Start / Ausgaben / BioPress 75 - April 2013 / Nach Bio kommt Bio

Nach Bio kommt Bio

Ernährungswirtschaft der Zukunft ist ökologisch

Der Lebensmittelfilialist tegut aus Hessen tauscht Ware gegen Euro. Die Zukunftswerkstatt in Fulda im Museum Vonderau kostete die Zuhörer dagegen keinen Cent, sondern Zeit. Dafür gab es Ideen für die Gemeinwohlwirtschaft der Zukunft. Was Bio in der Lebensmittelwirtschaft begonnen hat, nämlich nachhaltig zu wirtschaften, soll als Prinzip alles Wirtschaftens gelten. „Nachhaltigkeit meint dauerhaft und global durchhaltbare Lebens- und Wirtschaftsweisen“, definierte Prof. Felix Ekardt aus Leipzig. 

tegut-Geschäftsleiter Thomas Gutberlet erläuterte seine Vorstellung vom Weg in die Zukunft der Wirtschaft mit EEG und CSR. Dabei will er die Verantwortung nicht an die Regierungen und Parlamente abgeben. Mit gesetzlichen Vorschriften lässt sich nach Gutberlets Ansicht die Zukunft nicht gestalten.

Verbote bezeichnete der Lebensmittelhändler als angemessen für Kleinkinder: „Das ist aber kein Ansatz für Erwachsene. Hier ist entwicklungsorientiertes Handeln der Menschen gefordert. Vorreiter müssen da sein. Dann werden Mitstreiter dazu kommen“.

Das Unternehmen der Zukunft dient nicht den Aktionären (share holder), sondern dem Gemeinwohl. So steht es in der bayerischen Landesverfassung, wie Gutberlet zitierte. Als es das Wort CSR (unternehmerische Verantwortung) noch gar nicht gab, war es in Bayern schon Recht.

Die erste tegut- Zukunftswerkstatt stand unter dem Titel: Werte schöpfen und Wertschöpfung heute und morgen. Moderator Peter Unfried von der taz fragte: „Wie kommt man von der Wirtschaft heute zu einer zukünftigen rentablen Ökonomie, die im Einklang mit dem Gemeinwohl steht?“

An Öko führt kein Weg vorbei

Der Buchautor und Gründer des Instituts für Welternährung, Wilfried Bommert, beantwortete die Frage für die Ernährungswirtschaft: „Die Ernährung der Zukunft ist bäuerlich, ökologisch und regional.“ Regional umriss er mit einem Umkreis von 50 Kilometer. Das ist vielleicht etwas zu eng gedacht. Da müssten sich die Großbauern in Niedersachsen gegenseitig ihre Schweine abkaufen.

Seine These untermauerte er agrarpolitisch. Boden, Luft und Wasser sind die drei entscheidenden Elemente der Landwirtschaft, nicht Saatgut, Dünger und Spritzmittel. Die industrielle Landwirtschaft zerstöre aber diese Ressourcen: 30 Prozent des fruchtbaren Bodens gingen bereits verloren.

Für die Bearbeitung eines Hektar Ackerbodens werden 274 Liter Diesel verbrannt. So wird die Atmosphäre aufgeheizt. Die Agrarindustrie trägt zu 25 Prozent zum Klimawandel bei. Die Landwirtschaft ist der größte Wasserverbraucher auf der Erde. 80 Prozent des Rohstoffes werden für die Bewässerung eingesetzt. Dabei kommen nur zehn Prozent des Wassers bei der Pflanze an.

Den weltweiten Hunger hat die industrialisierte Landwirtschaft ebenfalls nicht gestillt: Die Zahl der unterernährten Menschen auf der Süd-Halbkugel steigt an, genau wie übrigens die Überernährung im Norden.

Der Süden hat zudem nicht das Kapital, um in riesige Landmaschinen zu investieren. Mechanisierung heißt hier, das Zugtier durch einen kleinen Traktor ersetzen. In den Entwicklungsländern ist eine kleinbäuerliche ökologische Landwirtschaft mit wenig Ressourcen-Verbrauch das geeignete Modell. Der Bio-Bauer ist der Bauer der Zukunft. So erlangen die Entwicklungsländer Ernährungssouveränität.

Vegetarier sind gefragt

„Eine Ernährung, die den Fleischkonsum, die Wegwerf-Rate und den Einsatz fossiler Brennstoffe drastisch reduziert, ist zentral“, referierte Politikwissenschaftler Ekardt. Der Mensch müsse sein Verhalten deutlich ändern. Gefragt ist der ökologische Mensch. Eine wachsende Zahl an Bio-Konsumenten und Vegetariern zeigen, dass der moderne Mensch den Öko-Weg beschreitet. 

„In Zukunft werden Lebensmittel so hochwertig wie regionale Bio-Produkte und so praktisch wie Fastfood sein“, merkte Marktforscherin Mirjam Hauser vom Züricher Gottfried-Duttweiler-Institut an. Dabei ist regional keine Qualitätsaussage, obwohl König Kunde das so sieht. Auch ein schlechtes Produkt ist in einer Region erzeugt und hergestellt worden. Nachhaltigkeit, Fairtrade, Genuss und Regionalität kauft der Kunde der Zukunft, wie Hauser prognostizierte.

Verbraucher­bedürfnisse bestimmen den Kurs

Der Mensch will Genuss und Nachhaltigkeit. Das ist kein Widerspruch für Stefan Poppelreuther, Psychologe beim TÜV. Bio ist nachhaltiger Genuss. Deshalb gehört Bio die Zukunft. „Nach Bio kommt Bio!“, formulierte der TÜV-Mann. Bio als Argument reicht für Poppelreuther aber nicht mehr aus. „Bio differenziert sich in zwei Klassen: In ein Bio für alle und ein Bio plus“, sagte er voraus. Das Bio plus steht dann für Genuss. Bio ist für viele Menschen schon zu einem Lebensstil geworden und wird es für noch mehr Menschen werden.

Wenn der Mensch nicht nur Konsum-Artikel kauft, sondern Nachhaltigkeit und Heimat in Form regionaler Produkte, lässt sich die Wertschöpfung von Unternehmen nicht mehr auf den Gewinn reduzieren. Für Thomas Gutberlet muss die Bilanz künftig soziale und ökologische Werte beinhalten. Viele Unternehmen tun das bereits mit Nachhaltigkeitsberichten.

Anton Großkinsky

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