Start / Ausgaben / BioPress 62 - Februar 2010 / Biologische Prärie

Kanada

Biologische Prärie

Wo einst Bisons grasten, wächst heute Bio-Weizen


Konrad Zachharias hat eine biologisch-gehaltene Milchkuh-Herde der Rasse Holstein-friesisch (links). Prof. Martin Entz vor seinem Weizen-Versuchsfeld (rechts).{_umbruch_}{_umbruch_}

 

 

 

Die Mission Bio-Getreide startete das kanadische Landwirtschaftsministerium für Mittel-Europa. Bio-Rohstoffhändler aus der Schweiz, den Niederlanden, Dänemark und Deutschland sammelten Infos und Kontakte mit kanadischen Bio-Lieferanten. Die zentral gelegenen Provinzen Saskatchewan und Manitoba in der schier endlosen Prärie sind die Kornkammer des Landes. Auch Bio-Getreide gibt es mehr als in Kanada selbst verbraucht wird. Exporte in die USA und ins dicht besiedelte Europa werden daher von der Regierung gefördert.

Zwischen Saskatoon und der Hauptstadt Regina in der Provinz liegt die Taylor-Farm. Arnold Taylor haben vor 17 Jahren umgestellt. Taylor ist ein Bio-Pionier in Kanada. Als Mitglied der OCIA International, ein Verband für Bio-Zertifizierung, empfängt der Öko-Vorkämpfer Taylor die Gruppe aus Europa.

„Ich habe oft Praktikanten aus Europa. Aus welchen Ländern kommen sie?“ fragt der Bio-Farmer. Zu Deutschland fällt ihm ein: „Von dort hatte ich auch schon Praktikanten. Die waren sehr fleißig.“ Auch das heutige Deutschland transportiert die Klischees an Bord eines Flugzeuges  über den Atlantik.

Die Getreidehändler Klaus Bergmann von Getreide-Bergmann aus Kahl, Wilhelm Pelizäus von Agravis in Münster, Ronald Fischer von Calciumagro in Bern, Bruno Fischer von Granosa in St. Gallen, und die Rohstoffhändler Sandra Wegenaar von Do-it in den Niederlanden und Ejner Bogild aus Dänemark können sich von den komplett anderen Anbaubedingungen überzeugen.
Rund 1.200 Hektar zusammen­hängendes Land misst die Taylor-Farm. Ein unbefestigter Feldweg markiert die Grenze zum Nachbar-Hof. „Das ist Canola“, zeigt er auf den Acker gegenüber. Die GMO-Öl-Frucht gefällt ihm nicht. Sonst versteht er sich gut mit dem anderen Farmer.

Ein Klima der zwei Jahreszeiten prägt das Landleben von Taylor und seinen Kollegen. Acht Monate Winter und vier Monate Sommer mit kurzen Übergängen bestimmen den Rhythmus. Plus 25 Grad am Tage und Minus fünf  in der Nacht kann es bereits im September geben. Im Winter wird das Land bei Minus 40 Grad tiefgefroren und im Sommer auf 40 Grad aufgeheizt.

Regenschirme werden hier wenig verkauft. Die Wolken werden weiter im Westen von den Rocky Mountains abgefangen. In der Mitte Kanadas mussten schon Farmer wegen Dürre aufgeben. Die zahlreichen Bewässerungsanlagen auf den Feldern sind stumme Zeugen des Wassermangels.

Getreide, Erbsen und Linsen baut Farmer Taylor an. Anfang September steht der Bio-Weizen noch auf  den Feldern. Mitte des Monats ist Ernte. Nur 110  Tage Vegetationszeit hat die Prärie mit einer Sicht soweit das Auge reicht ohne einen Baum und Hügel. Es ist eben Grasland. Was macht ein kanadischer Bauer  im Winter? „Einen Verband gründen und gut planen für das nächste Jahr“, scherzt Taylor.

Rinder ganzjährig draußen

Ein Stück Grünland für eine kleine Rinderherde hat er ebenfalls. Die Tiere sind ganzjährig draußen. Sie schützen sich vor dem kalten Winter-Wind in kleinen Senken, die es hier überall gibt. Einen Stall hat Taylor gar nicht gebaut. Auch keine Scheune für das Heu. Es lagert im Freien. Die Trockenheit macht es möglich. Vor der Besiedlung vor 100 Jahren grasten hier Bisons. Auch heute werden noch welche gehalten. Allerdings nicht bio-zertifiziert. Das Fleisch ist grobfaserig, dunkel und zart.

Bio-Weizen findet hier ideale Anbau-Bedingungen vor und  ist das Hauptprodukt der Öko-Farmer. Hartweizen, der für  Teigwaren gebraucht wird,  gedeiht ebenfalls prächtig. In Deutschland wächst klimatisch bedingt kein Durum. Biologischer  Dinkel, Roggen und Gerste werden ebenfalls in geringerem Umfang gesät.

Für Mais ist die Vegetationsperiode in der Prärie schon zu kurz. Bio-Hülsenfrüchte Erbse und Linsen werden kultiviert und vereinzelt Flachs für Leinsaat und Hanf. Das sind aber kleine Produkte, auch wenn ein Großteil der biologischen Weltproduktion aus Kanada stammt.  

Zwei Flugstunden weiter in der Provinz Manitoba betreibt Conrad Zacharias in Reinland nahe der kanadisch-amerikanischen Gren­ze einen Bio-Milchbetrieb mit 40 Kühen. Vor acht Jahren hat er umgestellt, und hat es keinen Tag bereut.


Conrad Zacharias’ Milch wird in Flaschen von Organic Dairy abgefüllt.

 

Die Kühe fressen Gras, Heu, Silage, wenig Kraftfutter. „Kühe sind nun mal Grasfresser, gibst Du ihnen zuviel  Kraftfutter, um die Milchleistung zu steigern, werden sie krank und man braucht den Veterinär“, führt Zacharias die Vorteile der Bio-Landwirtschaft ins Feld.

„Ich spare jeden Tag pro Kuh einen Bug (Dollar) an Kraftfutter. Ich muss weniger für den Tierarzt bezahlen, und bekomme mehr Geld für meine Milch“, macht er die Rechnung auf. 60 Euro-Cent sind es aktuell. Damit lässt sich wirtschaften. In einem Pick-up fährt er über seine Felder. An seinem Kompost hält er an und schaut auf das Thermometer. Wenn er Umgebungstemperatur hat, ist er fertig. Weiter geht es zum Mais-Feld. Hier wächst sein Kraftfutter.

Seine Milch wird  in einer nahegelegenen Molkerei angenommen und wird im Osten des Landes in den Ballungsräumen unter der Marke Organic Dairy in den Supermärkten abgesetzt. Organic Dairy hat ihm eine Abnahmegarantie von sechs Jahren mit 30 Prozent Aufschlag auf den konventionellen Milchpreis gegeben. Der staatliche  Landwirtschaftsberater Marc Boulanger schaut sich den Hof an: „Conrads Betrieb funktioniert prächtig“, ist sein Fazit.

Weiter geht es mit Boulanger auf dem schnurgeraden Highway. Versuchsfelder sind das Ziel. Der Blick schweift suchend bis er das Ziel gefunden hat. Der Geländewagen biegt in einen unbefestigten Feldweg  ab und steuert einen Pavillon an. „Den haben meine Studenten gebaut“,  erzählt Professor Dr. Martin Entz.

Auf der Versuchsfarm der Universität Manitoba leitet der Agrarwissenschaftler seit 18 Jahren ein Dauer-Forschungsvorhaben zum Vergleich der beiden Systeme bio und konventionell. Soja, Leinsaat, Weizen und Hafer werden biologisch und konventionell angebaut. Ein Feld wird mit und ein Feld ohne Gründüngung bewirtschaftet.

Bio ist nachhaltig

Gemessen wird der Ertrag in Kalorien und die Nachhaltigkeit in Form des Energieverbrauchs. Den höchsten Ertrag bringt wenig überraschend ein konventioneller Fruchtwechsel. Allerdings ist der Energieverbrauch hier am höchsten.

Die biologische Fruchtfolge mit Gründüngung bringt etwas weniger Ertrag bei deutlich geringerem Energieeinsatz. „Das ist erheblich nachhaltiger“, bewertet der Wissenschaftler die  unterschiedlichen Systeme.

Das praktische Wissen wird weitergegeben an die Landwirte, damit es auch in Zukunft noch intakte fruchtbare Böden gibt. Nachhaltigkeit ist genau der Vorteil der Bio-Landwirtschaft gegenüber der herkömmlichen Wirtschaftsweise.

Anton Großkinsky

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