Agrarwende
Ökolandbau in Bayern: Doppelte Wachstumsrate nötig
LVÖ fordert politischen Willen zum Erreichen des 30-Prozent-Ziels
Ein Zuwachs von gut 5,1 Prozent bei den Verbands-Betrieben und ein Flächenwachstum von 8,3 Prozent: Das ist die Bilanz für 2021, welche die Landesvereinigung für den ökologischen Landbau in Bayern (LVÖ) heute im Rahmen einer Pressekonferenz bekanntgab. Der bayerische Bio-Dachverband sieht dennoch viel ungenutztes Marktpotenzial: Um das Ziel von 30 Prozent Ökolandbau bis 2030 zu erreichen, brauche es einen besseren Umstellungsmotor und die richtigen Rahmenbedingungen.
Warum der Ausbau des Ökolandbaus zur Bewältigung der Klimakrise essentiell ist, demonstrierte Daniela Schmid, Vorstandsmitglied vom Münchner Ernährungsrat. „Die Landwirtschaft nutzt 37 Prozent der globalen Landfläche, 70 Prozent des globalen Frischwassers und ist für ein Viertel der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich.“ Dabei schnitten die CO2-Äquivalente über alle Lebensmittel hinweg im Ökolandbau deutlich besser ab als in der konventionellen Landwirtschaft. „Bis 2035 müssen wir die Ernährungswende in der Region München schaffen!“, wünscht sich Schmid. Wichtige Hebel auf kommunaler Ebene sieht sie in der Außer-Haus-Verpflegung und einer besseren Infrastruktur, um Vermarktung und Nachfrage zu fördern.
Die LVÖ-Mitgliedsverbände Bioland, Naturland, Biokreis und Demeter konnten 2021 insgesamt 358 neue Betriebe gewinnen, ein Plus von 5,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die landwirtschaftliche Fläche bei den Verbänden wuchs sogar noch stärker: um gut 25.000 Hektar oder 8,3 Prozent.
Der Markt sei im Moment aufnahmefähig und in einem optimalen Zustand, um den Ökolandbau auszuweiten, so erklärte Hubert Heigl, erster Vorsitzender der Landesvereinigung für den ökologischen Landbau in Bayern (LVÖ).
Zu viel Zurückhaltung in der Umstellung
„Die Märkte sind gerade eigentlich perfekt!“, stimmte Andreas Hopf, Geschäftsführer der Vermarktungsgesellschaft Bio-Bauern mbH, zu. Aufgrund der Preisverhältnisse sei der Umstieg aus betriebswirtschaftlicher Perspektive sinnvoll und mit wenig Risiko verbunden. Dennoch suche die Vermarktungsgesellschaft händeringend nach neuen Betrieben. Nach einer Umstiegswelle in den Jahren 2016 bis 2018 seien die Landwirte in den letzten Jahren zurückhaltend gewesen. Auch aktuell gebe es trotz des grünen Agrarministeriums noch viele Fragezeichen über die politischen Rahmenbedingungen, was Erzeuger davon abschrecke, den Schritt zu Bio zu wagen. Gestiegene Agrarpreise im konventionellen Bereich führten außerdem zu weniger Abstand zu den Bio-Preisen und einem geringeren Umstellungsanreiz.
Doppelte Geschwindigkeit nötig
„Die Zuwachsrate der landwirtschaftlichen Nutzfläche liegt momentan bei etwa ein Prozent“, berichtete Heigl. Um das 30-Prozent-Ziel zu erreichen, müsse die Geschwindigkeit sich aber verdoppeln. Zwar stehe Bayern, was den Etat für den Ökolandbau angeht, immer noch bundesweit an der Spitze – die familiengeprägten Hofstrukturen und die große Agrarfläche insgesamt machten sich weiter bezahlt – dennoch ist der Freistaat in Bezug auf den Bio-Anteil an der Gesamtfläche an sechste Stelle zurückgefallen.
Der Grund: „Es fehlt ein klares Zielbild!“, so Heigl. Ob der Betonung von Heimat und Regionalität gerate die Qualität in den Hintergrund. Unter Helmut Brunner, der von 2008 bis 2018 das Landwirtschaftsministerium in Bayern innehatte, habe es eine klare Agrarpolitik mit vielen Investitionen in Öko gegeben, mit Erfolgsmodellen wie dem Bayerischen Bio-Siegel und dem Landesprogramm BioRegio Bayern 2020, mit Hilfe dessen die Erzeugung von Bio-Produkten über Beratungs-, Vermarktungs- und Förderungsmaßnahmen verdoppelt worden war. Heute versanden Ideen nach Einschätzung des LVÖ-Chefs im Verwaltungsgebäude und das Ministerium habe sich aus der aktiven Gestaltung der Agrarpolitik zurückgezogen. Sinkende Umstellungszahlen sind die Folge.
GAP-Strategieplan nutzen und klare Richtung geben
Auch die gemeinsame europäische Agrarpolitik (GAP), die sich kurz vor der nationalen Umsetzung befindet, drohe das 30-Prozent-Ziel zu konterkarieren. Aktuell müssen Bio-Betriebe mit Einbußen in der ersten Säule der Einkommensgrundunterstützung von bis zu 25 Prozent rechnen. Heigl forderte daher dringend Nachbesserungen im Bereich der Ökoregelungen. Zudem müssten bereits beschlossene Kürzungen in der ersten Säule über die Öko-Prämie in der zweiten Säule ausgeglichen werden. Wenn die Politik jetzt nicht handle, „beginnt der Umstellungsmotor zu stottern und kommt zum Erliegen.“ Gehe der Ökolandbau als klarer Verlierer aus dem Nationalen Strategieplan hervor, wäre das ein fatales Signal.
Von der Landesregierung in Bayern wünscht sich der LVÖ-Vorsitzende eine klare Richtung: über die richtigen ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen, finanzielle Förderungen sowie überzeugtes Handeln und Vorangehen in der öffentlichen Außer-Haus-Verpflegung.
Das Interesse an Bio sei bei den Landwirten hoch, verbunden auch mit der Sehnsucht nach gesellschaftlicher Anerkennung. Die Gräben zwischen Bio- und konventionellen Bauern schätzt Heigl zudem als nicht mehr so tief ein wie oftmals dargestellt. „Wir dürfen diese Chance nicht verspielen und müssen Familienbetrieben eine Zukunft bieten!“
Lena Renner