Agrarwende
‚Wir haben es satt!‘-Bündnis protestiert für zukunftsfähige Landwirtschaft
Kundgebung zur Sonder-Agrarministerkonferenz

Heute hat das ‚Wir haben es satt!‘-Bündnis vor der NRW-Landesvertretung in Berlin gegen weitere Rückschritte in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU protestiert. Anlass ist die dort tagende Sonder-Agrarministerkonferenz, bei der sich die Agrarminister der Bundesländer mit Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) auf eine gemeinsame Position zur GAP nach 2027 verständigen wollen.
Unter der Überschrift ‚Zukunftsfähige Landwirtschaft nicht wegschieben – Umwelt- und Tierschutz für Bäuer*innen wirtschaftlich machen!‘ fordert das ‚Wir haben es satt!‘-Bündnis – ein Zusammenschluss aus Bauern, Verbrauchern sowie Organisationen der Umwelt-, Tier- und Klimaschutzbewegung – unter anderem eine sozialverträgliche Agrarpolitik, gerechte Fördergeldervergabe und den Ausbau von Ökoregelungen. Im Detail:
- Umwelt-, Klima- und Tierschutz müssen sich für Bauern lohnen – Ökoregelungen sowie Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen ausbauen statt abschaffen
- Für gerechte Erzeugerpreise – Bauern am Markt stärken statt ausbremsen, Vertragspflicht umsetzen
- Für eine sozialverträgliche Agrarpolitik – Fördergelder gerecht vergeben statt nach dem Gießkannenprinzip
- Fördergelder nur für gute ökologische, soziale und Tierschutzstandards – Grundanforderungen effizient gestalten statt permanent schleifen
Dem Artensterben und der Klimakrise zum Trotz wurden in den vergangenen beiden Jahren unter dem Deckmantel der Entbürokratisierung wichtige ökologische Mindeststandards der GAP drastisch abgesenkt, schreibt das Bündnis. Mindestens eine Million Hektar Agrarflächen zum Schutz der Biodiversität seien in der EU im Jahr 2024 aufgegeben worden – das entspreche einer Fläche von etwa 1,4 Millionen Fußballfeldern. Nach den Plänen der EU-Kommission soll noch in diesem Jahr der Schutz des Dauergrünlandes reduziert werden, wodurch ‚Wir haben es satt!‘ mit 125 Millionen Tonnen zusätzlich freigesetztem CO2 rechnet. Ausgerechnet die Bauern, die bereits heute besonders ressourcenschonend wirtschaften und ihre Tiere artgerecht halten, würden durch die politische Richtung wirtschaftlich geschwächt. Nach wie vor gilt bei der GAP: Wer viel Land hat, bekommt viele Fördermittel.
Fördergelder gerecht vergeben
Dazu Ottmar Ilchmann, agrarpolitischer Sprecher der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL): „Die Verteilung eines Großteils der GAP-Mittel nach dem Gießkannenprinzip ist unfair und uneffektiv.“ 80 Prozent der Fördergelder gingen derzeit an 20 Prozent der Betriebe. Derweil nehme die Zahl der Betriebe mit mehr als 100 Hektar zu, während kleinere weniger werden. Dabei seien viele vielfältige Betriebe eine Voraussetzung für den sozialen Zusammenhalt im ländlichen Raum und die Krisenfestigkeit der regionalen Versorgung. „EU-Gelder müssen viel zielgerichteter verwendet werden“, fordert Ilchmann: etwa über gestaffelte Prämienhöhen, die kleine und mittlere Betriebe besonders unterstützen. „Wir müssen uns dem Rollback in der Agrarpolitik entgegenstellen!“
Umwelt- und Tierschutz muss sich lohnen
Einen Wettlauf nach unten befürchtet Bioland-Präsident Jan Plagge, wenn am Ende die Mitgliedstaaten mit den niedrigsten Umweltauflagen profitieren. Die GAP sei nicht nur eines der zentralen Instrumente zur Ernährungssicherung und zur Stärkung des ländlichen Raums, sondern auch elementar für das Erreichen ökologischer und gesellschaftlicher Ziele. Dieser Hebel müsse in Zukunft viel stärker genutzt werden, indem Landwirte, die nachhaltig wirtschaften, einkommenswirksam entlohnt werden. Dafür brauche es ein starkes, eigenständiges Agrarbudget und einen ambitionierten Plan für eine zukunftsfähige Agrarpolitik.
Bauern am Markt stärken
Dass Erzeuger zum Teil ohne vertragliche Grundlage liefern müssen, ohne vorher den erzielten Preis zu kennen, prangerte Reinhild Benning, politische Leiterin für Landnutzung bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH) an. Die auf EU-Ebene diskutierte Vertragspflicht für Milchlieferungen hält sie für „absolut richtig“ und fordert außerdem die rasche Einrichtung einer Ombudsstelle sowie das Verbot des Verkaufs unter Produktionskosten, kurz: gerechte Marktregeln.
Fördergelder nur für gute Standards
„Öffentliche Gelder brauchen eine öffentliche Leistung“, betont Olaf Bandt, Bundesvorsitzender des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Dieser Grundkonsens der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) dürfe von den Agrarministern nicht geschliffen, sondern müsse in der GAP endlich umgesetzt werden.
Verbände aus Landwirtschaft, Umwelt-, Natur-, Klima-, Verbraucher- und Tierschutz sowie der Entwicklungszusammenarbeit haben mit der Broschüre ‚Zukunft gestalten‘ bereits im Jahr 2023 einen Vorschlag für eine ökologischere und gerechte GAP nach 2027 vorgelegt.