Anuga
Die Anuga 2021 stellt sich vor
Das Motto Transform spiegelt sich überall wieder: Im Messekonzept, Trends und Märkten

Das Leitthema der Anuga 2021 lautet ‚Transform‘. Moderatorin Tania Higgins präzisierte bei der Pressekonferenz am 12. Mai, dass es um den Wandel in der Ernährung gehe. Drei Megatrends stehen im Fokus: Digitalisierung, Gesundheit und Nachhaltigkeit. Das erste Thema betrifft die Messe selbst - sie ist als analog-digitale Hybrid-Veranstaltung geplant. Alle drei Trends finden sich in Ausblicken auf die Märkte der Zukunft wieder. Dabei ist unter anderem der Fokus auf China aufschlussreich.
Die Anuga 2021 stellte eine Expertenrunde vor, bestehend aus
- Stefanie Sabet, Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE)
- Franz-Martin Rausch, Hauptgeschäftsführer Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH)
- Oliver Frese, Chief Operating Officers (COO) der Koelnmesse
- Timo Recker, Gründer und CEO des Lebensmittel-Start-ups Next Gen Foods
- Daniel Anthes, Diplom-Wirtschaftsgeograph und Berater des Zukunftsinstituts Frankfurt am Main
Eingangs besprach Daniel Anthes den gesellschaftlichen Wandel in Bezug auf Nahrungsmittel. Da er sich direkt im Essen spiegele, veranschaulichte er sie mittels einer Banane. Ihre Kurvenform verläuft wie in Diagrammen des menschengemachten Klimawandels und des exponentiellen Wachstums bei Food-Innovationen. Die Frucht selbst steht mitten in der Problematik von Monokulturen: Da 94 Prozent des Anbaus aus einer Sorte besteht, nimmt eine momentane Pilzerkrankung bedrohliche Ausmaße an. Im Gegenzug müssten Pestizide immer massiver eingesetzt werden. Den notwendigen Wandel und seine gesellschaftlichen Treiber stellte Anthes anhand einer U-Bahn-Karte dar. Stichworte darauf waren Gesundheit, Konnektivität, Neo-Ökologie, Individualisierung und personalisierte Ernährung. Abschließend zitierte er Bill Gates mit den Worten ‚Food is ripe for reinvention‘, also ‚Essen ist bereit für eine Neuerfindung‘.
Wohin der Wandel führt
Anschließend erläuterte Oliver Frese das Leitthema ‚Transform‘. Covid machte deutlich, dass ein globaler Wandel notwendig sei, genauer eine nachhaltige Ernährungswende. Die Anuga wolle die Spannungsverhältnisse widerspiegeln, in der sie sich abspiele. Als zwei Antagonismen nannte er Convenience versus Nachhaltigkeit und Globalisierung versus Regionalisierung.
In der nachfolgenden Diskussion stellte Franz-Martin Rausch erstens das Thema ‚Gesundheit‘ heraus. Da sich die Produktzusammensetzungen ändern, die weniger Fett und Zucker enthalten, ändere sich auch der Geschmack. Hier müsse der Verbraucher mitziehen. Zweitens wies er auf den sinkenden Fleischkonsum hin. Hier werden bessere im Sinn von nachhaltigere Produkte gewünscht. Drittens spiele das Tierwohl eine Rolle. Nichtsdestotrotz sei für den der Verbraucher entscheidend, dass der Preisunterscheid nicht allzu hoch sei.
Abschließend wies Daniel Anthes auf die große Rolle der Konsumenten hin. Im Westen seien die Märkte gesättigt, daher gehe es stärker um eine Produktvielfalt. Avantgardisten lebten hierbei einen Ernährungsstil vor, und brächten so Produkte in den Mainstream. Die so Inspirierten gehen dann in den Lebensmitteleinzelhandel. Ein Beispiel wäre die Tendenz von regional zu ‚brutal lokal‘. Auf eine Journalisten-Frage am Ende der Veranstaltung zu Trends nannte er noch die personalisierte Ernährung auf der Basis einer Genom-Analyse. Außerdem setze man heute Fermentationstechniken ein, die auf Pflanzenbasis die Texturen von Eis oder Schokolade nachbilden.
Trends auf der Anuga 2021
Oliver Frese nannte einige Details der kommenden Anuga.
- Zehn Fachmessen geben eine klare Orientierung über die Vielfalt und Trends.
- Marktführende und mittelständische Unternehmen stellen sich vor.
- Ein Wandel sei seit der letzten Anuga vor zwei Jahren sichtbar, der sich besonders im Bio-Segment gezeigt habe. Während der Pandemie hätten die Menschen daheim mehr gekocht. Außerdem seien regionale und ökologische Themen wichtiger geworden. Als herausragende Sonderschau stelle der Anuga Organic Market 1.500 Bio-Produkte vor, was weiter ausgebaut werde.
- Neue Formate kämen an den Start, etwa: Anuga clean label, alternative Fleischproteine (Stichwort zelluläres Fleisch) und pflanzenbasierte Ernährung.
Digitalisierung auf der Anuga
Ein Einspieler stellte die ‚Hybrid Trade Fair Experience‘ vor. Oliver Frese erläuterte sie genauer:
- Hygienekonzepte spielten vor Ort noch eine Rolle. Dafür gäbe es breitere Gänge, Abstandsregeln und eine digitale Registrierung. Die Besucherströme sollten so gelenkt werden, dass sie entzerrt werden.
- Eine digitale Event-Plattform verbindet live und digital
- Digitale Messestände präsentieren Produkte
- Es gibt virtuelle Bühnen
- In einem Kommunikation-Center könne man sich vielfältig treffen, etwa mit Video-, Audio-Konferenzen und Text-Chat oder in virtuellen Konferenzräumen
Die persönliche Präsenz auf der Anuga sei noch immer wichtig, um Kontakte zu knüpfen und Lebensmittel sensorisch zu erleben. Doch nicht jeder könne und dürfe reisen, weswegen die digitale Event-Plattform die Reichweite erhöhe.
Daniel Anthes merkte an, dass Corona generell eine Verhaltensänderung mit sich gebracht hätte. Es sei üblicher, Lebensmittel online einzukaufen oder Lieferdienste für ein Dining-In zu nutzen. Im Gegenzug würden aber Erlebnis-Shopping und die Gastronomie mehr geschätzt werden.
Hier schaltete sich Karl Wehner hinzu, Managing Director der Alibaba Group für Deutschland, Schweiz, Österreich, mittel- und osteuropäische Länder, Türkei. Er erläuterte das höhere Niveau der Digitalisierung in China. Beispielsweise verbänden Live-Streamings mit Kochkursen die Möglichkeit, Produkte etwa von Nestle und anderen Firmen direkt einzukaufen. Da sich China schneller von der Pandemie erholt habe, würden die chinesischen Konsumenten den ‚new retail‘, also ‚neuen Einzelhandel‘ stark nutzen. Die an Ali Pay angeschlossenen Freshippo stores etwa würden 60 Prozent aller Verkäufe online abwickeln.
Franz-Martin Rausch ergänzte, dass die Digitalisierung über den E-Commerce hinausgehe. In der Bedarfsplanung des Lebensmitteleinzelhandels ist sie bereits üblich, um etwa sonnige Wochenende oder Feiertage einzurechnen. Auch hätte man die Lebensmittelmengen für die Tafeln früher händisch übergeben, dies geschehe jetzt digital.
Oliver Frese bezog dies auf die Anuga zurück, die als hybride Veranstaltung eine Herausforderung darstelle. Indem sie das Erlebnis ins Netz verlängere, könne sie möglichweise über das ganze Jahr hinweg statt wie sonst nur alle zwei Jahre präsent sein.
Dirk Hartmann