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Gesetz zur Rettung der Natur kommt

EU-Umweltrat gibt grünes Licht

Gesetz zur Rettung der Natur kommt © stock.adobe.com_Artur Bociarski

Am 17. Juni haben die Vertreter der EU-Mitgliedsländer im Umweltrat das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur förmlich angenommen. Damit hat der lange Kampf ein Ende: Bis 2030 müssen die Mitgliedstaaten mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresflächen der EU, bis 2050 alle sanierungsbedürftigen Ökosysteme wiederherstellen. Umweltschützer feiern die Verabschiedung als Meilenstein und wichtigsten Schritt für den Naturschutz in der EU seit Jahren.

Es war ein Ringen sondergleichen: Bereits im November 2023 hatten sich Rat, Parlament und Kommission der Europäischen Union auf einen Entwurf für die Naturwiederherstellungsverordnung (Nature Restoration Law, NRL) geeinigt. Ende Februar dieses Jahres drohte die förmliche Zustimmung durch das EU-Parlament zu scheitern, weil die Europäische Volkspartei (EVP) – die größte Fraktion im Parlament – das Gesetz ablehnen wollte. Die Blockade blieb aber ohne Erfolg und der Entwurf erreichte die erforderliche Mehrheit.

Auf den letzten Metern war schließlich auch noch die finale Zustimmung im Rat ungewiss und die Entscheidung wurde mehrfach vertagt. Ausschlaggebend war am Ende die Stimme der österreichischen Umweltministerin Leonore Gewessler, die sich gegen ihren konservativen Koalitionspartner durchsetzte und von einer Enthaltung zur Ja-Stimme umschwenkte. So wurde auch hier eine qualifizierte Mehrheit erreicht und das seit Jahren relevanteste EU-Naturschutzgesetz fand einen positiven Abschluss.

Die Verordnung gilt für eine Reihe von Land-, Küsten- und Süßwasserökosystemen, Wäldern, landwirtschaftlichen und städtischen Ökosystemen sowie Meeresökosystemen. Bis 2030 müssen mindestens 30 Prozent, bis 2040 mindestens 60 Prozent und bis 2050 mindestens 90 Prozent der Lebensräume in schlechtem Zustand verbessert werden.

Für jedes der aufgelisteten Ökosysteme werden außerdem spezifische Ziele und Verpflichtungen für die Wiederherstellung festgelegt. So gibt es etwa feste Quoten für die Wiedervernässung von Mooren, bis 2030 sollen auf EU-Ebene mindestens drei Milliarden zusätzliche Bäume gepflanzt und mindestens 25.000 Kilometer Flüsse in frei fließende Flüsse verwandelt werden. Weitere Maßnahmen dienen der Population von Wiesenschmetterlingen, dem Bestand an orga- nischem Kohlenstoff im Ackerboden und dem Anteil an landwirtschaftlichen Flächen mit vielfältigen Landschaftsmerkmalen.

Die Mitgliedstaaten müssen der Kommission nationale Sanierungspläne vorlegen, aus denen hervorgeht, wie sie die Ziele erreichen wollen, und ihre Fortschritte auf Grundlage EU-weiter Indikatoren dokumentieren. Sie müssen zudem Anstrengungen unternehmen, um eine erhebliche Verschlechterung von wiederhergestellten Gebieten zu verhindern.

Im Gegensatz zum Kommissionsvorschlag enthält der angenommene Text einige Abschwächungen. So ist etwa eine mögliche ‚Notbremse‘ vorgesehen, über die die Kommission die Renaturierungsziele für landwirtschaftlich genutzte Ökosysteme bei drohender Nahrungsmittelknappheit für ein Jahr aussetzen kann.

Für den Naturschutzbund (NABU) ist die Verordnung dennoch ein „wichtiger Meilenstein“ für die Natur in Europa. Olaf Bandt, Vorsitzender des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), würdigt das Gesetz als „wichtigste Initiative im europäischen Naturschutz seit 30 Jahren“. „Europa ist endlich besser gewappnet im Kampf gegen Artensterben und die Folgen der Klimakrise“, freut sich auch die Grünen-Abgeordnete Jutta Paulus, die als Verhandlerin im Parlament am Erfolg des Gesetzes beteiligt war. „Mit dem Renaturierungsgesetz im Gepäck fährt die EU mit erledigten Hausaufgaben zur Weltbiodiversitätskonferenz nach Brasilien. Wir haben Geschichte geschrieben.“

Die Naturwiederherstellungsverordnung tritt nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft und gilt dann unmittelbar in allen Mitgliedstaaten.

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