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Beeinflusst das Mikrobiom auch die Augen?

Forschung findet Hinweise auf eine Darm-Netzhaut-Achse

Beeinflusst das Mikrobiom auch die Augen? © pixel-shot.com (Leonid Yastremskiy)

Mit vielen Milliarden Einzelorganismen und bis zu zwei Kilogramm Gesamtmasse ist die Mikrobengemeinschaft im menschlichen Darm ein ernstzunehmender Faktor für die Gesundheit. Von Adipositas über Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zur Alzheimer-Demenz werden viele Erkrankungen mit einer Störung des mikrobiellen Gleichgewichts in Verbindung gebracht. Aktuelle Studien deuten nun darauf hin, dass der Einfluss des Mikrobioms auch bis ins Auge reichen könnte.

Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) ist mit rund sieben Millionen Betroffenen in Deutschland eine regelrechte Volkskrankheit. „Schätzungen zufolge betrifft die Netzhauterkrankung rund jeden 4. Menschen über 65 Jahre in Deutschland“, sagt Privatdozentin Petra Larsen, die an der Universitäts-Augenklinik Bonn tätig ist. Im Verlauf der chronisch fortschreitenden Erkrankung büßt der Bereich des schärfsten Sehens im Zentrum der Netzhaut mehr und mehr an Funktion ein. „In den Industrieländern ist die AMD die häufigste Ursache für Erblindung“, so Larsen.

Welche Mechanismen bei der Entstehung einer AMD am Werke sind, ist trotz intensiver Forschung noch nicht vollständig verstanden. Als gesichert gilt, dass neben dem Alter als wichtigstem Risikofaktor auch die familiäre Veranlagung eine Rolle spielt. Auch sind Raucher häufiger betroffen als Nichtraucher. Als weitere bedeutsame Einflussfaktoren haben sich chronische Entzündungen und andere fehlgeleitete Immunprozesse herausgestellt. „Solche Ungleichgewichte und Fehlregulationen in der Immunabwehr werden auch im Zusammenhang mit Störungen des Darmmikrobioms beobachtet“, erläutert Larsen.

Zu einer ungünstigen Verschiebung der Mikrobiom-Zusammensetzung, einer sogenannten Dysbiose, kann es unter anderem durch eine ungesunde Ernährung, chronischen Stress, Erkrankungen oder durch die Einnahme von Medikamenten kommen. Die Dysbiose selbst kann dann wiederum weitreichende Folgen für den ganzen Körper haben. Unter ihrem Einfluss kann die Darmwand durchlässiger werden, sodass sowohl bakterielle Bestandteile als auch bakterielle Stoffwechselprodukte und entzündungsfördernde Stoffe in den Blutkreislauf gelangen.

„Experimentelle Studien deuten darauf hin, dass diese Substanzen auch in das eigentlich immunologisch geschützte Gewebe der Netzhaut gelangen können“, berichtet die Augenärztin. Dann könnten sie dort auch an degenerativen Prozessen beteiligt sein. Andere Studien hätten Unterschiede in der Zusammensetzung des Mikrobioms bei Probanden mit und ohne AMD nachgewiesen, was wiederum auf eine Verbindung von Darmflora und AMD schließen lasse.

Durch kleine Teilnehmerzahlen seien viele der erwähnten Studien noch limitiert, räumt Larsen sein. Es brauche größere Studien mit längeren Beobachtungszeiträumen, um gesicherte Erkenntnisse zu erzielen. „Sollten sich die Zusammenhänge jedoch bestätigen, könnten bestimmte Markersubstanzen im Blut – wie beispielsweise Bakterienbestandteile – künftig auch diagnostisch bedeutsam für frühe AMD-Stadien werden“. Im Idealfall könnten sich sogar therapeutisch-präventive Ansätze ergeben, die an der Zusammensetzung des Mikrobioms angreifen. Die Hoffnung ist, die Darmflora über Ernährungsinterventionen, probiotische Nahrungsergänzungsmittel oder Ähnliches gezielt so modulieren zu können, dass auch die AMD positiv beeinflusst wird.

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