Globales Bio
Rohstoff-Importe sorgen für eine Vielfalt an Produkten
Der Bio-Rohstoffmarkt ist global. Deutschland kann sich mit vielen gefragten Bio-Produkten nicht selbst versorgen, da sie gar nicht oder nicht in ausreichender Menge im eigenen Land angebaut werden. Regionalität und Globalität existieren nebeneinander. Die Bio-Rohstoffhändler holen Ware aus allen Kontinenten und bringen sie dahin, wo sie gebraucht wird und sorgen für Abwechslung und Vielfalt in der Produktwelt.

Deutsche Firmen auf deutschen Messen handeln internationale Rohstoffe.
Der Bio-Lebensmittelmarkt ist ein internationaler Markt, obwohl Regionalität groß geschrieben wird, decken heimische Rohstoffe allenfalls die Hälfte des Volumens. Der Großteil der Rohstoffe kann nicht durch regionale Produkte ersetzt werden, denn jede Klimazone hat ihre eigene Pflanzenwelt. Bio-Rohstoffe von der Süd-Halbkugel müssen importiert werden, da sie hier nicht heimisch sind.
Aus dem Tropengürtel in Afrika, Asien und Südamerika kommt Rohkaffee, um ihn hierzulande frisch zu rösten. Kakao, in Deutschland zu Schokolade verarbeitet, ist ebenfalls ein tropisches Gewächs. Kaffee hat seinen Ursprung in Äthiopien. Der Bio-Kakao kommt fast ausschließlich aus Südamerika. Der Bio-Kaffee ist meist südamerikanischen Ursprungs. In Asien wird ebenfalls Kaffee angepflanzt. Der Kaffeegürtel reicht bis Papua-Neuguinea, das zu Australien zählt.
Rohstoffe sind international
Tee wurde zuerst in China kultiviert. Die GEPA beschafft ihre Tees in Indien und Sri Lanka. Aus Japan kommen edle Grüntees, etwa von Shimodozono international. Gewürze wie Pfeffer, Muskat oder Vanille haben einen weiten Weg aus Indien, Afrika oder Südamerika hinter sich.
Nüsse, Kerne und Saaten sind eine Sache für Bio-Bauern außerhalb Deutschlands. Sonnenblumenkerne werden aus dem Reich der Mitte nach Europa transportiert. Sesam wird biologisch in Afrika und Asien angebaut. Novel Food ist die biologische Chia-Saat aus Mexiko von Naturkost-Übelhör. Für Bio-Leinsaat, eine wichtige Backzutat, ist Kanada eine Hauptherkunft. Bio-Hanf ist überwiegend kanadischen Ursprungs. Hemp Oil Kanada aus dem Bundesstaat Manitoba ist spezialisiert auf das Randprodukt auf dem Saatenmarkt. Für Bio-Haselnüsse, Hauptzutat für Nuss-Aufstrich, ist die Türkei der bedeutendste Lieferant.
Fette und Öle sind wichtige Bio-Rohstoffe. Bio-Palmöl wird in Südamerika von Daboon erzeugt und verarbeitet. Im Moment ist tropisches Bio-Kokoswasser gefragt. Kokosmilch ist in Bio etabliert, ebenso Kokosöl. Für Palm- und Kokosfett aus kontrolliert biologischem Anbau ist Care aus Hamburg der größte Importeur. Aus den Mittellmeerländern kommt Olivenöl in Großgebinden. Für Fertiggerichte, Konserven und Pesto wird der vielseitige Rohstoff eingesetzt. Trockenfrüchte wie Datteln und Aprikosen haben ihren Ursprung ebenfalls im Mittelmeer-Raum.
Zucker wird im Bio-Bereich nicht aus Rüben von deutschen Äckern gewonnen. Bio-Lebensmittel werden mit Rohrzucker von der Süd-Halbkugel gesüßt. Das Süßmittel Honig wird aus Südeuropa oder Südamerika hierher verschifft. Die deutschen Immen tragen nicht genug zusammen. Ahornsirup ist eine Spezialität aus Kanada und Agavendicksaft wird in Mexiko erzeugt.
Tiefgekühlte Beeren für Verarbeiter werden in Ost-Europa angebaut. Erdbeeren, Himbeeren, Johannisbeeren werden in Backbetrieben und der Getränkeindustrie gebraucht. Mostäpfel für den beliebten Bio-Apfelsaft stammen zum Teil aus Deutschland von Streuobstwiesen.
Getreide ist auch in Bio das Hauptprodukt für das tägliche Brot. Deutschland kann als Getreideland den eigenen Bio-Bedarf nicht decken. Fast die Hälfte kommt aus dem Ausland. Russland ist der größte Bio-Getreide-Exporteur für den deutschen Markt.
Die Prärie Kanadas ist eine Kornkammer. Der Weizen mit einem hohen Proteingehalt wird hier von den deutschen Müllern zum Mischen verwendet, um die von den Bäckern geforderten Mehl-Qualitäten zu bringen. Biologischer Hartweizen, der hier nicht im Anbau ist, wird aus Kanada und Italien importiert. Die Bio-Welt ist ein Netzwerk über alle Kontinente. Ohne den Import würde die Vielfalt fehlen. Auch wenn der Mensch keine Schokolade braucht, wer will darauf verzichten?
Im Moment herrscht Knappheit
Einige Bio-Rohstoffe sind knapp zur Zeit. Der Wechsel von Überschuss und Untermenge ist nicht neu für die Marktteilnehmer. Durch Ernteausfälle, Spekulation, wachsende Bio-Märkte und Energiegewinnung aus Pflanzen wird die Menge beeinflusst. Den Waldbränden in Russland 2010 fiel ein großer Teil des Bio-Buchweizens zum Opfer. Zusätzlich wird von Fonds Geld in Rohstoffen wie Saftkonzentrat, Kaffee und Kakao angelegt. In europäischen Ländern wie Schweiz, Groß-Britannien und Deutschland hält der Bio-Anbau bei steigendem Verbrauch nicht Schritt.
In den Großstädten Chinas und Indiens entsteht bei der wachsenden Mittelschicht ein Binnenmarkt für Bio. „Diese Entwicklung wird sich fortsetzen und auch vermehrt zu einer noch weiter fortschreitenden Verknappung von Bio-Lebensmitteln führen“, urteilt Rohstoffeinkäuferin Juliane Eichler von der Bohlsener Mühle.
Das brachte steigende Preise 2010 und im laufenden Jahr, wie die Händler von Worlée über Davert bis Lebensbaum beklagen. Bei fairgehandelten biologischen Rohkaffee hat sich der Preis innerhalb eines Jahres verdoppelt, wie die GEPA in Wuppertal bestätigt.
„Obwohl wir seit 26 Jahren auf dem Bio-Markt tätig sind, haben wir solch eine langanhaltende Periode globaler Preissteigerungen und noch dazu über alle Produktgruppen noch nie erlebt“, schreibt dazu Heiko Grobecker vom Tradin Verkaufsbüro Deutschland in seinem Newsletter. Diese Preissteigerungen können die Rohstoffhändler nicht immer und in vollem Umfang an den Hersteller weitergeben, der Hersteller nicht an den Handel und der Handel nicht an den Kunden.
Die Endpreise sind inzwischen bei vielen Produkten wie bei Bio-Kaffee gestiegen. Einige sehen eine Stabilisierung wie agaSaat bei Bio-Backsaaten oder Bergmann bei Getreide. Der Bio-Getreidepreis ist ein entscheidender Faktor für den gesamt Markt. Getreideprodukte als Backwaren, Teigwaren, TK-Produkte, Müsli und Knabberartikel sind die beherschenden Rohstoffe auf dem Lebensmittelmarkt. Getreide als Futtermittel bestimmt auch die Bio-Preise mit bei Eiern, Milch und Fleisch.
Die Echtheit von Bio-Ware aus fernen Ländern wird oft bezweifelt. Die Zertifizierer und Anbau-Verbände arbeiten weltweit. Kontrolliert wird überall. Demeter ist eine globale Bewegung und deckt Verstöße auf, wie bei brasilianischen Orangen geschehen. Von den 20.000 Naturlandbetrieben befinden sich nur 4.000 in Deutschland. Verbandsware gibt es auch in Mexiko und anderswo.
Kontrollen schaffen Sicherheit
„Rückstände im Getreide, GMO Belastungen in Saatgut und Verarbeitungsware sind Themen mit deutlich wachsender Bedeutung“, beobachtet Getreidehändler Klaus Bergmann aus Kahl am Main. Für die Bergmann GmbH heißt das Sicherheit zuerst bei der Beschaffung. „Die Warenströme müssen getrennt laufen. Dort, wo Bio und konventionell auf der gleichen Anlage laufen, gibt es irgendwann das Problem der Vermischung“, hat sich für Bergmann gezeigt. Die strikte räumliche Trennung erfordert Investitionen für die oft kleinen Bio-Mengen. „Das macht die ohnehin schon teurere Bio-Ware nicht billiger“, bemerkt Heiko Grobecker von Tradin.
Auch verstärkte Rückstandskontrollen haben ihren Preis und ihre Grenzen. Die Standardtests erfassen nur 500 von 1.600 verwendeten chemischen Pflanzenschutzmitteln. Der Rückstandsanalyse sind Grenzen gesetzt. Stärkere Präsenz der Zertifizierer während der kritischen Zeiten auf dem Feld sind ein Weg zu noch mehr Sicherheit. Zudem muss die Rückverfolgbarkeit per Internet vom Erzeuger über den Rohstoffhändler und den Hersteller bis zum Verbraucher reichen.
Zusätzlich zu den vorgeschriebenen Kontrollen setzen Unternehmen wie die Bohlsener Mühle auf eigene Audits, zum Beispiel bei der Erzeugergemeinschaft Öko-Korn-Nord. Zusätzlich kontrolliert dort die staatliche Kontrollstelle. Die Bohlsener Mühle und der Bäcker, der das Mehl zu Backwaren veredelt, werden ebenfalls kontrolliert. Das Netz ist engmaschig, hier schlüpft nur der Glückliche durch.
Die Bio-Qualitäten haben sich verbessert. „Bei Produkttests schneidet die GEPA häufig mit gut oder sehr gut ab. Viele der neuen GEPA-Schokoladen haben beispielsweise eine DLG-Auszeichnung“, erklärt Brigitte Frommeyer vom Fairhandelshaus.
Anton Großkinsky