Handel
Bio-Ausbau: ein Kampf gegen Windmühlen
Rewe-Kaufmann Matthias Zwingel legt sich für mehr Bio ins Zeug

Neun Rewe-Märkte unterhält der Kaufmann Matthias Zwingel in Mittelfranken: zum Beispiel in Weisendorf, wo sich der Bio-Anteil der zehn-Prozent-Marke nähert. Auf dem Weg zu mehr Bio-Vielfalt im Sortiment hat der Vizepräsident des Bundesverbands des Deutschen Lebensmittelhandels e.V. (BVLH) mit zahlreichen Herausforderungen zu kämpfen: von fachhandelstreuen Marken über einen hohen Bestellaufwand bis hin zu Flächenbeschränkungen.
Matthias Zwingel stammt aus einer alten Kaufmannsfamilie. Schon 1886 eröffnete seine Urgroßmutter väterlicherseits in Höchstadt, westlich von Erlangen, einen kleinen Lebensmittelladen. Etwas später, 1898, ging im Böhmerwald ein Laden unter Leitung der Familie Stuiber, aus der Zwingels Mutter stammt, an den Start. Heute gibt es in Mittelfranken neun Zwingel-Märkte mit insgesamt rund 330 Mitarbeitern. Sechs der Märkte haben eigene Bio-Abteilungen, welche von seiner Frau Kerstin Zwingel betrieben werden, integriert.
In Weisendorf im Landkreis Erlangen-Höchstadt wurde im Jahre 1976 der dritte SB-Markt der Zwingels eröffnet. 2000 wurde der Markt an den Ortsrand umgesiedelt. Um die 40.000 Artikel auf über 1.200 (Supermarkt) und 800 (Getränkemarkt) Quadratmetern gibt es hier mittlerweile im Sortiment. Geschätzt 2.000 würden in Bio-Qualität von der Rewe-Zentrale bezogen, gut 1.000 weitere von Fremdlieferanten.
Effiziente Vorstufe, aufwendiger Fremdkauf
„Mit der Vorstufe können wir die Artikel effizient über Autodispo beziehen und den Kunden zu attraktiven Verkaufspreisen anbieten“, erklärt der Handelsexperte Zwingel. Die Artikel von klassischen, lokalen Bio-Lieferanten gehörten dagegen zum Fremdkauf, der außerhalb des Systems abgewickelt werde. Das sei mit einem dermaßen hohen Kostenblock und Aufwand verbunden, dass mit der Handelsspanne nicht immer die Kosten gedeckt werden könnten. Viel einfacher sei es, auf den bestehenden Bio-Baustein im zentralen Rewe-Lagergeschäft zurückzugreifen – ohne Lieferschein und mit automatischer Bestellung.
Eine weitere Schwierigkeit bei vielen Standorten ist auf die Flächenbeschränkung für selbstständige Einzelhändler – an nicht zentralen Orten – zurückzuführen, die im Landesentwicklungsprogramm vorgeschrieben ist. Sie begrenzt im Regelfall die Verkaufsfläche auf 800/1200 Quadratmeter ohne Getränkemarkt. Die Lagerflächen sind in den letzten Jahren immer kleiner geworden, daher ist viel Just-in-time-Lieferung nötig. „Das ist noch eine ganz andere Arbeit als vor 50 Jahren“, so Zwingel.
Von dennree zu Claus
„Vor 20 Jahren haben wir Bio mit dennree begonnen“, erzählt der Kaufmann. Das Bio-Markt-Schild von denn’s ist aus dieser Zeit erhalten geblieben und hängt immer noch am Eingang der Bio-Abteilung. Es folgte ein regionaler Großhändler, aber auch der sei irgendwann zu klein geworden. Dann habe Ökoring aus München die Belieferung übernommen – bis der Beschuss dafür, Fachhandelsmarken zu verkaufen, immer größer wurde und Ökoring den Druck nicht mehr ausgehalten habe. Daraufhin wechselte Zwingel zu Claus Reformwaren, der den Bio-Shop von Kerstin Zwingel noch heute beliefert.
„Es ist wie ein Kampf gegen Windmühlen“, bedauert Zwingel. „Man will was Gutes tun und bekommt nur Schläge.“ Bei jeder aufgenommenen Fachhandelsmarke sei ein Vertreter gekommen, der forderte, dass sie wieder aus dem Sortiment genommen wird. Dennoch lässt sich der Kaufmann nicht entmutigen. „Es ist immer noch ein Herzensanliegen für mich, gute Lebensmittel für die Bürger auf dem Land verfügbar zu machen.“
Vielfalt in der Frische
Im Obst und Gemüse-Regal am Eingang des Weisendorfer Rewe-Markts ist eine gute Grundausstattung in Bio-Qualität vorhanden. Es gibt Orangen, Zitronen und Mandarinen, Banane, Ananas, Kiwi und Birnen, Avocados und getrocknete Datteln, und bei den Äpfeln sogar einen Aktions-Kilopack für 1,99 Euro mit Naturland-Siegel. Auch die Mangos sind um ein paar Cent günstiger als ihre konventionellen Pendants.
In der Gemüse-Auslage liegen Kartoffeln und Süßkartoffeln, Zwiebeln, Knoblauch, Tomaten und Paprika, Gurke, Zucchini, Kürbis, Mais und Aubergine. Dazu kommen im Kühlregal Broccoli, Porree, Lauchzwiebeln, Spargel, Rucola und Feldsalat. Nur nach Kopfsalat sucht man vergeblich. Er sei aktuell zu teuer, um ihn verkaufen zu können. Dafür finden Bio-Kunden Kräuter im Topf wie Basilikum, Schnittlauch oder Petersilie.
Im separat am Eingang organisierten Getränkemarkt des Rewes sind auch einige Bio-Marken vertreten. Es gibt Bier von Neumarkter Lammsbräu, Bionade sowie die Limonaden von now und fritz-kola. Für eine vielfältige Wein-Auswahl sorgen die Marken Doppio Passo, Biovitis, Sontino, 3 Talente, Mein Bio Wein, Solaz, Biorebe oder Weinmann. Und auch das Saft-Sortiment kann sich mit Herstellern wie Voelkel, Campo Verde, Rabenhorst, Beutelsbacher und Eden sehen lassen.
Beim Besuch des restlichen Marktes stößt man zunächst fast nur auf Bio-Produkte der Rewe-Eigenmarke. „Auch die haben wir erst vor einem Dreivierteljahr aus dem Bio-Shop genommen und zugeordnet“, erklärt Zwingel. Im TK- und Kühlregal seien die Artikel immer abgelaufen – „aber seit wir sie zugeordnet haben, läuft’s!“
In den konventionellen Bereich geschafft haben es die regionalen beerenbauern mit ihren demeter-Marmeladen, die prominent in Holzkisten platziert wurden. Auch das Trockenfrüchte- und Nuss-Sortiment von Clasen Bio und Bio-Müslis der Minderleinsmühle sind hier vertreten – oder Bio-Backzutaten von Ruf, die allerdings fast leergekauft wurden. „Die Lieferung kommt nur alle vier Wochen“, kommentiert Zwingel.
Im Kühlregal sticht jetzt das Sortiment von Andechser Natur hervor, dessen Joghurtprodukte, Milch und Käse in Fülle zum Verkauf stehen. Dazu kommt etwa Voelkels Haferdrink, Milch von der Allgäuer Hof-Milch GmbH und die Bio-Milch von Berchtesgadener Land. Käse und Wurst im SB-Regal sind ganz der Rewe-Eigenmarke vorbehalten, ebenso das Fleisch. Mit Putenbrust-Schnitzel, Schweine-Minutensteaks, Hähnchenschenkel, Hackfleisch oder Suppenfleisch in Naturland-Qualität wird dennoch ein vielfältiges Sortiment geboten. In puncto Thekenware ist jedoch noch sehr viel Luft nach oben: Einsam haben es bisher nur die zwei Käse-Sorten Almbergler Gute Laune sowie Herzjodler Natur von Arge Heumilch in die Theke geschafft.
Mehr als zwei Regalreihen im TK-Bereich sind für die Marken Natural Cool und bio inside von demeter-Felderzeugnisse reserviert: Es gibt Pizzen, Pommes, Bohnen, Broccoli, Karotten und Blattspinat, Granatapfelkerne, Erdbeeren, Sauerkirschen und mehr. Dazu kommt eine Regalreihe mit Produkten von followfood: neben Gemüse auch Garnelen, Lachsfilets oder Kabeljau.
Bio-Abteilung: viele Marken auf engem Raum
Der Bio-Markt ganz am Ende des Ladens ist in Holzoptik gehalten und erzeugt mit warmem Licht eine gemütliche Atmosphäre. Mit Hilfe von schmalen Gängen und Ikea-Regalen habe man hier auf kleinster Fläche – rund 60 Quadratmetern – eine maximale Artikelanzahl untergebracht, so Zwingel.
Drei Regalreihen voller pflanzlicher Aufstriche lassen am Eingang Veganer-Herzen höher schlagen: Mit Allos, LaSelva, Rettergut, Bio-Zentrale, Tartex und Zwergenwiese sind zahlreiche Bio-Hersteller vertreten. Dazu kommt ein kompletter Allos-Aufsteller mit veganen Salaten.
Im Tee-Sortiment winken Klassiker wie Yogi Tea, Cupper, pukka und Lebensbaum, der auch die Gewürze stellt, und beim Kaffee verschiedene Sorten von Gepa und Café Intención. Auch bei den süßen Aufstrichen ist eine ordentliche Auswahl garantiert: mit Marmeladen von fior di frutta, Allos oder Zwergenwiese, Schokoaufstrichen von Nocciolata, Vivani, Nabio, BioGourmet und Bionella und Honig von Gepa, Allos oder Melbio. Müsli-Liebhaber kommen schließlich mit Angeboten von Bauck, Tartex, Rosengarten oder Campo Verde auf ihre Kosten.
Auch die Snacks kommen in der Bio-Welt nicht zu kurz. Verschiedene Reiswaffeln bietet rinatura, ergänzt von veríval. Daneben warten salzige Laugensnacks von Huober Brezel auf Kunden, sowie Chips von der Bio Zentrale oder Knusperstangen von BioGourmet. Wer es lieber süß mag, findet drei Regalreihen voller Schokolade und Kekse, präsentiert von Marken wie Gepa, Vivani, Sommer, Lambertz, El orígen, Bohlsener Mühle und Mogli. Daneben ist ein Aufsteller von ‚Freche Freunde‘ platziert, mit Quetschies und Fruchtsnacks für die Kleinen.
Das Sortiment an Mehl und Backmischungen ist mit Bauckhof bereits gut bestückt und wird von Marken wie Campo Verde, Mehlzauber, Naturata und biovegan ergänzt. Bauckhof und Campo Verde liefern dazu vielfältige Obstkonserven, die neben Gemüsekonserven von Marschland, Davert oder BioGourmet sowie Feinkost von LaSelva platziert sind.
Die beiden Letzteren sind auch für einen Großteil der Tomatensaucen verantwortlich, zusammen mit ppura, Campo Verde und anderen. Bei den Pasta-Sorten haben Bio-Kunden die Qual der Wahl: zwischen Dinkel-Penne von Naturata, Vollkorn-Hörnchen von rinatura, Orecchiette von Alb-Gold oder Calamarata von Terra Bio. Dazu kommen Getreide-Alternativen wie Blumenkohl-Pasta oder Kichererbsen-Nudeln von Clever Pasta, die einen eigenen glutenfrei-Aufsteller bestückt haben. Bei Reis, Linsen und Co. hat der Rewe-Markt vor allem auf das reiche Sortiment von Davert zurückgegriffen.
Wenn es einmal schnell gehen soll, finden Kunden Fertigsuppen, Gemüse- und Fleischbrühen von Natur Compagnie, Erntesegen, Eden und BioGourmet. Darüber verbergen sich ein paar Delikatessen: Makrelen- und Heringsfilets von Fontaine. Den Abschluss der Bio-Abteilung machen schließlich zwei Regalreihen voller Naturkosmetik mit Marken wie Weleda und Lavera sowie Wasch-, Putz- und Reinigungsmitteln, gestellt von Klar und AlmaWin.
Lena Renner
Rewe Zwingel in Weisendorf
Am Mühlberg 28,
91085 Weisendorf
Eröffnung: 2000
Mitarbeiter in Vollzeit: 40
Verkaufsfläche: über 2.000 Quadratmeter
Artikelanzahl (Lebensmittel): 40.000
Bio-Artikel: über 3.000
Kassen: 5 Normale, 5 SB-Kassen
Öffnungszeiten: Mo - Sa, 7 - 20 Uhr