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Breitet sich die Vogelgrippe H5N1 wieder aus?

Eine Einschätzung zu Verbreitung und Stallpflicht

Breitet sich die Vogelgrippe H5N1 wieder aus? © stock.adobe.com / ANEK

In Deutschland können Niedersachsen und Schleswig-Holstein wohl als die Epizentren der Vogelgrippe angesehen werden – ob es am dort lebenden Wassergeflügel, den Zugvögeln oder vielleicht der intensiven Viehwirtschaft liegt, bleibt hier unbeantwortet. Auch in Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern gibt es tendenziell häufiger Ausbrüche. Und in NRW scheint sich der H5N1-Virus derzeit von Westen nach Osten auszubreiten.

Am 03.10.2022 gab es seit etwa sechs Monaten den ersten Vorfall in Bottrop, etwa zeitgleich einen weiteren unter Wildvögeln nahe der niedersächsischen Landesgrenze. Mit dem 18.10.2022 meldet die Landesregierung Nordrhein-Westfalen, dass es jeweils in Münster und Gütersloh einen weiteren Vorfall gibt. Das Friedrich-Loeffler-Institut gibt alle Funde auf aktuellen Deutschlandkarten bekannt und zählt bereits zwei Tage später zwei weitere Vorfälle, einen davon jedoch bei Wildvögeln.

Unter den Experten wird derzeit zwischen dem ‚ersten Seuchenzug‘ von 2020/2021 und dem ‚aktuellen Seuchenzug‘ von 2021/2022 unterschieden, die vermutlich beide auf Zugvögel aus Zentralasien zurückgehen. Es ist weiterhin der H5N1-Virus feststellbar.

Wird die Ausbreitung durch Sperrbezirke und weitere Maßnahmen verhindert, immunisiert sich das Geflügel nicht. Es bleibt also zu befürchten, dass dieser H5N1-Virus sich versteckt halten konnte und nun wetterbedingt oder aufgrund der typischen Aktivitäten des Wildgeflügels wieder ausbricht. Zumindest sprechen Fachleute bei diesem Seuchenzug bereits von der wohl schlimmsten Vogelgrippe überhaupt, die europaweit große Opfer fordert.

Sind Vorbereitungen für die Stallpflicht sinnvoll?

Gerade in der Bio-Landwirtschaft wird auf einen Auslauf mit grüner Weide und Schattenstellen sehr viel Wert gelegt. Die Konventionellen haben diese Probleme hingegen nur bei einigen Geflügelarten wie Gänsen, die derzeit als künftige Weihnachtsgänse noch Gewicht ansetzen müssen.

Leider reagieren Hühner und Puten besonders empfindlich auf die Vogelgrippe und viele Halter mit großen Weideflächen kalkulieren die überdachten Flächen knapper. Kommt es zur Stallpflicht, ist diese umso schwerer zu bewerkstelligen. Bei den aktuellen Futterkosten stellt sich ergänzend die Frage, ob sich die Bestände etwas reduzieren lassen.

In jedem Fall sind Vorbereitungen für die Stallpflicht immer sinnvoll, solange der Aufwand übersichtlich bleibt. Nicht nur der direkte, sondern auch der indirekte Kontakt mit Wildvögeln ist zu vermeiden. Der Klassiker ist der kurze Fußmarsch zum Stall durch den Vogelklecks, schon wird einem der gesamte Bestand gekeult. Sicherlich zahlt die Tierseuchenkasse, das ist aber kaum der Sinn dieser Einrichtung.

Zur Vorbereitung sollte also eine Sicherheitsschleuse gehören. Im Eingangsbereich werden die Schuhe ausgezogen, im hinteren Bereich werden Arbeitsschuhe und Schutzkleidung angelegt, um vielleicht noch etwas Desinfektionsmittel über sich zu sprühen.

Auch die Futtermittel und die Fütterungsbereiche müssen für Wildvögel unzugänglich sein. Wer Futtermittel selber einlagert, sollte über die Lagerung nachdenken. Außerdem ist das Trinkwasser für die Tiere niemals den Oberflächengewässern zu entnehmen. Wassergeflügel trägt Viren, die wiederum jederzeit in die kritischen Varianten der Geflügelpest mutieren können.

Wenn die Stallpflicht ausgerufen wird

Gänse und Enten sind noch mehr auf ihren Auslauf angewiesen als Hühner und Puten, die in der konventionellen Landwirtschaft meistens noch keine Wiese gesehen haben. Sind die Tiere es jedoch gewohnt, täglich ihre Runden zu drehen, fällt ihnen im Stall direkt die Decke auf den Kopf. Ist zugleich der Platz knapp, kommt es durch Stress und Langeweile zum Federpicken und anderen unschönen Vorkommnissen. Es ist mitunter schwer, es den Tieren später wieder abzugewöhnen.

Für die Halter wird es ein großer Mehraufwand, dennoch wäre es gut, Beschäftigungsspielzeug wie Heuraufen, Verstecke oder auch Hühnerschaukeln und ähnliches parat zu halten. Im Idealfall lässt sich die Stallfläche erweitern, viele Bio-Halter haben deswegen bereits einen überdachten Außenbereich am Stall angebaut.

Doch bei Enten und Gänsen stellt sich im Moment der Stallpflicht die Frage, ob Schlachten vielleicht sinnvoller wäre. Nur, dass im November noch keiner seine Weihnachtsgans kaufen wird.

Robert Brungert

 

Weitere Anregungen und Informationen finden Sie unter:

https://www.land.nrw/pressemitteilung/erster-nachweis-der-gefluegelpest-im-herbst-2022-einer-hobbyhaltung-bottrop

https://www.fli.de/de/aktuelles/tierseuchengeschehen/aviaere-influenza-ai-gefluegelpest/karten-zur-klassischen-gefluegelpest/

https://www.huehner-hof.com/haltung/auslauf/stallpflicht-bei-huehnern/

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