Ökolandbau
Digitaler Öko-Slam
Studenten sprechen über die Zukunft des Ökolandbaus
Wie kann sich der Ökologische Landbau weiterentwickeln? Wo gibt es Probleme, wo Potenziale und Chancen? Auf einer Online-Studierendenkonferenz tauschten sich am 6. Mai Studenten von Universitäten und Hochschulen in Hohenheim, Nürtingen, Heilbronn und Emmendingen mit Experten des Öko-Sektors über die Zukunft des Ökologischen Landbaus aus. Rund 300 Interessierte nahmen an der Veranstaltung teil.
„Wir wollen mehr Öko, aber was machen die anderen? Und wie verhalten wir uns zu denen?“, warf Martin Ries vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg – Schirmherr der Konferenz – zu Beginn des Treffens als Frage auf.
„Wir sind für Öko mit konventionell“, so die Antwort der Jungen DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) Hohenheim. Sie beruft sich dabei auf die FiBL-Studie ‚Entwicklungsperspektiven der ökologischen Landwirtschaft in Deutschland‘, in der das Szenario ‚Integrierte Produktion Plus‘ (IP+) vorgestellt wird. Wenn konventionelle Betriebe Techniken aus dem Ökolandbau übernähmen und weniger Pestizide einsetzten, würden sich ihre Erträge bei verbesserten Umweltwirkungen stabilisieren. Auch der konventionelle Landbau müsse sich weiterentwickeln und umweltfreundlicher werden. Man solle daher betriebsabhängig entscheiden, was jeweils möglich ist. „Die Landwirte brauchen Perspektiven – und es gibt verschiedene“, stimmte Alexander Beck, Vorstand der Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AöL), der Jungen DLG zu.
Bio zwischen Erwartung und Wirklichkeit
Darüber, was der Ökolandbau für den Naturschutz leistet, sprachen Studenten des Studiengangs ‚Landschaftsplanung und Naturschutz‘ der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geißlingen. Zur Verbesserung der bestehenden Leistungen schlugen sie mehr Weidehaltung, die Übernahme von Prinzipien der Permakultur sowie mehr Strukturvielfalt durch den Biotopverbund vor.
„Was ist privat, was öffentlich?“, fragte Sophie von Lilienfeld-Toal, Geschäftsführerin der Gesellschaft für angewandte Wirtschaftsethik (GfaW), in Bezug auf Verantwortung und Naturschutz. „Und wo sollten die Freiheiten der Landwirte enden?“ Robert Hermanowski, Geschäftsführer des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL), wies auf die problematische Trennung von Landwirtschaft und Naturschutz hin. Denn auch oder gerade in intensiv bewirtschafteten Gebieten brauche es Naturschutz. Leider passiere es sogar auf Biohöfen, dass Böden ausgebeutet werden, stellte er kritisch fest.
Die Arbeitskreise Ökolandbau und Nachhaltigkeit sowie die Studierendengruppe FRESH der Universität Hohenheim setzten sich mit den Potenzialen von Anbauverbänden auseinander. Als interessanten Ansatz stellten sie die Biodiversitäts-Richtlinie Biolands vor. Diese beruht nicht auf Ge- und Verboten, sondern auf einem Katalog mit Maßnahmen, für deren Umsetzung die Betriebe Punkte erhalten, was ihnen ein individuelles Engagement für selbstgewählte Naturschutzthemen ermöglichen soll.
Laut Alexander Beck ist die Aussagekraft von Siegeln in den letzten Jahren eher erodiert. Besonders streng sei außerdem nicht automatisch mit gut gleichzusetzen. Die Verbraucher hätten sehr große Erwartungen an eine artgerechte Tierhaltung, stellte Hermanowski fest. Aufgabe der Verbände sei es, einen Mittelweg zwischen der Realität ihrer Landwirte und dieser Erwartungshaltung zu finden.
Fairness für Landwirte und Verbraucher
„Wie kann der der Handel mit ökologischen Lebensmitteln fair bleiben?“, fragte sich die Fachschaft Agrar der Universität Hohenheim. Nachhaltige Produkte sollten kein Luxusgut sein, aber gleichzeitig ein ausreichendes Einkommen für die Landwirte sicherstellen. Es brauche weniger Bürokratie und dafür mehr kleine Erzeuger. Regionale Vermarktung, fairer Handel und ein sicherer Absatz seien Schlagworte für eine Entwicklung in die richtige Richtung.
Hermanowski sprach sich ebenfalls gegen Nachhaltigkeit als Privileg einer kleinen gesellschaftlichen Gruppe aus. Alexander Beck bestätigte die Problematik von schwindenden regionalen Versorgungsketten – etwa in Bezug auf Bäckereien und Schlachthöfe. „Trotzdem darf man auch die Economies of Scale nicht ignorieren“, meinte Hermanowski und plädierte daher nicht zwingend für den Erhalt von Kleinstbetrieben. Auch Bio-Betriebe hätten sich in den letzten Jahren vermehrt vergrößert oder Betriebsgemeinschaften gebildet.
Mehr Wertschätzung durch Ecotainment und Aufklärung
Mit Möglichkeiten, die Bio-Nachfrage zu erhöhen, beschäftigten sich Studenten des Studiengangs ‚Food Management‘ der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Heilbronn. „Damit die Konsumenten bereit sind, mehr zu zahlen, müssen sie den Mehrwert von Bio erkennen“, erklärte Studentin Paula Humann. Verkaufsaktionen mit Ausschilderung der ‚Wahren Kosten‘ könnten Aufmerksamkeit schaffen. Außerdem sei ‚Ecotainment‘, also die unterhaltsame Vermittlung ökologischer Sachverhalte, ein vielversprechender Ansatz, der etwa von Bio-Bars mit einem ökologischen Getränke-Angebot gut umgesetzt werden könne. „Die Lebensmittel-Ausgaben in Deutschland sind sehr gering“, bestätigte Alexander Beck die Notwendigkeit eines wertschätzenden Umdenkens.
Eine Entfremdung der Gesellschaft von der Landwirtschaft konnte auch die Fachschulklasse für Ökologischen Landbau des Landwirtschaftlichen Bildungszentrums Emmendingen-Hochburg feststellen. „Landwirtschaft und Ernährung müssen in die Bildung!“, schlug sie zur Abhilfe vor.
Mehr Bildung und Aufklärung für Bio forderte ebenfalls die Junge DLG Nürtingen. Durch spezielle Konzepte wie die Solidarische Landwirtschaft, bei der Konsumenten Ernteanteile direkt vom Hof beziehen und auch bei landwirtschaftlichen Arbeiten mithelfen können, ließe sich die Entfremdung bekämpfen. Über den Vorschlag, Bio-Produkte von Profi-Fußballern bewerben zu lassen, entspann sich eine angeregte Diskussion der Teilnehmer im Chat. Bestimmten heute nicht eher Influencer darüber, was cool ist?
Eine solche Influencerin ist die Agrarbloggerin Marie Tigges, die auf der Konferenz von ihrer Arbeit berichtete. Bei Arnsberg im Sauerland bewirtschaftet die 28-Jährige einen Bioland-Bauernhof mit ihren Eltern. Als @marie.vom.tiggeshof lässt sie ihre knapp 15.000 Follower auf Instagram an ihrem Hofalltag teilhaben und will so Wissen vermitteln, Vertrauen schaffen und mit Vorurteilen aufräumen. „Aufklärung muss direkt vom Hof kommen – nicht von Außenstehenden“, ist sie überzeugt. Durch gute Öffentlichkeitsarbeit könne die Landwirtschaft wieder mehr Wertschätzung erfahren. Leider gebe es bisher aber noch viel zu wenige Ökoblogger – vielleicht ein Ansporn für manchen der jungen Zuhörer, selbst aktiv zu werden.
Lena Renner