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Wie virgin ist Extra Virgin Olive Oil?
Olivenöl ist eines der teureren Speiseöle, wegen seiner besonderen sensorischen und ernährungsphysiologischen Wertigkeit. Es wird zu fast 80 Prozent in Europa produziert. Sein Absatz nimmt ständig zu und ist nicht nur auf Europa beschränkt. Für den Konsumenten, die Lebensmittelkontrolle, den Produzenten und Vermarkter spielen daher die Bewertung der Qualität und Identität von Olivenölen eine wichtige Rolle.
In der EG Verordnung 2568 aus dem Jahr 1991 werden eine Reihe von Methoden zur qualitativen und quantitativen Analyse von Olivenölen vorgeschlagen, um sie nach den Kategorien ‚natives Olivenöl extra‘, ‚natives Olivenöl‘ oder (raffiniertes) ‚Olivenöl‘ bzw. ‚Lampantöl‘ zu klassifizieren und mögliche Verfälschungen zu identifizieren.
Im Handel wird aber fast ausschließlich ‚natives Olivenöl extra‘ als Öl der Spitzenklasse angeboten. Minderwertigeres natives Olivenöl oder raffiniertes Olivenöl findet man nur ganz selten. Natives Olivenöl wird als minderwertiger eingestuft, da es einen sensorischen Fehler wie ‚ranzig‘ aufweisen darf. Entdeckt ein Olivenöl-Panel in einem nativen Olivenöl extra einen sensorischen Fehler, wird dies zu einem nativem Olivenöl abgewertet. Ungenießbare Öle sind sogenannte Lampantöle, die früher als Lampenöl verwendet wurden.
Die Produktionsmenge von Olivenöl der Kategorie ‚nativ extra‘ ist aber begrenzt. Allgemein geht man von weniger als 50 Prozent einer Ernte aus. Schlechte Witterung oder ein Befall mit der Ölfliege, wie in den letzten zwei Jahren, führen zu geringeren Ölgehalten und einer sensorisch schlechten Qualität. Die produzierte Menge einer Qualität reicht daher in der Regel nicht aus, um den Markt zu beliefern. Zudem wurden in den letzten Jahren neue Absatzmärkte wie China und Japan erschlossen bzw. intensiviert, wie in den USA und Australien.
Betrug bei Olivenöl
Studien zeigen, dass für den Verbraucher die Herkunftsangabe kaufentscheidend ist. Bestimmte geographische Gebiete, wie die Toskana oder Kreta, werden dabei bevorzugt. Da liegt es nahe, die verfügbaren Mengen mit entsprechenden Tricks zu erhöhen. Eine Möglichkeit ist die Vermischung von nativen Olivenölen extra mit zirka 30 bis 50 Prozent schonend gedämpften (mild raffinierten) Olivenölen. Der Anteil an schonend gedämpften Olivenölen wird so gewählt, dass die in der EG Verordnung 2568 aufgelisteten Kriterien (Marker) eine Manipulation nicht erkennen lassen.
Weitere Methoden sind das Blenden von nativen Olivenölen extra mit Olivenölen der niedrigeren Qualitätsstufe oder sogar das Vermischen mit billigeren anderen pflanzlichen Ölen.
Die vom Internationalen Olivenölrat für die EG Verordnung 2568 vorgeschlagenen Standardmethoden sind Methoden, die in Laboratorien problemlos routinemäßig umgesetzt werden können. Sie basieren häufig auf der Analyse einer bestimmten Verbindung (Marker) zur Identifizierung der Verfälschung (d.h. Stigmastadien, Alkylester, ECN42, Transfettsäuren, einzelne Sterine oder Fettsäuren). Die Methoden stammen fast zu 95 Prozent aus den 80er Jahren des vorherigen Jahrhunderts und wurden nicht wirklich aktualisiert – in Anbetracht der rasanten Entwicklung in der Instrumentalanalyse (Chromatographie und Spektrometrie) und in der Computertechnik. Zunehmend leistungsstarke chemometrische Methoden können die angeforderten analytischen Informationen durch eine spektrometrische oder chromatographische Messung liefern.
Aussagekräftigere Methoden, die international seit vielen Jahren angewendet werden, wie 1,2-Diglyceride oder Pyropheophytine, wurden abgelehnt.
Daher bleiben viele Aspekte des Verbraucherschutzes, wie die Authentifizierung, die Erkennung von Verfälschungen oder falschen Ursprungsangaben, durch das Festhalten an diesen offiziellen Standardmethoden unentdeckt. Die EU Verordnung hat zudem für den Fälscher den Vorteil, dass der Zoll oder die Lebensmittelkontrolle fast kaum eine Möglichkeit haben, den Nachweis einer Fälschung beizubringen, da das Öl nach den Analysen den Grenzwerten der EU Verordnung entspricht. Man spricht daher bei der EU Verordnung 2568/91 von einem „Kochbuch für Fälscher“.
Schnelle Analyse deckt Manipulationen auf
Mit Hilfe der Spektrometrie im Nahen Infrarotbereich ist es aber nun gelungen, durch die Analysen von mehr als 5.000 Proben über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren neue Analysenverfahren zu entwickeln, die es erlauben, objektiv das sensorische Profil und die Qualität, die geographische Herkunft in Europa, das Alter, das Mindesthaltbarkeitsdatum und die stoffliche Zusammensetzung wie Nährwertangaben zu bestimmen.
Außerdem lassen sich erstmals auch die Manipulation durch die sogenannte Softdesodorierung und der Zusatz von geringen Mengen raffinierter Pflanzenöle nachweisen. Da die Analyse weniger als eine Minute dauert und ohne Chemikalien arbeitet, ist sie auch für die breitflächige Kontrolle vor Ort geeignet. Nur ob Brüssel daran ein Interesse hat, ist fraglich.
Dr. Christian Gertz
Bis Oktober 2013 war Dr. Christian Gertz Leiter des Chemischen Untersuchungsamtes in Hagen. Seit seiner Pensionierung ist er Mitarbeiter bei der Fa. Maxfry-Advanced Food Ingredient GmbH in Hagen und mit der Produktentwicklung betraut.
Gertz verfügt über 40 Jahre Erfahrung mit Fetten und Ölen. Er war Mitglied zahlreicher nationaler und internationaler Arbeitsgruppen und Experten-Gremien für die Analytik von Fetten und Ölen sowie von Olivenöl.
Als Mitbegründer ist er seit 1997 Mitglied des Deutschen Olivenöl Panels (DOP).
Gertz hat mehr als 70 wissenschaftliche Arbeiten, darunter fünf Buchkapitel, veröffentlicht und zwei Bücher herausgegeben.
Sein Forschungsgebiet umfasst die analytische Erfassung des thermisch-oxidativen Abbaus und der Wirksamkeit von stabilisierenden Zutaten bei Fetten und Ölen, die Anwendung der Chemometrie in der Fettanalytik und die Entwicklung der NIR-Methode für die Qualitätssicherung von Ölen und Fetten mit dem Schwerpunkt Olivenöl.
Auszeichnungen:
1982, das Forschungsstipendium der Josef Schormüller-Stiftung der Deutschen Lebensmittelchemischen Gesellschaft
2004, die Normann-Medaille der Deutschen Gesellschaft für Fettwissenschaft (DGF)