Gesundheit
Bio begünstigt artenreiche Darmflora
Eosta fördert Studie über die mikrobielle Vielfalt in Boden, Nahrung und Darm

Das Mikrobiom – also die Gesamtheit der Mikroorganismen – spielt eine wichtige Rolle für die menschliche (Darm-)Gesundheit. Wie aber kann man den Artenreichtum an Darmbakterien im Körper durch Ernährung und Lebensstil beeinflussen? Der niederländische Bio-Großhändler Eosta unterstützt eine Studie der Stiftung Bac2nature und der Universität Maastricht, die den Zusammenhang zwischen der Art des Anbaus, der mikrobiotischen Artenvielfalt und der Verdauung untersucht.
Schon eine österreichische Studie aus dem Jahr 2019 zeigte, dass die Artenvielfalt der Bakterien in einem Bio-Apfel viel größer ist als die im konventionellen Pendant. Überraschenderweise war der Großteil der Bakterien nicht auf der Apfelschale zu finden, sondern in Fruchtfleisch und Kerngehäuse.
Volkert Engelsman, CEO von Eosta, erklärt: „Es ist schon lange bekannt, dass die intensive Landwirtschaft die Vielfalt der Arten an Mikroorganismen im Boden ausdünnt. Jetzt wurde erstmals nachgewiesen, dass die intensive Landwirtschaft auch das Mikrobiom in unseren Lebensmitteln reduziert. Und das ist wahrscheinlich nicht förderlich für unsere Gesundheit.“
Bac2food untersucht mikrobielle Zusammenhänge
Marco van Es, Gründer der Stiftung Bac2nature geht einen Schritt weiter und fasst zusammen: „Die biologische Vielfalt ist das Herzstück unserer Gesundheit". Gemeinsam mit der Universität Maastricht und der VU Universität Amsterdam hat die Stiftung 2020 eine Studie (Bac2food) ins Leben gerufen, die nun die Zusammenhänge zwischen der mikrobiellen Vielfalt in Gemüse und Obst und der Verdauung genauer untersuchen will. Dank der stark gesunkenen Kosten für DNA-Analysen sei es jetzt viel einfacher, die Artenvielfalt des Mikrobioms in Lebensmitteln und im Körper zu untersuchen.
Der Einfluss des Mikrobioms auf die Gesundheit ist groß. Die Forschung zeigt, dass Mikroorganismen eine wichtige Rolle bei Unter- und Übergewicht spielen können; zudem beeinflussen sie über das Immun-, Nerven- und Kreislaufsystem all unsere Organe. Die bei weitem meisten Bakterien (sowie Pilze und andere Mikroorganismen) im menschlichen Körper befinden sich in unserem Verdauungssystem. Auch scheint ein klarer Zusammenhang zwischen einer artenreichen Darmflora und der Gesundheit zu bestehen. So zeigen Forschungsergebnisse unter anderem, dass gesunde 90-Jährige mehr Arten an Darmbakterien besitzen als durchschnittliche Erwachsene.
Die Biodiversitäts-Hypothese besagt, dass der Kontakt mit der natürlichen Umgebung das menschliche Mikrobiom bereichert, was zu einem verbesserten Immunsystem sowie zum Schutz vor Allergien und entzündlichen Erkrankungen führt. Die Vermeidung des Kontakts mit dem natürlichen Artenreichtum (zum Beispiel durch den Verzehr vieler industriell verarbeiteter Lebensmittel oder durch eine einseitige Ernährung) kann sich daher negativ auf das Immunsystem auswirken. Die Wissenschaftler sind sich einig, dass der Kontakt mit einer großen Vielfalt von Mikroorganismen in jungen Jahren wichtig ist, um ein überaktives Immunsystem zu verhindern.
Begründung durch die Evolution
Es gibt auch evolutionäre Argumente für die Bedeutung der biologischen Vielfalt in unseren Lebensmitteln und in unserer Umwelt. Der Mensch hat sich so entwickelt, dass er mit einer großen Vielfalt von Organismen in seinem Lebensumfeld und in seinem Körper koexistiert. „Und die Evolution funktioniert so, dass sie aus unvermeidlichen Umständen auf Dauer notwendige Lebensbedingungen macht", sagt Marco van Es. Der westliche Lebensstil habe einen schlechten Einfluss auf das Mikrobiom im Körper. Völker, die als Jäger und Sammler leben (zum Beispiel die Hadzas in Tansania), scheinen die höchste biologische Vielfalt in ihrem Verdauungstrakt zu besitzen, gefolgt von Völkern, die traditionelle Landwirtschaft betreiben. Menschen, die in westlichen urbanisierten Gesellschaften leben, stehen am unteren Ende dieses Vergleichs. In den sogenannten ‚Blauen Zonen‘, also den Gebieten der Erde, in denen Menschen besonders lange leben, ernähren sie sich zum Großteil frisch, saisonal und von selbst erzeugten Produkten – und profitieren so von einer artenreichen Darmflora.
Auch wenn es auf der Hand zu liegen scheint, gilt es in der Wissenschaft noch nicht als erwiesen, dass das Mikrobiom in Lebensmitteln auch das Mikrobiom im Körper beeinflusst. Schließlich durchlaufen die Bakterien, die wir essen, zunächst ein Magensäurebad und andere Verdauungsprozesse. Eine Studie, die im Mai 2020 in Nature veröffentlicht wurde, lieferte jedoch den ersten direkten Beweis dafür, dass unsere Nahrung das Mikrobiom unseres Darms beeinflusst; fermentierte Lebensmittel scheinen unseren Darm und unser Blut mit Milchsäurebakterien zu versorgen. Darüber hinaus gibt die DNA-Forschung eine klare Richtung vor: Das Genom lässt vermuten, dass unsere Darmbakterien alle von Nahrungsbakterien abstammen.
Balance zwischen Hygiene und Artenvielfalt
Eine entscheidende Frage, so Marco van Es von Bac2nature, müsse lauten: Wie kann man den Artenreichtum an Darmbakterien im Körper durch Ernährung und Lebensstil beeinflussen? Schließlich könne man nicht einfach herumlaufen und Schlamm oder verdorbene Lebensmittel essen – mangelnde Hygiene kann lebensgefährlich sein, wie massenhafte Lebensmittelvergiftungen in der Vergangenheit gezeigt haben. Die Frage ist also, wie sich Lebensmittelsicherheit und Mikrobiom-Kontakt am besten miteinander kombinieren lassen.
Um diese Frage zu klären, sind umfangreiche Untersuchungen nötig. Eosta unterstützt seit April 2021 das Projekt Bac2food, in dem untersucht wird, ob frisches, roh verzehrtes und in einem Boden mit artenreichem Mikrobiom gewachsenes Obst und Gemüse einen positiven Effekt auf das Verdauungssystem hat. Die ersten Ergebnisse werden im Oktober oder November 2021 erwartet und sollen Anfang 2022 veröffentlicht werden. Die Forschungsarbeiten werden von Iris van Zoelen von der Universität Maastricht unter der Leitung von Professor Koen Venema (Maastricht) und Professor Roel Kort (VU Amsterdam) durchgeführt. Die Untersuchung befasst sich speziell mit den Anbaumethoden von Tomaten, Gurken, Paprika und Salat, wobei zu beachten ist, dass Tomaten, Gurken und Paprika in Gewächshäusern angebaut werden, während Salat im Freiland angebaut wird.
„Werden wir uns darüber klar, dass Mikroorganismen eine Voraussetzung für Leben sind!“, ruft Volkert Engelsman auf. „In der Vergangenheit galten Bakterien immer als Feind, als Krankheitserreger. Erst in den letzten Jahren ist deutlich geworden, dass Bakterien in erster Linie Partner und unverzichtbare Helfer sind, um die Gesundheit von Mensch und Planet im Gleichgewicht zu halten. Deshalb müssen wir weg von der Chemie, zurück zur Biologie.“