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Die Handbremse ziehen? Der EU-Omnibus muss auf der Überholspur bleiben!

Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller bezieht Stellung zur EU-Omnibus-Verordnung

Die Handbremse ziehen? Der EU-Omnibus muss auf der Überholspur bleiben! © AöL e.V.
Der Arbeitskreis Nachhaltigkeit der AöL

Die Unternehmen ächzen. So viele neue Richtlinien und Verordnungen zur Nachhaltigkeitsthematik auf europäischer Ebene. Neue Verpflichtungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, zur Sorgfaltspflicht und Entwaldungsfreiheit in der Lieferkette, zur Lenkung von Investition in grüne Wirtschaftstätigkeiten, usw. Die EU-Kommission war in den letzten Jahren sehr fleißig, gesetzliche Rahmenbedingungen für nachhaltigeres Wirtschaften zu schaffen. 

Die Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller*innen (AöL) findet den Weg der Kommission genau richtig, nachhaltiges Handeln und das Berichten über Solches zu sichern. Schließlich lässt der Zustand unseres Planeten keine Zeit, um mit angezogener Handbremse zu fahren. Doch natürlich bedeuten diese vielen Regulierungen in nur kurzer Zeit eine enorme Belastung für Unternehmen. Mitarbeiterzeit und -kompetenz für die Umsetzung zur Verfügung zu stellen, kostet wertvolle Ressourcen. Die Richtlinien und Verordnungen versprechen ein hohes Maß an schwierigem Lesestoff für die Nachhaltigkeitsmanager*innen und ihre praktische Umsetzung ist eine enorme Herausforderung. 

„Eine Omnibus-Verordnung zur Entbürokratisierung und Harmonisierung dieser rechtlichen Rahmenbedingungen ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung“, begrüßt Pia Kissinger, Expertin für Nachhaltigkeit und Politik bei der AöL, diese grundlegende Überlegung. „Der im Februar veröffentlichte Entwurf lässt unsere Unternehmerschaft jedoch nicht mit gutem Gewissen aufspringen, denn hier wurde ordentlich die Handbremse gezogen.“ 

„Wir begrüßen eine inhaltliche Vereinfachung. Wir haben allerdings nicht erwartet, dass die Entwürfe der Omnibus-Verordnung die Verordnungen und Richtlinien so stark auflösen. 80 Prozent der Unternehmen aus der Berichts- und Taxonomiepflicht nehmen und die Entbürokratisierung auf Kosten sozialer Aspekte vornehmen? Das war so eigentlich nicht gedacht. Wir haben bereits viel investiert, um die Verpflichtungen umzusetzen und wir haben noch einen Weg vor uns. Aber wir wissen, wofür wir es tun, und wir sind enttäuscht, dass die EU den Weg mit dem Omnibus nicht geradlinig zu Ende fahren möchte“, so Katrin Porsch, Nachhaltigkeitsmanagerin bei der Bauck GmbH.

Mit dieser Meinung ist Porsch nicht allein. Auch andere Bio-Lebensmittelhersteller*innen folgen dieser Vision. Einige der vorgeschlagenen Änderungen im Rahmen der Omnibus-Verordnung müssen dringend diskutiert werden.

Die Anhebung des Schwellenwertes auf >1.000 Mitarbeiter und >450 Millionen Euro Umsatz im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattungspflicht und der EU-Taxonomie sind zum Beispiel solche Aspekte. Dies würde die Wirkung dieser neuen gesetzlichen Nachhaltigkeitsbemühungen enorm schwächen. 80 Prozent der Unternehmen würden aus der Pflicht genommen, sprich diese Unternehmen müssen sich keinerlei Mühe machen, sich die Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen als Ziel zu setzen. Auch die angestrebte Verbesserung der Datenlage entlang der gesamten Wertschöpfungskette kann so nicht erreicht werden. Eine Vereinfachung des Berichtsstandards für Unternehmen, die unterhalb dieses Schwellenwertes liegen und noch nicht als klein- und mittelständisches Unternehmen (KMU) gelten, wäre jedoch sinnvoll. Die AöL schlägt hier vor, den freiwilligen vereinfachten Berichtsstandard (VSME) für die entsprechenden Unternehmen verpflichtend zu machen, anstatt sie ganz aus der Pflicht zu nehmen. 

Eine Schwächung durch den Entwurf der Omnibus-Verordnung erfährt auch die Richtlinie zur Sorgfaltspflicht in der Lieferkette (CSDDD). Eine Umsetzung auf EU-Ebene wäre eine große Chance zur Verbesserung der sozialen Standards in den Anbauländern. Doch ob diese nach dem Entwurf der Omnibus-Verordnung noch am Ende der Lieferkette spürbar wird, ist unklar. Mehr als ein wesentlicher Änderungsvorschlag muss dabei diskutiert werden. Zum einen der Vorschlag, dass die verpflichteten Unternehmen (der Schwellenwert liegt hier ebenfalls bei >1.000 Mitarbeitern und >450 Millionen Euro Umsatz) lediglich den direkten Geschäftspartner in die Pflicht nehmen müssen. Bei einem solchen Vorschlag müsste der aktuelle Schwellenwert herabgesetzt werden, um ein Durchdringen der Lieferkette zu garantieren. Zum anderen sind Unternehmen nicht mehr verpflichtet, die aufgestellten Maßnahmen im Rahmen ei-nes Klimaplans auch umzusetzen. Ein weiterer Punkt ist die Verlagerung der zivilrechtlichen Haftung von europäischer auf nationale Gesetzgebung. Eine starke Sanktion ist Grundlage dafür, dass die Vorgaben ernst genommen werden und eine überzeugende Umsetzung gewährleisten.

Der Arbeitskreis Nachhaltigkeit der AöL hat sich eingehend mit den Änderungsvorschlägen beschäftigt und ein Positionspapier entworfen, in dem klare Botschaften zu den vorgeschlagenen Änderungen im Rahmen der Omnibus-Verordnung an der Corporate Sustainable Reporting Directive (CSRD), der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) und der EU-Taxonomie verfasst wurden. 

Pia Kissinger

 

Kommission zieht die Green Claims-Richtlinie zurück
Erleichterung für die Unternehmen oder Gefährdung des Verbraucherschutzes?

Kurz vor der finalen Trilog-Verhandlung zur Green Claims-Richtlinie hat die EVP-Fraktion im Europäischen Parlament überraschend gefordert, dass die EU-Kommission den Gesetzesvorschlag zurückzieht. Am 20. Juni kündigte die Kommission an, das Gesetzesvorhaben zu stoppen. Kurz darauf  hat auch der EU-Rat die geplanten Gespräche mit dem Parlament abgesagt. Die Assoziation ökologischer Lebensmittelherstellerinnen und -hersteller (AöL) befürchtet nun Unklarheiten bei Umweltaussagen zu Produkten und mangelnde Klarheit für Verbraucher.
Die kürzlich verabschiedete Richtlinie (EU) 2024/825 zur Stärkung der Verbraucherrechte im ökologischen Wandel setze bereits wichtige Standards für die werbliche Umweltkommunikation – darunter rechtliche Definitionen, Irreführungsverbotstatbestände und verbotene Praktiken im Zusammenhang mit Umweltaussagen oder Nachhaltigkeitssiegeln. 
Die Green Claims-Richtlinie wurde allerdings als notwendige Ergänzung angesehen: Sie soll die Begriffe und Umweltaussagen mit konkreten Prüfanforderungen unterlegen und die Nachweispflichten für Umweltbehauptungen verbindlich regeln. Ihr Ziel ist es, umweltbezogene Werbeaussagen künftig klar, überprüfbar und wissenschaftlich belegbar zu machen – für die AöL ein entscheidender Schritt, den Verbraucherschutz zu stärken und faire Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen zu schaffen. 
„Es herrscht in weiten Teilen der Branche Einigkeit darüber, dass einheitliche und überprüfbare Standards unerlässlich sind – sowohl zur Stärkung des Vertrauens der Verbraucherinnen und Verbraucher als auch zur Sicherung fairer Wettbewerbsbedingungen“, so AöL-Rechts
„Insbesondere Unternehmen die Bio-Lebensmittel anbieten, die sich bereits heute den strengen Vorgaben der EU-Bio-Verordnung unterwerfen, sind auf ein ‚Level Playing Field‘ angewiesen. Nur so kann verhindert werden, dass glaubwürdige Umweltleistungen durch irreführende Aussagen anderer Marktakteure entwertet werden.“
Aus Sicht kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU), insbesondere im Bio-Sektor, wird die geplante Regelung zu den Green Claims jedoch auch kritisch bewertet: Befürchtet werden erhebliche bürokratische Belastungen durch die zusätzlichen Nachweispflichten – verbunden mit finanziellem und personellem Mehraufwand, der für viele KMU nur schwer zu bewältigen ist. Die AöL fordert daher von der EU, weiterhin an klaren Regeln für Umweltaussagen zu arbeiten und dabei Vorgaben zu entwickeln, die auch für mittelständische Unternehmen leistbar sind. 
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