Kanada
Bio-Kanada is(s)t anders
Supermärkte führen landestypisch wenig Schokolade aber viel Popcorn
Mit Obst und Gemüse versucht Safeway, Kunden für Bio zu gewinnen. Ahornsirup ist ein typisches Produkt für Kanada.Der Kanadische Bio-Binnenmarkt hat sich innerhalb von drei Jahren verdoppelt und wurde 2008 auf ein Volumen von 1, 3 Milliarden Euro geschätzt. Das Wachstum ist rasant. Die Biovermarktung wird geprägt von den Naturkost Supermärkten, von den Vollsortimentern und vom Discount. Zu den Naturkost-Supermärkten zählt die Bio-Spezialistin Chantal Jacobs aus Saskatoon auch Whole Foods. Nach diesen Maßstäben wäre tegut ein Bio-Supermarkt. Mit Discount ist in Kanada Walmart gemeint. Der größte Vollsortimenter in Kanada heißt Safeway und stammt aus dem US-amerikanischen Kalifornien. In Deutschland ist der Filialist mit Edeka und Rewe zu vergleichen ist.
In der Provinz-Hauptstadt Regina betreibt Safeway sechs Märkte. Der größte davon verkauft auf 5.000 Quadratmetern auch ein umfangreiches Bio-Sortiment. Zum Vollsortiment fehlen Bio-Fleisch und -Fisch. „Die meisten Bio-Produkte hier kommen allerdings aus den USA“, klärt Adam Smith von der Landwirtschaftsveraltung in Saskatchewan auf.
Smith kennt den Bio-Markt und ist selbst Bio-Konsument: „Der Bio-Markt wächst und erreicht die Mitte der Gesellschaft. Bio gibt es heute in jedem Supermarkt. Die Angebotsvielfalt hängt von der Größe des Geschäftes ab.“
Das Basissortiment bildet Organics, englisch für Bio. Mit mehr als 300 Artikeln entspricht es im Umfang dem Angebot der Bio-Zentrale in Deutschland. Allerdings bietet der in den USA beheimatete Hersteller auch gekühlte und tiefgekühlte Produkte an.
Eine Besonderheit sind die angebotenen 13 Sorten Trinkmilch in den Stufen Vollmilch, fettreduziert (zwei Prozent) und wenig Fett (ein Prozent). Außerdem gibt es Bio-Milch mit Vitaminzusatz. Besonders umfangreich mit mehr als 40 Produkten ist auch das Angebot an Säuglings- und Kinder-Nahrung.
Je vier Sorten biologischer Erdnussbutter und biologischen Popcorns zeigen die Ernährungsunterschied zwischen Europa und Nordamerika. Das Bio-Fleischsortiment besteht gerade mal aus vier Würstchen, eines davon aus Soja. Der Biokonsument Adam Smith: Ich habe noch nie Bio-Fleisch gekauft“. So bestimmt das Angebot die Nachfrage.
Regionale Produkte sind Fehlanzeige. „Typischerweise unterstützen Ketten nicht die lokalen Hersteller“, bemerkt Smith. Safeway glänzt mit einer gepflegten Obst und Gemüse-Abteilung mit viel Bio zu, aus deutscher Sicht, annehmbaren Preisen. Ein Pfund (500 Gramm) Tomaten kostet umgerechnet 1,50 Euro.
Frische Bio-Salate, Winter-Gemüse wie Rote Beete und Weißkraut werden geführt, To-Go-Produkte wie Fingermöhren ebenfalls. In der Gemüse-Abteilung steht auch ein Kühlregal mit Bio-Pilzen und geschnittenen Bio-Salaten. Eine reiche Auswahl an Topfkräutern gibt es ebenfalls. Hier wird hochwertig präsentiert und verkauft.
Bei Bio-Äpfeln sorgen der gelbe Delicious und der rote Gala für ein farbiges Bild. Zitrusfrüchte wie Grapefruit, Steinobst wie Nektarinen, Südfrüchte wie Ananas und Bananen unter der Marke Dole bringen Abwechslung und Auswahl ins Bio-Sortiment.
Auch in Bio wird ganzjährige Versorgung angestrebt. „Unsere Saison dauert 52 Wochen im Jahr. Wir beschaffen Bio-Erdbeeren, wenn es irgendwo welche gibt“, antwortet Marktleiter Wayne Smith. Den Bio-Anteil in seiner O+G-Abteilung gibt er mit 25 Prozent an. Auf ungläubige Nachfrage kommt ein Kopfnicken und ein „Yes“. Die Nachfrage sei in den letzten drei Jahren enorm gestiegen.
Zweiter großer Bio-Vermarkter in Kanada ist der Edel-Filialist Whole Foods aus den USA. In Oakville in der Provinz Ontario betreibt Whole Foods eine seiner kanadischen Verkaufsstellen. Hier im Großraum Toronto, dem Wirtschaftszentrum Kanadas, ist Kaufkraft für eine anspruchsvolle Lebensmittel-Vermarktung vorhanden. Die Großfläche von rund 5.000 Quadratmeter beherbergt eine üppige und prächtige Fleisch- und Fischtheke. Bio sucht der Kunde da aber vergeblich. Auch Industriemarken wie Kühne aus Deutschland oder Ricola aus der Schweiz werden im konventionellen Sortiment geführt.
Bei Obst und Gemüse liegt der Schwerpunkt deutlich auf biologischer Erzeugung. Mit tollen Aufbauten wird ein breites und tiefes Bio-Sortiment präsentiert. Mit geschnittenen Bio-Salaten und -Gemüse ist man dem deutschen Supermarkt in puncto Bio-Convenience einen Schritt voraus.
Das TK-Sortiment ist in Kanada so üppig wie in den USA. Pute, ein in der amerikanischen Küche beliebter Vogel, ist auch hier in Kanada in Bio-Qualität zu finden. Im Unterschied zu Deutschland gibt es ein ganzes Fach im TK-Schrank mit Bio-Eis der Marke „Organic Meadow“. 500-Milliliter gelten jenseits des Atlantiks als Kleinpackung.
Bei Feinkost ist Whole Foods mit Bio-Würzmitteln von Ketchup, Senf, Mayo, Worcestershire-, Grill-Soßen und zahlreichen Salat-Dressings gut aufgestellt. Die Kanadierin scheint bevorzugt zu Convenience zu greifen. Bio-Erdnussbutter ist ein Pflichtartikel. Kokosbutter aus kontrolliert biologischem Anbau kann ebenfalls gekauft werden. Bio-Muse wie Cashew, Hasel- und Walnuss sowie Kakao buhlen um die Gunst der Kunden. Zwölf Bio-Fruchtaufstriche einschließlich Goji waren zu zählen. Ahorn-Sirup ist im Land des Ursprungs natürlich auch in Bio-Qualität vorhanden.
Die Süßwaren-Abteilung ist insgesamt nicht üppig. Nur wenig Schokoladen aus kontrolliert biologischem Anbau (kbA) ist zu finden. Cacao camino macht mit fairer Bio-Schokolade gerade eine Verkostung. Bei Popcorn ist die Auswahl auch in Bio groß.
Eine Vorliebe für Getreideprodukte ist vorhanden. Müsli, Haferbrei, Flocken für ein gesundes Bio-Frühstück sind in größerer Auswahl vorhanden als in deutschen Supermärkten. Andere Länder, andere Bio-Sortimente.
Bio nicht nur im Supermarkt
Zum Wochenmark in der Provinzhauptstadt Regina kommen auch Bio-Gärtner wie die Helitrop-Farm.Es gibt in Kanada auch den Fachhandel. Pionier in Regina ist Body Fuel Organcis, was soviel bedeutet wie Bio-Körperkraftstoff. Das Unternehmen sitzt im Gewerbegebiet der Provinz-Hauptstadt und betreibt dort einen Lieferservice und ein kleines Bio-Fachgeschäft in Wohnzimmergröße. Mit zehn Kunden wäre der Verkaufsraum überfüllt.
Die Obst- und Gemüse-Abteilung besteht aus einem Tisch. Die Auswahl ist geringer als bei Safeway. Allerdings gibt es Kochbananen, die der Supermarkt-Riesen nicht hat. Außerdem werden Naturkosmetik, Nahrungsergänzung und Duftkerzen angeboten. Das Hauptgeschäft wird mit Abo-Kisten gemacht. Die Verkaufstelle ist für Verbraucher gedacht, die vorher sehen wollen, was sie kaufen. Bio-Geschäfte gibt es nicht einmal eine handvoll in der 193.000 Einwohner zählenden Stadt Regina.
Dafür hat Regina einen Bauernmarkt, der seinen Namen verdient. Die Stände sind kleiner als hierzulande gewohnt. Die meisten Markt-Händler verkaufen lediglich die eigenen Produkte. Dean und Sylvia Kreutzer sind Stadtflüchtlinge und betreiben die Over the Hill Ochards (Obstgärten über dem Berg). „Wir sind aufs Land gezogen und haben da unser Glück versucht“, erzählt Sylvia Kreutzer, während sie eine Probe ihres Kirschsaftes ausschenkt.
Die selbst angebauten biologischen Sauerkirschen, Äpfel, Aprikosen und Pflaumen verarbeiten die Obstbauern zu Sirup, Marmelade und schokolierten Kirschen. Die frischen Schoko-Kirschen sind im Kühlschrank zehn Tage haltbar. Abgesetzt werden die Produkte über Bio-Fachhändler, Feinkostgeschäfte und auf dem Bauernmarkt.
Die Heliotrop Farm pflanzt auf fünf Hektar Obst und Gemüse an. „Die Nachfrage ist riesig. Unser regionales, frisches Bio-Gemüse verkauft sich fast von selbst“, berichtet Rick Letwinka. Der Farmer will seine Anbaufläche verdoppeln.
Biologische Landgurken und alte Tomatensorten kultiviert der Alternativ-Landwirt. Damit unterscheidet er sich von dem Bio-Gemüse, das die Supermärkte anbieten. Neben dem Direktverkauf auf dem Markt beliefert die Farm ein Naturkostfachgeschäft und ein Restaurant.
Mehr Popcorn, mehr Eis, mehr Getreideprodukte, weniger Schokolade, frisches Brot und Fleisch als auf dem deutschen Markt. So präsentiert sich das kanadische Bio-Angebot im Einzelhandel aktuell.
Anton Großkinsky