Start / Ausgaben / BioPress 67 - Mai 2011 / Bio ist Zukunft

Bio ist Zukunft

Edeka-Unternehmer Kappe setzt auf Nachhaltigkeit

{mosimage} In Wunstorf, einer Kleinstadt im Schatten der Landeshauptstadt Hannover, führt Kaufmann Cord Kappe einen qualitätsorientierten Frischemarkt mit umfangreichem Bio-Angebot. Mit 2.500 Bio-Artikeln von insgesamt 24.000 Artikeln sorgt der Kaufmann für Nachhaltigkeit im Sortiment. Seine Vorstufe hat nach den Worten von Kappe mit Bio großflächig angefangen, magere Jahre durchgestanden und dem Sortiment zum Durchbruch verholfen.

Westlich von Hannover liegt Wunstorf mit 28.000 Einwohnern. Mit den umliegenden Gemeinden ergibt das für den Handel ein Einzugsgebiet von 40.000 Menschen. Cord Kappe behauptet sich hier als selbstständiger Edekaner gegen zahlreiche Mitbewerber, wie er sagt. Das tut er mit Erfolg: In der Neukaufschiene der Edeka Minden steht sein Markt bei der Flächenleistung weit vorne. Wer in Wunstorf gut und nicht nur günstig kaufen will „kommt zu uns“, weiß Kappes Prokurist Lennart Schmidt. Wer abtrünnig wird und andere Verkaufsstätten ausprobiert, „kommt garantiert wieder zurück“, gibt sich Schmidt selbstbewusst. 

Kappe lobt seine Vorstufe, weiß aber auch, dass er selbst etwas tun muss in der Beschaffung, um überdurchschnittlich zu sein und sich optimal an den Standort anzupassen. Die Zentrale hast sich früh etwa mit einem eigenen Fleischprojekt für Bio stark gemacht. Die Biofleisch-Pakete kamen in den Markt und wurden entsorgt, als sie abgelaufen waren.
Lebensmittel-Kaufmann Cord Kappe setzt auch beim Bio-Sortiment auf Frische, {_umbruch_}wie das Obst- und Gemüse-Angebot zeigt.

Sie fanden zunächst keine Kunden-Akzeptanz. Das Weitermachen hat sich gelohnt. Das Bio-SB-Fleisch findet inzwischen Absatz.

Bio-Anteil von acht Prozent 

Seinen Bio-Anteil beziffert Kappe auf 7,5 Prozent. Das sind fast 900.000 Euro pro Jahr. Bio muss im Warenwirtschaftssystem hinterlegt werden, damit der Umsatz erfasst werden kann. „Bei dem einen oder anderen Industriehersteller kann das schon mal vergessen werden“, hat Kappe schon festgestellt. Deshalb ist der tatsächliche Bio-Anteil höher als der im Warenwirtschaftssystem berechnete.


Bio-Frischfrucht wird im Supermarkt überwiegend verpackt angeboten. Der lose Verkauf birgt zusätzliche Absatzchancen. {_umbruch_}Prokurist Lennart Schmidt (mitte, re.).
Neben dem Edeka Zentrallager bezieht Kappe noch Bio-Ware von Streckenlieferanten. „Was unsere Vorstufe bietet, reicht nicht. Das haben wir ergänzt“, erläutert der Kaufmann. Zwölf Prozent der Ware beschafft er selbst. Nicht immer bekommt Kappe aus Minden alles, was er will. Während des Dioxin-Skandals gab es nicht genug Bio-Eier von der Zentrale. Einen zusätzlichen regionalen Bio-Eier-Lieferanten hat er nicht. Für die Zukunft sollte er überlegen, ob er die Versorgung nicht auf zwei Füße stellt und damit gleichzeitig seine Regional-Kompetenz stärkt.

Skandale zeigen dem Kaufmann, dass Deutschland einen Nachholbedarf an Lebensmittelkultur hat. Es ist nicht allein die kriminelle Energie von Geschäftemachern. „Es gibt zu wenig Menschen, die vernünftige Lebensmittel schätzen. Lebensmittel dienen zur Sättigung: viel fürs Geld ist wichtig. Keiner verzichtet auf ein neues Handy für besseres Essen“, beobachtet der Lebensmittelhändler.

Der Kaufmann schafft an seinem Standort Ernährungsbewusstsein. Kappe startet Aktionen mit Weihnachtsbäckerei, Kochführungen und Müsli mischen. Schulklassen und Kindergärten lernen etwas Ernährungswissen. „Die Kinder haben Spaß dabei. Die Mütter können das aber verderben“, erzählt der Lebensmittelkaufmann eine kleine Anekdote. Ein Junge wollte nach einer Lektion durch die Ernährungsberaterin gerade in eine gesunde Bio-Karotte zu beißen. „Aber das isst du doch gar nicht“, ruft die Mutter aus dem Hintergrund dazwischen. Das Elternhaus entscheidet, was das Kind später im Supermarkt kauft.

Wunstorf kein Bio-Wunderland


Die Brotinsel liefert frische Bio-Backwaren.
In Wunstorf, die Kleinstadt im Großraum Hannover, gibt es eine Bio-Nachfrage. Ein Bio-Wunderland ist es nicht. Das Bio-Sortiment deckt alle Bereiche ab. Verführerische Vielfalt fehlt aber. Frische, Trocken, TK, Getränke und Bedienung sind vorhanden. Stärken von Kappe bei Bio sind Obst und Gemüse und das Trockensortiment.

„Bei Feinkost sind wir gut. Die Gepa Fair Trade Produkte wachsen. Bio-Säfte funktionieren gut“, ergänzt der Kaufmann. Im Trockensortiment dominieren die Dachmarken Bio-Zentrale, Bio Gourmet, Rinatura und Verival. Hersteller-Marken sind etwas unterrepräsentiert. Bei manchen Gruppen wie Teigwaren gibt es dann die gleiche Ausformung im 500 Gramm Schlauchbeutel zum gleichen Preis von zwei oder drei Herstellern, also die üblichen Doubletten oder Tribletten.

Die Obst und Gemüse-Abteilung überzeugt durch tolle Aufbauten und ein gepflegtes Sortiment mit etwa 50 Bio-Produkten. Zu 95 Prozent beschafft sie das Edeka-Fruchtkontor. Gerne hätte der Kaufmann noch einen regionalen Großhändler. Der Großmarkt Hannover ist schließlich nahe. „Das können Sie vergessen. Da gibt es nur sehr wenig Bio-Produkte. Hannover ist nicht Stuttgart“, klärt Kappe auf.

Eine Bio-Insel gibt es bei O + G nicht. Hier hat der Kaufmann konsequent zugeordnet. Neben den Schnelldrehern gibt es Kohl und Kürbis, Bio-Topfkräuter für anspruchsvolle Koch-Kunden und in der Kühlung Bio-Mais und -Romana-Salat.

Bio von der Insel


Im Mopro-Regal bekommt Andechser viel Platz für die gelbe und die weiße Linie. {_umbruch_}
Frische abgepackte Bio-Backwaren für die Selbstbedienung liefert die Brotinsel. In der SB-Backstation im Markt wird auch Bio-Feingebäck der Brotinsel Braunschweig angeboten. An der Brottheke im Vorkassen-Bereich verkauft die Edeka eigene Großbäckerei Schäfer’s aus Porta Westfalica Brot und Kuchen ohne Bio-Angebote.


Die Vielfalt an Bio-Ölen spiegelt sich in Wunstorf im Regal wieder.
Die Fleischtheke ist fast biofreie Zone: Nur Bio-Wurst von Rack & Rüther wird in Bedienung verkauft. „Schmeckt sehr lecker, finde ich gut“, urteilt Kappe, der Metzgermeister ist. In SB gibt es das biologische SB-Programm von Vion, dem holländischen Fleischkonzern, mit elf Artikeln von Rind und Schwein. Bio-Geflügel läuft unter der Eigenmarke Bio Wertkost, die mittlerweile zum Teil das Naturland-Siegel trägt. In Selbstbedienung wird geschnittene Bio-Wertkost-Wurst verkauft. Wurstersatz aus Soja von Heirler wendet sich an die Vegetarier. Veggie Life ist präsent, zum Beispiel mit Cevapcici auf Soja-Basis.

Die Käsetheke wird von Ruwisch & Zuck aus dem benachbarten Hannover bestückt. Der Fachgroßhändler ist hier Platzhirsch und hat Bio-Kompetenz. Sechs bis zehn Sorten bietet Kappe den Theken-Kunden regelmäßig an. Andechser aus Bayern, Backensholzer aus Schleswig-Holstein oder der Monte Ziege aus Baden-Württemberg sind zum Beispiel erhältlich. Die Preise verharren unterhalb der zwei Euro-Schwelle und sind somit erschwinglich. An der Fisch-Theke wird nachhaltiger Wildfang mit dem MSC-Siegel und Lachs aus biologischer Aquakultur verkauft.


An der Wursttheke gibt es einige Sorten Bio-Wurst von Rack & Rüther. {_umbruch_}
Frische Convenience ist ein Wachstumsmarkt. Kappe bietet in diesem Segment Hilcona Teigwaren in Bio-Qualität an. Die klassischen Milchprodukte sind von Bio Wertkost geprägt. Zusätzlich ist die Andechser Molkerei mit ihren modernen Bio-Produkten präsent. Sogar die altbekannte Rama Margarine ist als Bio-Variante im Regal.

Tiefgekühltes Bio

Das kalte Sortiment ist ebenfalls biologisch durchsetzt. Tiefgefrorene Kräuter, Beerenobst, Gemüse und Kartoffelprodukte kommen aus biologischer Herstellung, wie zum Beispiel die Schwarmstedter Lieblingspuffer oder die Lutosa Wedges. Die Fleischliebhaber werden mit Bio Köttbuller, schwedische Hackfleischbällchen, oder den Hähnchen-Nuggets und Flügeln von Salomon glücklich.

Zuordnung und Blockplatzierung

Im Trockensortiment werden die Bio-Produkte teils zugeordnet und zum Teil im Block präsentiert. In der Zuordnung sind die Produkte der klassischen Markenhersteller mit Bio-Range zu finden. Bei den abgepackten Broten zum Beispiel Mestemacher. Das biologische Schüttelbrot von Preiss aus Südtirol befindet sich ebenso im Sortiment.


Feine Bio-Käse in Bedienung gehören zu einem hochwertigen Angebot im Supermarkt.{_umbruch_}
Bio steht für Müsli und Müsli für Bio. Bio-Flocken von Kölln, Basismischungen von der biozentrale, Früchtemüsli von Whole Earth: Für jede Anforderung gibt es das passende Bio-Produkt. Beim Importprodukt Reis findet sich eine Bio-Vielfalt an Basmati, Naturreis, Mischungen und Rundkorn von BioGourmet, Gepa und biozentrale.

Backzutaten für die Heimbäcker aus kontrolliert biologischem Anbau (kbA) führt der Markt ebenfalls. Dazu zählen Bio-Mehle und -Backmischungen von Organic Farm als Basis. Bio-Süßmittel wie Rinatura Urzucker sind erhältlich.

Getreideprodukte sind eine Domäne des Bio-Landbaus und Kappe ist hier gut dabei mit Bio, Bio-Wertkost, Kölln, Seitenbacher, BioGourmet, biozentrale usw. Bei den Teigwaren dominieren die Dachmarken über die Herstellermarken. Aber auch Bio Idea Pasta aus Sizilien ist vertreten.


Wagner ist auch bei Bio-Pizza Marktführer.
Auch Konserven sind zu haben, zum Beispiel von Feinkost Appel der MSC-Fisch in Dosen mit Bio-Zutaten. Heringsfilet in Bio-Bananen-Curry-Sauce gibt es im asiatischen Stil, in Bio-Tomaten-Creme und Pfeffer-Creme machen hier Appetit. Bei den Sauer-Konserven ist die Industriemarke Hengstenberg mit seiner Bio-Linie präsent, bei den Wurstkonserven Meica.

Beim Kaffee werden mit Tchibo, Tempelmann und Gepa einige Bio-Produkte präsentiert. Es spielt sich aber alles im Mittelpreis-Segment ab. Es fehlen die höherpreisigen Bio-Marken. Für Coffein-Abstinente ist biologischer Malzkaffee von Mount Hagen vorrätig. Bei den Tees macht der Kaufmann ein umfangreiches Bio-Angebot. Gepa, Goldmännchen, Duchy und Yannick & Fee bieten Auswahl für Kinder bis Senioren, von Kräuter bis Grüntee.

Tüten-Desserts wie Milchreis und Griesbrei liefert Dr. Oetker aus Bielefeld. Für die schnelle Küche sind biologische Instant Suppen vorhanden. Als Pulver gibt es Bio-Brühen, -Suppen und Soßen von Gefro. Bei den Gewürzen liefert LEH-Marktführer Fuchs seine preisgünstige Marke Wagner.


Für Bio-Fisch und Meeresfrüchte hat Kappe die Angebotsform TK gewählt. {_umbruch_}Fischkonserven von Appel gibt es aus MSC-Fang mit Bio-Zutaten.{_umbruch_}
Bio ist nicht unbedingt teuer. Der Preiseinstieg bei Tafelessig liegt bei 0,69 Euro für die Eigenmarke Bio. Das gilt für eine Reihe andere Produkte auch. Viel Auswahl hat der Kunde bei Bio-Ölen. Rapsöl der Teutoburger Ölmühle, die verschiedenen Öle der biozentrale, von Rinatura und BioGourmet werden geführt. Bio-Olivenöle von Gaea mit der Herkunft Griechenland oder von Dittmann mit der Herkunft Spanien sind ebenfalls dabei.

Bei den biologischen Süßwaren steht die Schokolade im Vordergrund. Gepa und Ritter Sport Bio sind hier die wichtigsten Produkte. Bei Riegeln bietet Bio Abwechslung zu dem einseitigen konventionellen Sortiment. Schock ist ein kompetenter Hersteller von Nuss- und Müsli-Riegeln. Die biozentrale bietet ein auf den LEH zugeschnittenes Riegel-Programm. Die LEH-Marke BioPrimissimo ist zum Beispiel mit Lakritz vertreten. Süßgebäck ist eine wichtige Gruppe bei den Süßwaren. In Bio können die Kappe-Kunden auf Kekse von Freytag, Russisch Brot von Dr. Quendt und Whole Earth zugreifen.

Bei Knabberartikeln zeigt Dr. Karg mit seinen würzigen Knäcke, was Bio für Geschmack bedeutet. Rinatura ist mit Gebäckstangen à la Grissini präsent. Bei den Brezelchen vertritt Huober das Biosegment.


Das Wein-Regal ist mit 30 Bio-Tropfen aus den europäischen Weinbau-Nationen bestückt. Das ist schon recht umfangreich.

Bei moderaten 2,99 Euro liegt der Einstieg. Es steigt dann auf  6,99 Euro an. Die edleren Tropfen jenseits der zehn Euro fehlen. Die Range endet im Mittelpreis. Vor Festtagen kann hier sicher die eine oder andere Flasche im gehobenen Segment verkauft werden.

Öko im Non Food Bereich

Bei Non Food ist ein Öko-Sortiment ebenfalls Pflicht für den qualitätsorientierten Handel. Bei den Wasch-, Putz- und Reinigungsmitteln sorgt BioClean mit Fleckensalz, Waschnuss und Vollwaschmittel für Umweltfreundlichkeit. In der Warengruppe Naturkosmetik gibt es die Marke Nature Friends. Sie ist speziell auf die Bedürfnisse der Edeka zugeschnitten und stellt ein Sortiment für Haut und Haare bereit. 
An Bio-Weinen besteht kein Mangel.

Der Markt zählt zur Vertriebslinie Neukauf der Edeka Minden-Hannover. Er unterscheidet sich allerdings erheblich von den klassischen Standorten. Den standardmäßigen Rundlauf gibt es nicht. Kappe hat seinem Frischecenter eher Markthallen-Charakter gegeben mit einem inselförmigen Aufbau. Das Ganze wird unterstrichen mit abgehängten Deckenelementen in verschiedenen Farbtönen. Das gibt dem Markt ein individuelles und hochwertiges Flair.

Anton Großkinsky

 


 

Blau-gelbe Energieeffizienz

In der Nachhaltigkeitsdebatte im LEH hat die rote Rewe mit dem charismatischen Vorstandsvorsitzenden Alain Caparros die Meinungsführerschaft.Der blau-gelbe Marktführer Edeka hat keine zentrale Strategie formuliert und tut sich durch die Vorherrschaft des SEH schwer, detaillierte Vorgaben zu machen. Selbstständige Kaufleute investieren dennoch in Nachhaltigkeit. Damit sichern sie sich die Wettbewerbsfähigkeit und einen Vorteil beim Kunden. Edeka-Kaufmann Cord Kappe aus Wunstorf hat seinen Frischemarkt in Sachen Energieeffizienz auf Vordermann gebracht. 2010 machte er zu einem Energiespar-Jahr. Eine Solaranlage mit maximal 89 KW/Stunden, ein Blockheizkraftwerk, eine Kältesteueranlage und eine LED-Beleuchtung im Markt hat er für rund 350.000 Euro installiert.

„Ich rechne damit, dass sich die Anlage nach 14 Jahren amortisiert hat. Solche Investitionen lohnen sich vor allem bei eigenen Immobilien“, bemerkt Kappe. Bei gemieteten Objekten mit 15 Jahren Laufzeit versprechen die Maßnahmen nur wenig Gewinn. 40 Prozent des Strombedarfs erzeugt der Edekaner jetzt selbst. Jährlich erwartet er Einsparungen von 25.000 Euro bei den aktuellen Energie-Preisen. „Es ist eine Wette auf steigende Energiepreise. Nach dem Krieg haben sich die Strompreise alle acht Jahre verdoppelt“, rechnet er vor.

Einen Lieferwagen mit Elektromotor hat er zusätzlich angeschafft. 100 Kilometer Reichweite scheinen ausreichend zu sein für das Stadtgebiet Wunstorf. Allerdings nimmt die Akku-Kapazität bei Kälte rapide ab, und die Reichweite schrumpft im Winter auf 30 Kilometer. Schon mehrfach blieb das moderne Gefährt stehen. Aktuell ist das eher als Werbung für den Frischemarkt unterwegs, denn als verkehrstaugliches Kraftfahrzeug.

 

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