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Nachhaltigkeitslabel: ein Überblick

Eco-Score, Planet-Score und PEF

Seit Jahren steigt die Zahl an Nachhaltigkeitslabeln zur Kennzeichnung der Produkt-Nachhaltigkeit, welche teilweise mehr und teilweise weniger hilfreich für die Bürgerinnen und Bürger sind. Beim Vergleich der diversen Label ist die Unterscheidung zwischen privaten und politischen Initiativen essentiell.

Die auf politischen Initiativen gründenden Label sind solche, die vom Gesetzgeber entwickelt und eingeführt werden. Sie können verpflichtend, aber auch auf freiwilliger Basis einsetzbar sein. Dagegen beruhen die Label aus privaten Initiativen rein auf freiwilliger Basis, außer sie werden vertraglich von einem Unternehmen gefordert.

PEF in den Startlöchern

Wenn man sich die politischen Initiativen ansieht, so gibt es neben dem weithin bekannten und verbreiteten EU-Bio-Siegel ein weiteres bekanntes Beispiel: den ‚Product Environmental Footprint‘ (PEF), an dem die EU-Kommission bereits seit zehn Jahren arbeitet und den sie noch in diesem Jahr verabschieden und einführen möchte. Hintergrund des PEF ist die Erfassung der Umweltwirkungen eines Produkts und somit die Erstellung einer Ökobilanz.

Die Europäische Union verfolgt mit dem PEF verschiedene Ziele. Zum einen sollen signifikante Umweltauswirkungen identifiziert, Umweltaussagen klar geregelt und eine Kosteneinsparung bei der Analyse von Umweltauswirkungen ermöglicht werden. Zum anderen soll das Label unternehmensintern die Identifizierung von besonders gewichtigen Emissionsfaktoren und die Optimierung von Produkten vereinfachen. Des Weiteren soll der PEF beim externen Gebrauch (Business-to-Business und Business-to-Consumer) die Kommunikation und Offenlegung von Umweltauswirkungen ermöglichen.

Die EU hat bereits für verschiedene Kategorien einen PEF eingeführt – unter anderem für Nutztier-/Heimtierfutter, Verpackungen, Papierprodukte und Bekleidungen. Nun soll der PEF für Pasta, Molkereiprodukte, Olivenöl, Wein, Bier und abgefülltes Wasser nachfolgen. Von der Agenda gestrichen wurde ein möglicher PEF für Kaffee, rotes Fleisch und Fisch. Es wurde eine Vielzahl von verbindlichen, sogenannten ‚Wirkungskategorien‘ festgelegt, welche in die PEF-Berechnungen mit einfließen und diese beeinflussen. Zu diesen gehören unter anderem die Landnutzung, die Inanspruchnahme knapper Wasserressourcen, die entstehende Feinstaubbelastung, die Eutrophierung (unerwünschte Anreicherung von Nährstoffen in Gewässern), die Toxizität und der aus dem Produkt resultierende Einfluss auf das Klima.

Planet-Score und Eco-Score: Priorisierung von Bio-Merkmalen

Neben diesen politischen Nachhaltigkeitskennzeichnungen werden momentan verschiedene Label aus privaten Initiativen entwickelt und implementiert. Dies geschieht sowohl durch den Lebensmitteleinzelhandel (wie beispielsweise durch Lidl) beim Eco-Score. Aber auch der Planet-Score, der gerade in Frankreich durch verschiedene Verbände und Unternehmen entwickelt und momentan getestet wird, ist ein aktuelles Beispiel. Bei diesen beiden Beispielen handelt es sich um Ansätze, welche – wie auch der PEF – auf einer Lebenszyklus-Analyse basieren und auf generische Daten zurückgreifen. Hierbei unterschieden sie sich aber vom PEF, indem sie Bio-Unternehmen hervorheben, da sie mit den Bonus-Malus-Systemen arbeiten.

Dies bedeutet, dass sie besondere ‚Bio-Merkmale‘ hervorheben und priorisieren, beispielsweise im Bereich der CO2-Einsparung und/oder bei der Biodiversität. Dadurch sollen die Bio-Lebensmittel besser eingestuft werden als konventionelle Lebensmittel.

Bio weiterentwickeln, nicht konterkarieren

Die Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AöL) möchte im Rahmen der Diskussion über die verschiedenen Nachhaltigkeitskennzeichnungen generell darauf hinweisen, wie wichtig es ist, zwischen den politischen und privaten Initiativen zu unterscheiden. Denn Label, die vom Gesetzgeber eingeführt werden, unterliegen strengen gesetzlichen Regularien, welche nicht von einem Lebensmitteleinzelhandel zum nächsten unterschiedlich nutzbar und anpassbar sind. Daneben sieht die AöL die Gefahr, dass bei zu vielen unterschiedlichen Labels – unabhängig davon, ob private oder politische Initiative – das etablierteste Label, nämlich das EU-Bio-Siegel, untergraben und konterkariert wird. Denn dieses Label ist ein bereits überall implementiertes Siegel, das von den Konsumenten akzeptiert und verstanden wird. Daher sollte die Bio-Verordnung weiterentwickelt und durch die Einarbeitung von Nachhaltigkeitsfaktoren über die gesamte Kette hinweg ergänzt werden. So kann Bio den Erwartungen der Bürger gerecht werden.

Die AöL begrüßt grundsätzlich die Bestrebungen zur Sichtbarmachung von Umweltleistungen, auch auf Lebensmitteln, aber lehnt beispielsweise die Systematik eines PEFs als Grundlage für nachhaltige Lebensmittelsysteme ab. Die verfrühte Anwendung von Systemen, die nicht ausreichend präzise sind, kann die Zielsetzung einer Transformation des Ernährungssystems gefährden. Diese Sorge gilt vor allem im Hinblick auf das Erreichen des Ziels von 30 Prozent ökologischem Landbau.

Maximilian Falkenberg, AöL

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