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Dritter Weg ins Nirwana

Ein Kommentar von Jan Plagge

  • © Bioland

Bei der Vorstellung einer neuen Publikation der Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) zum Thema „Nachhaltige Landwirtschaft – Herausforderungen und Lösungsansätze“ propagierte DBU-Generalsekretär Dr. Heinrich Bottermann gegenüber Pressevertretern einen „dritten Weg der Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft“. Dabei ginge es ihm nicht darum, „die Schlachten der Vergangenheit zu schlagen. Wir müssen den Öko- und konventionellen Landbau zusammenführen. Beide müssen voneinander lernen. Die ideologische Konfrontation führt nicht weiter.“ Zudem sieht er eine hohe globale Verantwortung für die Welternährung: „Die Produktion verdoppeln und die Umweltauswirkungen mindestens halbieren - das ist die Aufgabe, vor der die Menschheit steht.“

Was meint Herr Bottermann mit „Wir müssen den Öko- und konventionellen Landbau zusammenführen“? Der ökologische Landbau ist in Europa auf hohem Niveau gesetzlich definiert, und dennoch haben wir über diesem Niveau noch sehr unterschiedliche Ausprägungen und regionale Anpassungen. Aber welches Anbausystem meint der Generalsekretär der DBU mit konventionellem Landbau? Den extensiv auf Grünland wirtschaftenden Mutterkuhhalter oder Milchviehbetrieb mit Laufstall und Weidegang, der ohne Probleme auf Biolandbau umstellen könnte, oder industrialisierte Geflügel- oder Schweinehalter, die ohne Flächenbindung und auf Kosten der Umwelt und dem Tierwohl  billige Massenware für den Export produzieren. Bottermann bedient in seiner Forderung Klischees, die es in der Realität immer weniger gibt. Denn die Bruchlinie verläuft nicht zwischen Öko und Konventionell, wie Bottermann behauptet, das Auseinanderdriften der Landwirtschaft in zwei Parallelwelten findet zwischen Weltmarktorientierung auf der einen und Gesellschaftsorientierung auf der anderen Seite statt. Ersteres meint die Produktionsausrichtung an jeweils niedrigstem Standard zu niedrigsten Kosten, eine Gesellschaftsorientierung dagegen ist eine Ausrichtung der Systeme an gesellschaftlichen Erwartungen und dem Angebot öffentlicher Güter.

Bottermann hat Recht, wenn er darauf hinweist, dass die Fläche begrenzt  und somit knapp ist. Er irrt jedoch, wenn er von Flächenverbrauch spricht, denn Flächen können zum Glück nicht verbraucht, nur unterschiedlich genutzt werden. Und gerade beim Wettbewerb um die Flächennutzung versagt der Weltmarkt, denn die Auswirkungen der Nutzung sind lokal, auch wenn der Standard- und Kostenwettbewerb global ist. Daher haben die Menschen vor Ort, also die Gesellschaft, ein Anrecht auf Mitsprache und Entscheidung, welche Landwirtschaft und Flächennutzung in ihrem lokalen Umfeld stattfindet. Will und unterstützt sie eine industrielle Produktion wie in anderen Bereichen auch und setzt auf eine global konkurrenzfähige auf Export orientieren Produktion, welche die Konflikte verschärfen wird, oder fordert sie eine Landwirtschaft, die überwiegend regionale Qualitätsmärkte bedient und gleichzeitig die gesellschaftliche Anforderungen an mehr Umwelt- und Tierschutz erfüllt .

Allein der Blick auf nüchterne Zahlen beantwortet diese Frage: So steht der hohen Flächenwirkung der Landwirtschaft auf fast 50 % der Flächen Deutschlands die geringe Wirtschaftskraft des Sektors gegenüber, der mit nur 0,8 % zur Bruttowertschöpfung beiträgt. Umso wichtiger ist es, die vielfältigen Wechselwirkungen zu Umwelt- und Naturschutzgütern aber auch zu sozialen und kulturellen Auswirkungen der Flächennutzung zu berücksichtigen, in welche die Landwirtschaft eingebunden ist. Die Landwirtschaft verursacht beträchtliche Umweltschäden, das betont auch die DBU. Und dass diese Schäden immer weiter zunehmen, hat aktuell der Sachverständigenrat für Umweltfragen nochmal eindrücklich in einem Sondergutachten belegt.

Nicht „Wir“ müssen die Welt   ernähren

Ein weiterhin hohes Intensitätsniveau mit hohem Pestizid- und Düngereinsatz wird vielfach mit dem Totschlagargument „wir müssen die Welt ernähren“ begründet. Nein, müssen wir nicht. Stattdessen müssen wir die Schwellen- und Entwicklungsländer in die Lage versetzen, sich selbst zu ernähren. Und gerade dort bietet der ökologische Landbau ein hohes Potential der Ertragssteigerung. Billigexporte aus Europa in Entwicklungsländer behindern sogar den Aufbau regionaler Versorgungsstrukturen.

Die Problemlösung liegt also nicht in der Zusammenführung von Öko oder Konventionell, sondern in der Ausrichtung der gesamten Landwirtschaft auf die jeweiligen gesellschaftlichen Herausforderungen vor Ort. Und dies sind bei uns in Deutschland sauberes Trinkwasser, weniger Treibhausgase aus der Landwirtschaft, mehr Tierwohl,  mehr Artenvielfalt auf unseren Wiesen und Äckern und gesunde Lebensmittel, die ohne viel Chemie und Pestizide hergestellt wurden. So eine in vielen Bereichen leistungsfähige Landwirtschaft hat seinen Preis, den viele der Verbraucher bei einer Transparenz der vielfältigen Leistungen bereit sind zu bezahlen und von dem auch der Handel profitiert. Die Politik hat die Aufgabe dort zu regulieren, wo der Markt versagt. Das ist nachweislich bei den öffentlichen Umweltgütern der Fall und daher braucht es eine durch den Staat organisierte Honorierung der Umweltleistungen. Gleichzeitig werden die Folgekosten einer industrialisierten Intensivlandwirtschaft, die bislang der Gesellschaft aufgebürdet werden, eingespart.

Der von  Herrn Bottermann skizzierte „dritte Weg der Nachhaltigkeit“ ist sicher nicht der Zukunftspfad der Landwirtschaft. Vielmehr brauchen wir endlich eine gemeinwohlorientierte Ausrichtung der Agrarpolitik – das wäre ein Weg, den Landwirte, Verbraucher und vor allem auch die kommenden Generationen mitgehen könnten.
 

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