Start / Ausgaben / BioPress 63 - Mai 2010 / Bio-Feinkost entdecken

Bio-Feinkost entdecken

Maximilian’s in Konstanz hat sich biologischen Delikatessen verschrieben

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In der Fußgängerzone in Konstanz hat sich im September vergangenen Jahres ein Bio-Feinkostgeschäft niedergelassen. Auf 100 Quadratmeter präsentiert Inhaber Christoph Rieckh im Maximilian’s biologische Delikatessen. Bio-Kennerin und -Könnerin Elke Rieckh hat das Sortiment mit Liebe zu Delikatessen und feinem Essen zusammengestellt. Einige Ausflüge ins Konventionelle hat sie gemacht. „95 Prozent des Sortiments sind biologisch“, gibt sie Auskunft. 

Elke Rieckh zählt zu den bekanntesten Bio-Händlerinnen Deutschlands. In Heidelberg betrieb sie den Füllhorn Bio-Supermarkt mit der landesweit höchsten Flächenleistung. Bei der Rewe hob sie 2005 als Biokonzept-Geschäftsführerin das Format Vierlinden aus der Taufe. Jetzt führt sie mit Ehemann Christoph Rieckh das Bio-Feinkost-Geschäft Maximilian’s in Konstanz.

Die Geschäftsleute betraten Neuland, auch wenn es den einen oder anderen Bio-Feinkostladen gibt. Ein gängiges Format hat sich noch nicht herauskristallisiert. Der konventionelle Filialist Schlemmermeyer, der sich mit Wurst-Delikatessen in Innenstadt-Lagen deutscher Großstädten angesiedelt hat, inspirierte Christoph Rieckh.  Beeindruckt hat ihn die Frequenz des Schlemmermeyer. „Wie schafft er das?“, fragt er sich.


Maximilian's verführt zu Fleischeslust!

Umfeld für Bio-Feinkost

Ob ein Konzept mit Bio-Feinkost funktioniert, wird das Maximilan’s am Bodensee zeigen. Die Voraussetzungen für den Erfolg sind gegeben an dem Standort: Beste Einkaufslage in der Fußgängerzone. Die Kaufkraft und das reife Publikum in der Universitätsstadt sind weitere Vorteile. Konstanz grenzt direkt an die Schweiz an und hat natürlich auch von dort Zulauf. Elke Rieckh hat die Schweizer  als „dankbares und genussvolles Publikum“ schätzen gelernt. Das Umfeld stimmt.

In der Hussenstraße im Herzen des alten Konstanz verbirgt sich  hinter einer eher auffälligen, schmalen Schaufensterfront ein Gourmet-Tempel. Schmal und lang dehnt er sich auf 100 Quadratmeter Fläche aus. „Zu klein, auf 150 Quadratmeter würden wir uns leichter tun“, findet der Kaufmann schon jetzt. Im Ladenbau und beim Sortiment sind da Grenzen gesetzt.

„Den kleinen Laden zu bestücken ist schwerer als ein Sortiment für einen Bio-Supermarkt zusammenzustellen“, erzählt die erfahrene Bio-Händlerin Elke Rieckh. Sie hat schnell gelernt, dass nicht nur Feinkost drin sein muss in der Verpackung: „Was von außen nicht aussieht wie Feinkost, wird nicht akzeptiert.“ Ein Stoff-Deckchen über dem Marmeladen-Glas und Schreibschrift-Etikett ist die gefragte Anmutung. Kleider machen Leute.

Feinkost wird oft als Geschenk gekauft. Dieser Charakter fehlt dem Verpackungsdesign der Naturkostmarken in der Regel. Das Sortiment lässt sich nicht einfach aus einem Bio-Supermarkt extrahieren. Dennoch haben auch Bio-Fachhandelsmarken wie Arche, de Rit, Herbaria und La Selva eine Chance, sich zu behaupten.

Bedienung ist zentrales Element

Die Bedienungstheke ist das optisch beherrschende Element in dem Delikatessen-Geschäft. Kompetente Fachverkäuferinnen für Wurst und Käse sind unerlässlich für den Verkaufserfolg. Zweiter Baustein ist das Probieren. Damit soll der Kunde auf den Geschmack gebracht werden.

130 Käse- und 80 Wurst- und Schinkensorten hat Rieckh ausgesucht. Diese beiden Warengruppen stehen im Zentrum. Italienische Schinkenspezialitäten von Parma bis San Daniele schauen verführerisch aus der Theke. „Die italienischen Sorten werden bevorzugt“, berichtet die Verkäufern. Der spanische Serrano Schinken hat die Preisführerschaft bei 5,50 Euro pro 100 Gramm. Mit einem Schwarzwälder Bio-Schinken für 2,75 Euro kann der Kunde in die Welt der geräucherten und getrockneten Fleischeslust einsteigen.

Bei der Wurst sind es überwiegend Rohwürste wie Chorizo und Salami. Deutsche Delikatess-Salami kommt von den Hermannsdorfer Landwerkstätten. Der Käse und Feinkost Großhändler  Jürgen Würth aus Schwabach/Bayern steuert rohen Schinken und Salami zum Sortiment bei. Er vertreibt nur Wurstwaren ohne Nitritpökelsalz.

Die Käseauswahl ist hervorragend und wohl geordnet. Am Anfang stehen die Schaf- und Ziegenkäse. Die Kuhmilchkäse sind nach Ländern geordnet: Italien, Schweiz, Österreich, Deutschland, Frankreich, Niederlande und Österreich sind zu finden. Besonders das Schweizer Publikum geht gerne auf kulinarische Entdeckungsreise und sucht nach Länderspezialitäten aus anderen Käsenationen.  Schilcher Käsehandel aus Kinsau in Bayern beliefert das Maximilian’s. Frische Feinkost-Salate von Kugler und Kräuterbutter wie hausgemacht von Hubert & Regine runden das Thekensortiment ab.

Schon nach wenigen Monaten hat sich ein Alt-Konstanzer Stammpublikum gebildet. „Diese Kunden schätzen es, wenn Sie begrüßt werden beim Einkauf“, berichtet Rieckh. Sie besuchen auch gerne das Bio-Weißwurst-Essen am Samstagvormittag. Das noch junge Geschäft ist hier schon zu einem Treffpunkt der Szene geworden. Hier trifft sich nicht die Schicki-Micki-Klientel, sondern ein gediegen anspruchsvolles Publikum.

Wertvolle Zutaten werden durch aufwändige Verarbeitung zu Feinkost veredelt. Die Tarpa aus Ungarn bietet biologischen Fruchtmus mit Akazienhonig oder ungesüßt. Hier wird kein Zucker verkauft wie bei gewöhnlicher Konfitüre. Paprika-Paste und in Honig eingelegte Walnüsse aus dem Land der Magyaren bringen Gaumenfreude.

Bio-Feinkost aus dem Land der Magyaren

Edel-Brände zählen zur Feinkost. Die Bio-Brennerei  Hum­bel aus der Schweiz gehört hier zu den bekanntesten Namen. Die Liköre von Dwersteg aus dem Münsterland sind im Regal. Spirituosen von Grappa bis Gin sind in Bio erhältlich. Ein Bio-Weinregal mit internationalen Tropfen, Prosecco und Champagner laden zum Genießen ein.

60 Weine stehen zur Auswahl. Die Kunden bevorzugen lokale und regionale Herkunft, der aus biologischem Anbau aber Mangelware ist. Bei den alkoholfreien Getränken hat Elke Rieckh die Säfte von Beutelsbacher aus dem Ländle in der 0,2 Liter Flasche ausgewählt. Außerdem die Vita verda Säfte der Kelterei Elm aus Hessen.

„Feines aus dem Hegau“ von Markus Bruderhöfer kommt aus der Region. Ein Teil seiner Delikatessen stammt aus kontrolliert biologischem  Anbau (kbA), zum Beispiel die Bärlauch-Tomatencreme, die Paprika-Creme mit Chili. Sie können als Brotaufstrich verwendet werden. Biologische Gemüsepasten entstehen ebenfalls in der Feinschmecker-Werkstatt.

Vom Maison Papillon bezieht das Maximilian’s französische Bio-Pasteten. In einem Dorf in Südfrankreich werden die typischen Fleischwaren in einem Familienbetrieb seit drei Generationen nach alten Rezepten hergestellt. Die Zerkleinerung von Schwein, Geflügel und Fisch erfolgt einzig mit dem Fleischwolf. Nur Edelteile werden verarbeitet, kein Speck.  Roquefort-Käse und Kastanien werden von Hand zerkleinert und beigemengt. Das ist noch Lebensmittelhandwerk.

Der Kiebitzhof in Gütersloh/Westfalen liefert Wurst im Glas an den Bodensee. Mit eigener Bioland-Tierhaltung und Fleischverarbeitung sorgen die Behinderten-Werkstätten für authentische Produkte.

Weitgereiste Bio-Nudeln

Die Nudeln sind weitgereist aus Niedersachsen, ein Gebiet, das man eher mit Kartoffeln in Verbindung bringt. Die Nudelwerkstatt von Angelika Wilke liefert getrocknete Bioland-Ware, die mit Spinat, rote Beete, Basilikum, Bärlauch, Pilzen, Chili aufgewertet werden. Die bunten Teigwaren gefallen dem Auge und werden von den Kunden gut angenommen.

Die Huilerie Vigean aus Frankreich presst hochwertige Bio-Öle und ist damit in der Spitzengastronomie präsent. Walnuss-, Sonnenblumen- und Kürbiskerne werden unter anderem hergestellt. Im Supermarkt sind die Öle ob der kleinen Mengen nicht erhältlich. 

Pastöse Würzmittel gehören zu den klassischen Feinkost-Artikeln. Georgsenf mit den Minigläschen im Fünferpack wird traditionell produziert und eignet sich durch die Aufmachung auch als kleines Geschenk. Senfmüller Jörg  Hündorf vermahlt die Saaten kalt. Die Senfkörner werden von regionalen Bio-Bauern in der Nähe von Halle/Saale und von der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall (BESH) angebaut.

Die englische Aristokraten-Marke Duchy Originals, im Besitz des Prinzen von Wales, darf nicht fehlen. Die original englischen Chutneys, Pickles usw. werden weitgehend von Hand hergestellt. Ein Keks-Sortiment in Bio-Qualität, passend zu Tee und Kaffee, liefern die Briten ebenfalls.

Edle Kaffees sind wichtiger Bestandteil im Feinkost-Sortiment. Sie kommen von Florian Steiner, dem deutschen Röstmeister aus Heidelberg. Im Maximilans’s kann bei einem Einkaufsbummel durch die Innenstadt auch eine Kaffee-Pause eingelegt werden. Espresso, Capuccino und Latte Macchiato verspre­chen köstlichen Genuss.

Das Süßwaren-Regal wirkt verführerisch. Die Bruchschokolade von Bio-Hersteller Rosengarten ist ein Hingucker, der sich auch als  Geschenk eignet. Lanwehr aus Ulm ist mit Bio-Pralinen in Konditor-Qualität und aus regionaler Herstellung vertreten.


Inhaber Christoph Rieckh wird beraten von Ehefrau Elke.

Originelles und Originäres haben die Rieckhs gesucht und gefunden. Wenn sie genügend Kunden finden, die traditionelle Rezepturen und handwerkliche Qualität aus Bio-Rohstoffen schätzen, lässt sich das Format multiplizieren. „Bis jetzt sind wir noch in der Testphase. Wir bekommen auch viele Ratschläge von unseren Kunden, was wir anders und besser machen können“, berichtet Elke Rieckh. Die Kritik und Anregungen der Kunden gibt es als gratis  Unternehmensberatung.

Anton Großkinsky

 

[ Artikel drucken ]