Ernährung
Vegan, aber richtig!
Bio, Frische und Vielfalt: Was eine pflanzenbasierte Ernährung gesund für Mensch und Umwelt macht

Beim Umstieg auf eine vegane Ernährungsweise greifen viele auf pflanzliche Ersatzprodukte zurück, die möglichst originalgetreu Geschmack und Konsistenz von Fleisch, Fisch oder Käse nachahmen. Was wie gewohnt schmeckt, ist aber noch lange nicht gut für Umwelt und Gesundheit. Lange Transportwege, viel Verpackung, Zusatzstoffe und ein hoher Verarbeitungsgrad lassen sich durchs Kochen mit frischen pflanzlichen Bio-Lebensmitteln vermeiden.
Die Anzahl von Produkten, die tierische Lebensmittel imitieren, ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Beim Käse hat sich das Angebot von 2019 bis 2021 mehr als verdoppelt. Deutschland liegt bei der Markteinführung neuer veganer Lebensmittel weltweit auf Platz 4. Für die Hersteller bedeutet der Trend zu vegan ein lukratives Geschäft.
Dabei sind die oft hochverarbeiteten Tierproduktalternativen nicht zwingend gesünder als ihre Originale. Auch ihre Umweltbelastung ist nicht zu unterschätzen: So sind vegane Ersatzprodukte oft eingeschweißt und verursachen Müll durch ihre aufwendige Verpackung. Soja, Palmöl oder Mandeln in veganen Produkten werden zudem meist mit langen Transportwegen aus Übersee geliefert und haben so einen größeren CO2-Fußabdruck als regionale Zutaten.
Wegen der großen Bandbreite an verschiedenen Produkten ist es schwierig, eine allgemeine Aussage über ihren Gesundheitswert zu treffen. Klar ist, dass sich die Alternativen in Bezug auf die Nährstoffe deutlich von den originären Produkten unterscheiden. Zum Beispiel enthält Schweinefleisch-Ersatz in der Regel weniger Fett, dafür mehr Kohlenhydrate und Zucker. Bei Studien zu Alternativkäse fiel der Proteingehalt niedriger aus als bei echtem Käse. Meist beinhalten die Ersatzprodukte außerdem mehr Salz.
Bei einer Studie der Albert-Schweitzer-Stiftung schnitten Fleischersatzprodukte aus ernährungsphysiologischer Sicht insgesamt besser ab als die tierischen Originale: Sie hatten niedrigere Cholesterinwerte, enthielten weniger gesättigte Fettsäuren und auch weniger Pestizidrückstände, Hormone und Antibiotika, dafür mehr Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe. Einige pflanzliche Alternativen aus Bioproduktion enthielten sogar mehr Protein als die Fleischprodukte. Dennoch wurden etwa der hohe Salzgehalt und die unausgewogenen Omega-Fettsäurenprofile der Ersatzprodukte kritisiert.
Frische: besser für Umwelt und Gesundheit
Allgemein gilt auch bei veganer Ernährung der Grundsatz: je frischer und weniger verarbeitet, desto besser. Studien belegen Assoziationen zwischen dem Verzehr hochverarbeiteter Lebensmittel und nichtübertragbaren Erkrankungen (Übergewicht, Diabetes, Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Depressionen). Zu einer ernährungsphysiologisch unausgewogenen Zusammensetzung wie etwa einem hohen Gehalt an Salz, gesättigten Fetten und Zucker bei gleichzeitig wenigen Vitaminen und Mineralstoffen kommt eine oftmals veränderte Lebensmittelmatrix. Durch hohe Temperaturen in der Verarbeitung können außerdem sogenannte Prozesskontaminanten entstehen, zum Beispiel gefäßschädigende Transfettsäuren und das krebserregende Acrylamid.
Auch ein Blick auf die Zutatenliste hilft dabei, den Gesundheitswert von Ersatzprodukten einzuschätzen. Fleischersatz braucht oft zusätzliche Geschmacksträger wie Fett, Salz und Zucker sowie Zusatzstoffe wie Stabilisatoren, Emulgatoren und Aromen, um das Ursprungsprodukt möglichst gut nachzuahmen. Bio-Produkte kommen dabei mit weniger Zusätzen aus – viele dürfen gemäß der EU-Öko-Verordnung auch nicht verwendet werden.
So ist etwa der Stabilisator Methylcellulose (E461), der nach der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) im Verdacht steht, die Entstehung chronischer Darmentzündungen zu begünstigen, laut EU-Verordnung in Bio-Lebensmitteln tabu. Das Verdickungsmittel Carrageen (E 407), das laut Verbraucher-Initiative die Aufnahme anderer Inhaltsstoffe behindern kann und im Verdacht steht, allergieähnliche Symptome auszulösen, ist zwar erlaubt, Bio-Verbände wie Demeter, Bioland und Naturland und Hersteller wie Alnatura verzichten in ihren Produkten jedoch darauf.
Vegane Ernährung ohne Schnickschnack
Fest steht: Für eine ausgewogene pflanzliche Ernährung sind Fleischersatzprodukte nicht vonnöten. Anstelle von veganen Bratwürsten, Frikadellen oder Schnitzeln sorgen etwa auch Lebensmittel wie Getreide, Hülsenfrüchte und Nüsse für eine ausreichende Proteinversorgung. „Es geht nicht so sehr um das Streichen, sondern viel mehr um das Hinzufügen und die Vielfalt pflanzlicher Lebensmittel, die die gesundheitlichen Vorteile bringen“, erklärt Ernährungsmedizinerin Marie Ahluwalia im Gespräch mit UGBforum.
Wie genau kann ein gesunder veganer Speiseplan aussehen? Nach der Gießener vegetarischen und veganen Lebensmittelpyramide, die von den Ernährungswissenschaftlern Claus Leitzmann und Markus Keller entwickelt wurde, sollten bei einer vegetarischen Ernährung täglich mindestens zwei und bei einer veganen Ernährung drei Portionen Vollkornprodukte und Kartoffeln im Speiseplan eingebaut werden: Vollkornflocken, -Reis, -Nudeln, Kartoffeln oder Vollkornbrot. Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist Grundlage jeder gesunden Ernährung. Rund 1,5 Liter Wasser oder Tee sollte man täglich zu sich nehmen. Beim Trinken sollten vor allem Veganer auf Mineralwasser mit einem Kalziumgehalt von mindestens 400 Milligramm pro Liter achten, um ihre Kalziumversorgung zu verbessern.
Tägliche Ladung Gemüse, Hülsenfrüchte und Öl
Mindestens drei Portionen Gemüse (insgesamt mindestens 400 Gramm) sollten täglich auf den Teller – am besten frisch, schonend zubereitet und zum Teil als Rohkost verzehrt. Beim Obst werden zwei Portionen pro Tag (insgesamt 250 Gramm) empfohlen. Kleine Mengen an Nori-Algen können vor allem Veganern dabei helfen, ihren Jodbedarf zu decken. In Form von Flocken oder Blättern können sie etwa über Salate oder gekochtes Gemüse gestreut werden.
Zwei bis drei Portionen Milchprodukte werden für eine ausgewogene Ernährung von Vegetariern empfohlen, für Veganer sind es eine bis drei Portionen pflanzliche Milch- und Joghurtalternativen. Da-bei sollten Lebensmittel mit Zuckerzusatz gemieden werden. Ökologisch vorteilhafter sind Produkte, deren Rohstoffe in Deutschland oder Europa angebaut werden, wie Hafer, Dinkel oder teilweise Soja. Für Vegetarier wird zum Verzehr von bis zu zwei Eiern pro Woche geraten.
Eine tägliche Portion Hülsenfrüchte wie Erbsen, Bohnen, Linsen oder Kichererbsen ist wichtig, um den Eiweißbedarf bei einer fleischlosen Ernährung zu decken. Auch Nüsse und Samen sind wertvolle Eiweißlieferanten und sollten ein bis zwei Mal täglich bei Mahlzeiten dabei sein. Tofu, Tempeh und Nussmuse stellen eine gering verarbeitete Fleischalternative dar, die sich nicht explizit an tierischen Produkten orientiert und eine gesunde Abwechslung bieten kann.
Zwei bis drei Esslöffel Pflanzenöle pro Tag, vorzugsweise Lein-, Hanf-, Walnuss oder Rapsöl, sind eine gute Quelle für alpha-Linolensäure, die zu den Omega-3-Fettsäuren gehört. Dadurch kann der Verzicht auf fettreiche Kaltwasserfische ausgeglichen werden. Wenn man diesen Fahrplan bei seiner Speisenauswahl berücksichtigt, steht einer gesunden vegetarischen oder veganen Ernährung nichts mehr im Wege – ganz ohne fleischähnliche Fertigprodukte.
Lena Renner