Kongress
„Bio ist zukunftsfähig!“
V. Öko-Marketingtage auf Schloss Kirchberg

Zum fünften Mal lud die Akademie Schloss Kirchberg am 12. und 13. Oktober zu den Öko-Marketingtagen auf das Bauernschloss und empfing rund 200 Gäste aus ganz Deutschland. Unter dem Motto ‚30 Prozent Bio und mehr – Die Markenentwicklung resilient gestalten‘ diskutierten Experten aus Wissenschaft, Politik, Produktion und Handel über die Fachhandelskrise, Bio im Mainstream und notwendige politische Maßnahmen.
„Wir befinden uns in einer Seitwärtsbewegung und haben eine Delle, was Absatz und Marktentwicklung anbelangt aufgrund der aktuellen Krisen und politischen Verwerfungen“, sagte Rudolf Bühler, Vorsitzender der Stiftung Haus der Bauern, die auch Träger der Akademie für ökologische Land- und Ernährungswirtschaft ist, in seiner Eröffnungsrede. Doch es gelte Kurs zu halten, denn die ökologische Wirtschaftsweise sei die ressourceneffizienteste Form der Landbewirtschaftung.
Hatte die Pandemie der Bio-Branche zu Beginn einen Rekordumsatz verschafft, musste sie in diesem Jahr angesichts von Krieg und Inflation den ersten Rückgang seit der Zeit der Finanzkrise 2009 verkraften. Dabei sind die Preise für Bio-Lebensmittel mit rund fünf Prozent im Vergleich zu konventionellen Produkten mit einer Inflation von etwa 16 Prozent nur moderat gestiegen, wie Stephan Rüschen, Professor für Lebensmittelhandel an der DHBW Heilbronn ausführte. „Die Kunden wollen immer noch Bio kaufen – aber sie wollen es billiger“, stellte er fest. Der LEH, Vollsortimenter und Discounter würden daher zu Lasten des Naturkostfachhandels weiter Marktanteile gewinnen.
Dass sich zugleich die Dominanz der Bio-Eigenmarken im Vergleich zu Herstellermarken weiter verstärken werde, prognostizierte Tankred Kauf, Geschäftsführer des Demeter-Vermarkters Campo Verde. Sei das bisher nicht nötig gewesen, müssten die Bios jetzt das Verkaufen lernen und die Sinnhaftigkeit ihres Tuns in den Vordergrund stellen.
Bio im Mainstream
Stolz darauf, Bio zum kleineren Preis bieten zu können und eine Art Auffangebene geschaffen zu haben, ist tegut-Geschäftsführer Thomas Gutberlet. Er warnte davor, Hersteller auszuschließen, die aus dem konventionellen Bereich Stück für Stück dazukommen – auch wenn ihre Wertehaltung vielleicht noch nicht ganz der der Bio-Pioniere entspricht.
Dass Bio für alle zugänglich sein sollte, vertritt auch Artur Findling, der für Kaufland den Einkauf von Bio-Lebensmitteln verantwortet. „Es ist uns gelungen, mehr Premium-Bio in die Mitte der Gesellschaft zu bringen“, meinte er und hob die Kooperationen der Handelskette mit Demeter und bald auch Bioland hervor.
Marcus Wewer, der bei Rewe für Bio-Eigenmarken zuständig ist, appellierte an die Bio-Branche, sich vor dem wachsenden und klimarelevanten Markt veganer Lebensmittel nicht zu verschließen und den Zug nicht zu verpassen. Mit der Marke ‚Rewe Bio + vegan‘ hebt der Einzelhändler pflanzliche Bio-Produkte besonders hervor.
Neue Zukunftsstrategie für die ganze Regierung
Müssen Bio-Produkte billiger werden? Das verneint Burkhard Schmied, Abteilungsleiter für Landwirtschaftliche Erzeugung und Agrarsozialpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Vielmehr müsste ihr Wert besser kommuniziert und müssten konventionelle Produkte verteuert werden. Angesichts von Klimawandel, Artensterben und Ernährungskrise gelte es, mit geänderten Rahmenbedingungen und Förderungen den Öko-Landbau voranzutreiben.
Als Strategie für die ganze Bundesregierung stellte er bis zur Biofach eine ausgebaute und neu strukturierte Zukunftsstrategie ökologischer Landbau in Aussicht. Im Sommer 2023 solle sie im Kabinett verabschiedet werden. Langfristiges Ziel des BMELs sei es, komplett weg von der Flächenförderung zu kommen und Direktzahlungen nur noch für gesellschaftliche Leistungen zu gewähren. Außerdem sei eine Infokampagne zum Wert von Öko-Lebensmitteln geplant.
Der beinhaltet auch faire Preise und wertschätzende Partnerschaften, wie Johannes Ehrnsperger, Inhaber und Geschäftsführer von Neumarkter Lammsbräu, verdeutlichte. Sein Unternehmen habe langfristige Verträge mit den 180 Lieferanten geschlossen, individuelle Naturschutzpläne für die Höfe aufgesetzt und bewerte mit Regionalwertleistungsrechnungen die Nachhaltigkeitsleistungen der Landwirte.
„Der Wind bläst uns hart um die Ohren, nach Jahren des Rückenwinds“, stellte Bioland-Präsident Jan Plagge im Abschlussgespräch fest. Die katastrophale Situation der Welternährung bedeute aber nicht, dass die Landwirtschaft weiter intensiviert werden muss, wie manche Medien es jetzt fordern. „Es gibt kein Produktionsproblem, sondern ein Systemproblem – und wir sind der Katalysator für die Transformation des Systems.“