Ethik Society
Ethik Society will Handel in die Pflicht nehmen
Acht-Punkte-Papier für eine neue Nachhaltigkeitskultur in Landwirtschaft und LEH

Mehr Anerkennung für Landwirte, nur noch nachhaltige Subventionen, ein Ende der Billigkultur, wahre Preise und einen verantwortungsvollen LEH, der die neue Nachhaltigkeitsbewegung anführt: Das fordert die Ethik Society in ihrem Acht-Punkte-Papier, das am 16. Juli in Berlin vorgestellt wurde. Stimmen viele Punkte mit Positionen der Bio-Branche überein, so gibt es für den Sektor auch Kritik: mit Blick auf das Siegelwirrwarr, das für Verbraucher nicht überschaubar sei und damit zu Intransparenz führe.
„Es muss sich nicht jeder alles leisten können. Auch muss nicht immer alles für jeden verfügbar sein“, erklärt Jürgen Linsenmaier, Gründer der Ethik Society und Initiator des Positionspapiers. Die ersten drei Punkte drehen sich in diesem Sinne um die Wertschätzung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und der Arbeit von Landwirten. Staatliche Akteure müssten die Macht anderer Marktteilnehmer wie Großmolkereien und Handelsoligopolen so einschränken, dass ein freier und fairer Wettbewerb möglich ist und Landwirte unabhängig von den Mitteln aus bürokratieaufwendigen Subventionen werden. Die Ethik Society wünscht sich, dass Förderungen ganzheitlich nur noch nach Nachhaltigkeitsgesichtspunkten verteilt werden.
Neues Qualitätsbewusstsein und wahre Preise
Was die Konsumenten angeht, so müsse diesen von Politik und Handel vermittelt werden, „dass in einer endlichen Welt mit endlichen Ressourcen nicht immer alles und zu jeder Zeit verfügbar sein kann“. Wirtschaftswachstum sei zwar wünschenswert, um den schrittweisen Umbau zu nachhaltigeren Strukturen finanziell zu ermöglichen. Weil echte Nachhaltigkeit ohne Verzicht aber nicht gelingen werde, brauche es eine neue Definition von Qualität, die andere Werte als „Höher, Schneller und Weiter“ in den Fokus nimmt: „gesunde Böden und eine vielfältige Natur, eine Lebensweise ohne ständigen Überkonsum, das Schonen von Ressourcen und Rohstoffen sowie gesellschaftliche Projekte, die das Miteinander fördern.“
Das Positionspapier kritisiert die ‚Billig-Mentalität‘ und Preisfixiertheit in puncto Lebensmittel, die in keinem anderen Land so verbreitet sei wie in Deutschland. Verbraucher sollten hinsichtlich der wahren Kosten, die in einem Produkt stecken, sensibilisiert werden und bereit sein, den Mehrwert von regionalen, biologischen und nachhaltigen Produkten zu honorieren.
Ein visionärer Handel und eine verpflichtende Kennzeichnung
Mehr als die Verbraucher sieht die Ethik Society allerding den Handel in der Pflicht. „Der Lebensmittelmarkt ist ein weitgehend angebotsgetriebener Markt, und nicht, wie dem Verbraucher seit Jahren vorgegaukelt wird, ein nachfragegetriebener“, heißt es in dem Papier. Was der Handel anbiete, werde auch gekauft. Er müsse sich daher an die Spitze der Nachhaltigkeitsbewegung stellen und bio-regionale Qualitätslebensmittel nicht mehr als Randsortiment für Einzelne, sondern als Standard präsentieren.
Zuletzt bemängelt das Acht-Punkte-Papier die unüberschaubare Menge an Qualitätssiegeln, die letzten Endes aus Verbrauchersicht zu Intransparenz führe. Um dem „Siegel-unwesen ein Ende zu setzen“, gelte es, ein nachvollziehbares System für echte Nachhaltigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu etablieren, etwa mittels einer Ampelkennzeichnung, und dieses dann auf alle Lebensmittel verpflichtend anzuwenden.
Es sei notwendig, Nachhaltigkeit ganzheitlich zu denken, sich über die Partikularinteressen einzelner Akteure hinwegzusetzen und die verschiedenen Aspekte einer möglichst gesunden und nachhaltigen Erzeugung nicht gegeneinander auszuspielen. Der Blick aller müsse sich für das gemeinsame Ziel ganzheitlicher Nachhaltigkeit weiten.
Die acht Forderungen in Kurzform sind:
1. Mehr Anerkennung für Landwirte
2. Landwirte als echte Unternehmer – fairer Wettbewerb
3. Schluss mit nicht nachhaltigen Subventionen
4. Ein neuer Qualitätsbegriff – weniger Konsum, mehr Leben
5. Ende der ‚Billigkultur‘ – wahre Preise und Wertschätzung
6. LEH neu denken – Nachhaltigkeitstreiber mit bio-regional als Standard
7. Weniger Bio-Label und Siegel -> eine verpflichtende, nachvollziehbare Nachhaltigkeitskennzeichnung für alle Lebensmittel
8. Nachhaltigkeit ganzheitlich umsetzen
Die Ethik Society versteht sich als eine Plattform für Entscheider aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die sich über Fragen der Unternehmensethik und Nachhaltigkeit sowie deren Umsetzung austauschen möchten. Gründer ist der Unternehmer, Autor und Redner Jürgen Linsenmaier, der auch das Magazin ‚Wirtschaft & Ethik‘ initiiert hat.
Aktuell sind 80 verschiedene Unternehmen Teil der Ethik Society. Dazu gehören unter anderen auch Vertreter der Bio-Branche, wie die Großhändler Ökoring und Biofruit, der österreichische Bio-Hersteller Sonnentor, der Bio-Nuss-und-Trockenfrucht-Lieferant Flores Farm, der Eis-Hersteller Healthy Planet und der Bio-Garten-Anbieter Ackerhelden.
Lena Renner