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Heute schon für ein besseres Morgen essen?

Die Frage nach der Zukunftsfähigkeit unserer Ernährung

Das Gros der Bio-Branche kommt alljährlich auf der Biofach zusammen, um sich auszutauschen, voneinander zu lernen und wichtige Themen zu diskutieren. Und welches Thema könnte in Zeiten von Klimakrise, Agrarwandel und Plastikmüll-Debatten schon wichtiger sein, als die Zukunftsfähigkeit unserer Ernährung und der Weg dorthin. Was und wie essen wir heute, um die besten Voraussetzungen für morgen zu schaffen? Das ist die entscheidende Frage.

Nun gibt es innerhalb der Branche kaum Diskussionsbedarf über den Weg zu einer zukunftstauglichen Ernährung. Der Weg ist Bio. Denn ‚Bio wirkt‘. So klar benennt es der Biofach Kongress im Schwerpunktthema für dieses Jahr. Auch das Thünen Institut zeigte die Wirkung vor kurzem in der bisher größten Überblicks-Studie zu den Vorzügen der ökologischen Landwirtschaft. In der gesamten Wertschöpfungskette ist Bio ein wichtiger Teil der Antwort auf viele Zukunftsfragen.

Umweltschutz, Erhalt der Artenvielfalt, Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit, ökonomisch-ökologische Win-Win-Situationen, Bodenfruchtbarkeit, Wasserschutz, Tierwohl – die Bereiche, in denen die ökolo- gische Wirtschaftsweise eine positive Auswirkung hat, sind umfassend.
Auch die Politik hat die Vorzüge von Bio erkannt und den Ausbau des Ökolandbaus sowie die Unterstützung der ökologischen Wirtschaftsweise in der Zukunftsstrategie ökologischer Landbau (ZÖL) festgeschrieben.

Der Blick aufs große Ganze

Das herausragende und ganz eigene Prinzip der Bio-Branche ist der holistische Ansatz, mit dem sie Zukunftsfragen, wie die nach der Zukunft der Ernährung, betrachtet. Die ökologische Sichtweise richtet sich ganzheitlich auf das Gemeinwohl. Auf die Umwelt als Einheit, in der Menschen, Tierhaltung, Pflanzenanbau, Klima und Natur nebeneinanderstehen und miteinander verbunden sind. Die voneinander profitieren, Synergien bilden, aber auch voneinander abhängig sind. Ein Ungleichgewicht in einem Bereich betrifft sämtliche Bereiche und führt zum Un- gleichgewicht der gesamten Einheit – der Umwelt.

Auch auf dem Biofach Kongress ist dieser Blick auf das große Ganze maßgeblich. Der Fokus der dort geführten Debatten liegt neben den Leistungen von Bio auch auf der Rolle der Politik in der Entwicklung eines Agrar- und Ernährungswandels hin zu Bio und damit zu Zukunftstauglichkeit. Denn effiziente politische Entscheidungen und das Zusammenwirken von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft sind dringend notwendig.

Der Blick der Politik

Eine dieser aktuellen politischen Strategien, die sich mit der Zukunft unserer Ernährung beschäftigen, ist die Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie von Bundesministerin Julia Klöckner. Die Reduktion von Fett, Zucker und Salz in verarbeiteten Lebensmitteln soll als entscheidende Maßnahme eine gesunde Lebensweise in der Bevölkerung fördern. Aber auch die begleitende Kennzeichnung von Lebensmitteln durch den Nutri-Score hilft laut Klöckner, das Auftreten von Übergewicht und Adipositas in Deutschland zu reduzieren, indem die „gesunde Wahl zur einfachen Wahl“ gemacht wird.

Damit lenkt Klöckner den Blick auf das Individuum und seine ‚gesunde Wahl‘ – die jedoch nur begrenzt gesund ist und auch das nur für den Einzelnen. Nutri-Score und Reformulierung von Convenience-Produkten haben im Rahmen ihrer Möglichkeiten sicher positive Effekte für den Verbraucher und zielen in die richtige Richtung. Aber wie gesundheitsförderlich kann beispielsweise ein Ersatz von Fett, Zucker oder Salz durch synthetische Inhaltsstoffe - und die fehlende Berücksichtigung dessen durch den Nutri-Score - schon sein?

Die Verbindung des Individuums zu Gesellschaft, Umwelt, Natur, Klima und Tierwohl, diese für die Bio-Branche so essentielle Einheit, kommt in der Sichtweise der Reduktionsstrategie (Stand Ende 2019) nicht vor. Doch eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, wie die steigender Übergewichts- und Adipositas-Zahlen, muss dort verortet und gelöst werden, wo sie entstanden ist: in der Verbindung zwischen Individuum, Gesellschaft und Umwelt. Sie kann nicht bloß bezogen auf den Einzelnen und auf seine Gesundheit bewältigt werden. Es braucht auch hier den Fokus auf die Einheit und auf das Gemeinwohl, der ‚Bio wirkt‘ prägt.

Die Idee von zukunftstauglicher Ernährung, die die Bio-Branche vertritt, bedeutet Nachhaltigkeit, Ausgewogenheit und Vollwertigkeit im Sinne der Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Für diese Idee ist ein ausgeprägtes Bewusstsein für Lebensmittel und für Genuss, aber auch die Übernahme von Verantwortung in Bezug auf das eigene Essverhalten - gegenüber sich selbst und gegenüber der Umwelt – nötig. Beides können wir durch Ernährungskompetenz schaffen.

Den Blick schärfen

Ernährungskompetenz wiederum entsteht durch Bildung. Durch Verbraucherbildung auf allen Ebenen. Nachhaltige Ernährung als Thema in Schulen, breit angelegte und öffentlichkeitswirksame Kampagnen quer über alle Kanäle, vom Zeitungsartikel bis hin zu Alexa-Skills, ein Bio-Angebot überall dort, wo Menschen außer Haus essen – Verbraucher müssen in Kontakt kommen mit Themen, wie ökologische Herstellung, ausgewogene Ernährung und enkeltaugliches Essverhalten. Immer und immer wieder.

Denn der Blick auf das große Ganze und auf die eigene Teilhabe am Gemeinwohl in Bezug auf Ess-Entscheidungen muss erst geschärft werden, um zu sehen: Essen ist weitaus mehr als das, was eine fünfstufige Farb- und Buchstabenskala abbilden kann. Es ist zugleich höchst individuell und äußerst sozial.

So betrachtet Bio es, und mit dieser Perspektive kann auch die Reduktions- und Innovationsstrategie ein sinnvoller Ansatz für weitere Maßnahmen sein. Maßnahmen, die die Frage nach der Zukunftsfähigkeit unserer Ernährung mit ‚Bio wirkt‘ beantworten. Nur so können wir zu einer vollwertigen, ausgewogenen und damit zukunftsfähigen Ernährung finden – und damit die besten Voraussetzungen für ein besseres Morgen schaffen.

Lisa Mann

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