einer Phase des Verzichts zurück zum gänzlich unbedarften Fleisch-Konsum. Der gesellschaftliche Meinungs- und Haltungswandel in Richtung Fleischverzicht ist nicht mehr umkehrbar, auch wenn die tatsächliche Umsetzung manchmal noch etwas hinterherhinkt, resümieren die Studienautoren.

In den Interviews zeigte sich außerdem, dass sich Verbraucher im Dschungel der neuen Ernährungswelt Unterstützung von Seiten der Hersteller wünschen. Gefragt sind mehr Übergangsprodukte auf dem Weg zum Veganer/Vegetarier, aber auch Produkte in niedrigeren Preisklassen für jedermann. Besonders wichtig ist den Konsumenten eine Orientierungshilfe, wie etwa die Nutzung von eindeutigen Siegeln, für das schnelle Auffinden von veganen/vegetarischen Produkten. Ein schönes neues Design lässt Verbraucherherzen höherschlagen und macht den Griff zum veganen Produkt noch leichter.

Die Studie wurde mit einem qualitativen und einem quantitativen Teil durchgeführt. In 20 tiefenpsychologischen Interviews à zwei Stunden wurden Hintergrund und Motivation der Befragten (Alter: 25 bis 55 Jahre) zum alltäglichen Fleischverzicht erörtert. In einem zweiten quantitativen Teil wurden 1.000 Personen (Alter: 18 bis 25 Jahre) über Zugangsmotive, Entscheidungshilfen und Schwierigkeiten bei der vegetarischen Ernährungsform befragt.

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