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Gesundheit

Gesunde Argumente für den Bio-Kunden

Serie: „Gesundheit & Bio-Produkte“ – Teil 2

Im ersten Teil der Serie wurde herausgearbeitet, dass Gesundheit das Hauptmotiv für den Kauf von Bio-Produkten ist, und wie verschiedene Zielgruppen das Thema Gesundheit auffassen, welche Produkte sie bevorzugen, und wie man sie gezielt ansprechen kann. Entscheidende Voraussetzung ist aber eine wissenschaftlich fundierte Glaubwürdigkeit der Aussage, dass „Bio-Produkte gesünder sind“. Hierum geht es in der heutigen Folge.

In den Verbraucherbefragungen der letzten Folge wurde deutlich, das die besonders interessante Zielgruppe der 50+ Wert legt auf „biologisch reine, unbehandelte Lebensmittel“. Wie kann belegt werden, dass dieser Anspruch am besten von Bio-Lebensmitteln erfüllt wird?

Bio-Produkte: rückstandsfrei?

Bio-Produkte werden nicht mit chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln und Düngern behandelt. Dies ist eine der Grundvoraussetzungen einer biologischen Produktionsweise. Dennoch sind hier immer wieder skeptische Stimmen zu hören: „Kann da nichts vom Nachbarfeld herüberwehen? Die Felder liegen doch unter freiem Himmel, und der saure Regen fällt hier auch. Oder, wenn einer betrügen will, tut er es doch, wer kann das schon alles kontrollieren?“

Ein erstes und wichtiges Argument für den Kunden ist hier bereits, dass keine Produktionsweise so streng kontrolliert wird, wie der ökologische Landbau. Alle Stufen, vom Acker bis zur Ladentheke unterliegen strengsten Kontrollen. Die Gewähr für Sicherheit ist, im Vergleich zu herkömmlichen Lebensmitteln, greifbarer und glaubwürdiger.

Umfangreiches Kontrollsystem

Neben den Anbaukontrollen werden umfangreiche Analysen vorgenommen. Und weit mehr als gesetzlich vorgeschrieben: Die Kombination aus staatlicher Überwachung (beispielsweis das Ökomonitoring Analyseprogramm des Verbraucherschutzministeriums Baden-Württemberg) des Bundesverbandes Naturkost und Naturwaren (BNN) mit seinem Monitoringsystem, und unabhängigen Organisationen wie beispielsweise GREENPEACE hat ein dichtes Netz an Probenahme und Untersuchungen und damit ein weitgehend sicheres System geschaffen.


In Abb. 1 wird deutlich, wie stark der Unterschied in der Belastung ist. Bio Gemüse und Obst ist nicht absolut frei von Rückständen, aber statistisch wird deutlich, dass Bio-Ware mit dem Faktor hundert geringer belastet ist als konventionelle Ware.

Ergebnisse Öko-Monitoring Baden-Württemberg 2005

Über die Gefahren von Pestiziden wird zwar immer wieder gestritten, aber die Aussagen von Greenpeace sind eindeutig: „Die Pestizidbelastung bei konventionellem Obst und Gemüse ist mehr als Besorgnis erregend“, warnt Martin Hofstetter, Landwirtschafts-Experte von Greenpeace. „Pestizide können das Nervensystem schädigen, die Fortpflanzung beeinträchtigen oder Krebs erregen“.

Die Gefahren von Pestizid-Rückständen für den Fötus (Gehirnentwicklung) und eine nachteilige Beeinflussung der frühkindlichen Entwicklung (Untersuchungen aus 2008) sind Aspekte, die insbesondere für Schwangere und junge Familien von großer Bedeutung sind.

Neben Pestiziden kommt Nitraten (als Stickstoff wichtiger konventioneller Dünger) eine gefährliche Bedeutung zu: Die Abbauformen Nitrit und Nitrosamine sind eine mögliche Ursache für Krebs. Da verdienen diverse Untersuchungsergebnisse, die bei mehr als der Hälfte aller untersuchten konventionellen Lebensmittel einen im Vergleich zu Bio-Produkten höheren Nitratwert fanden, schon Beachtung!

Vergleich von Mehrfachrückständen

Die Situation bei Pestiziden wird durch eine Entwicklung der letzten Jahre noch komplizierter: Als Reaktion auf zunehmende Sensibilität der Verbraucher und neue Grenzwertfestlegungen wer­den vermehrt sogenannte „Cocktails“ aus mehreren Pestiziden eingesetzt, um so unter den Grenzwerten zu bleiben. Gerade die Wechselwirkungen von Pestiziden untereinander sind aber weit­gehend unerforscht und bergen unkalkulierbare Risiken. In einem Vergleich (Abb.2.) zwischen Untersuchungsergebnissen von konventionellen und biologischen Produkten wird dies sehr deutlich: Über 60 Prozent der konventionellen Proben enthielten Pestizide, und bei über 40 Prozent waren es Rückstände mehrerer Pflanzenschutzmittel!

Schon allein diese vielfach geringere Belastung mit Pestizid- und Nitrat-Rückständen von Bio-Produkten und die damit höhere Sicherheit ist ein klares, verständliches Argument für den Kunden. Die Vermeidung von gesundheitlichen Risiken ist wesentlich wahrscheinlicher. Und die Erwartung an ein „biologisch reines“ Lebensmittel ist damit am ehesten erfüllt. Nicht 100 Prozent rückstandsfrei, aber 100fach weniger belastet!

Verarbeitung

Wenn ein Kunde zu Ihnen kommt und über Allergien und Unverträglichkeiten klagt, über Kopfschmerzen und  Hautausschläge, kann dies vielfältige Ursachen haben. Eine kann aber auch in der industriellen Technologie der Lebensmittelverarbeitung begründet sein. Die Verwendung von vielfältigen Zusatzstoffen in der Weiterverarbeitung von Lebensmitteln ist heute weit verbreitet. Es werden häufig Konservierungsstoffe, Geschmacksverstärker, künstliche Farbstoffe und Aromen sowie künstliche Süßungsmittel verwendet. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass bei regelmäßigem und zu hohem Verzehr ein erhöhtes Risiko bezüglich Unverträglichkeiten und Allergien besteht. Auch Hyperaktivität bei Kindern kann hierdurch bedingt sein.

Die Bio-Verordnung erlauben nur die Färbung mit färbenden biologischen Lebensmitteln, von natürlichen Aromen, der Einsatz von Geschmacksverstärkern ist vollkommen verboten. Die Verbände gehen hier in der Regel noch weiter.

Neben diesen offenkundigen Aspekten der Vermeidung von Risiken durch schädliche Stoffe wie Pestizide, chemische Substanzen und Zusatzstoffe in der Verarbeitung gibt es noch einen weiteren wichtigen Aspekt: das Verbot des Einsatzes von Gentechnik im ökologischen Landbau. Zwar kann auch hier aufgrund der Verbreitung durch Wind etc. keine 100 prozentige Rückstandsfreiheit garantiert werden, aber es sind sehr niedrige Grenzwerte angesetzt, die zudem bei Kontrollen, beispielsweise dem baden-württembergischen Öko-Monitoring von 2007, noch niedriger lagen, nämlich immer unter 0,1 Prozent.

Eine Literaturliste der verwendeten wissenschaftlichen Untersuchungen kann beim Autor angefordert werden.

 

 

Bio-Produkte minimieren die Risiken:

  1. Kein Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden führt zu zirka 100fach niedriger Belastung.

  2. Das Verbot von Glutamat, künstlichen Farbstoffen und Aromen führt zu hiervon unbelasteten Bio-Produkten.

  3. Kein Einsatz von Gentechnik in der Produktion und Grenzwerte von max. 0,9 Prozent minimieren das Risiko erheblich.

Vorschau Teil 3:

Schwerpunkt dieses Teils war die Risikominimierung und Nachweis über die geringe Belastung von Bio-Produkten. Im nächsten Teil werden die ganzheitlichen Aspekte und positiven Wirkungen von Bio-Produkten untersucht.

Der Autor:

 

 

Dr. Peter Schaumberger (46) ist seit 25 Jahren in der Bio- Branche tätig und kennt sowohl die landwirtschaftlichen Grundlagen als auch die Besonderheiten der Weiterverarbeitung von Bio-Lebens­­- mitteln aus eigener Praxis. Über 13 Jahre war er als Geschäftsführer für Bioland und Demeter tätig. Seine Themenschwerpunkte neben Bio sind Gesundheit und Fair trade. Der Unternehmer berät unter anderem die World fair Trade Organization.

 

 

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