Gesunde Ernährung
Nahrung fürs Hirn
UGB-Fachtag ‚Essen ist auch Kopfsache‘

Themenwelten für Schulanfang, Muttertag oder Weihnachten sind im Handel gang und gäbe. Wie aber wäre es einmal mit einer Sammlung von Lebensmitteln, mit der wir unserem Gehirn etwas Gutes tun, Kopfschmerzen vermeiden und Demenz vorbeugen? Wie eine vollwertige Ernährung mit den Vorgängen im Kopf zusammenhängt, welche Nährstoffe zu empfehlen sind und wie man Kinder an gesunde Ernährung heranführen kann – mit diesen Fragen beschäftigte sich ein Online-Fachtag der Unabhängigen Gesundheitsberatung (UGB) am vergangenen Mittwoch.
Bis ins Alter von 50 Jahren entwickelt sich das Gehirn weiter, erzählte Gunter P. Eckert, der als Professor für Ernährung an der Universität Gießen tätig ist. Mit jeder neuen Erinnerung entstehe auch eine neue Verknüpfung von Nervenzellen. Das Gehirn bestehe zu 60 Prozent aus Fett und verbrauche 20 Prozent der gesamten zugeführten Energie und des aufgenommenen Sauerstoffs.
Welche Nährstoffe aber braucht das Organ? Tatsächlich ist Glukose, also Traubenzucker, das einzige Kohlenhydrat, das vom Gehirn verwertet wird. Weil es dort nicht gespeichert werden kann, ist eine ständige Zufuhr nötig. Ohne Sauerstoff und Glukose treten schon nach zehn Minuten irreparable Schäden auf. Auf der anderen Seite ist auch ein zu hoher Blutzuckerspiegel schädlich fürs Gehirn und Diabetes Typ 2 ein Risikofaktor für Alzheimer.
35 Prozent des Gehirnfetts bestehen aus Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren. Wichtig für kognitive Funktionen sei vor allem die Aufnahme von langkettigen Omega-3-Fettsäuren. Sie sind in hohen Dosen in Kaltwasserfisch und Algenöl enthalten. Ein hoher Konsum von Kaltwasserfisch scheint das Alzheimerrisiko zu senken. Es wird daher empfohlen, ein bis zwei Portionen fetten Seefisch pro Woche zu verzehren.
Auch Polyphenole, also sekundäre Pflanzenstoffe, die in Obst und Gemüse, aber auch in Olivenöl, Tee, Gewürzen und Rotwein enthalten sind, wirken antioxidativ, können die kognitiven Funktionen verbessern und Demenz vorbeugen. Als polyphenolreiche Ernährung legte Eckert dem Publikum eine mediterrane Diät mit viel Seefisch, Olivenöl und Nüssen, sehr viel Gemüse und Obst sowie einem moderaten Verzehr von Rotwein nahe.
Ein Leitsatz zur Prävention von Alzheimer ist es, weniger gesättigte Fette aufzunehmen. Darunter fallen etwa Kokosnuss- und Palmöl. Fleisch und Milchprodukte sollten überwiegend durch Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte ersetzt werden. Bei den Vitaminen ist vor allem auf Vitamin E (Zellschutz) und eine ausreichende Vitamin B12-Zufuhr zu achten. Ein Mangel an Vitamin B12, das etwa in Fleisch, Leber und Milch enthalten ist, kann zu neurologischen Störungen führen.
Wenn der Kopf Probleme macht
Einen umfangreichen Überblick über den Forschungsstand zum Thema Kopfschmerzen gab Günther Schwarz, Facharzt für Allgemeinmedizin und Dozent an der UGB-Akademie im Bereich Naturheilverfahren. „Jeden Tag nehmen drei Millionen Deutsche eine Kopfwehtablette“, so Schwarz. Ursachen und Entstehung von Spannungskopfschmerzen seien dabei bislang wissenschaftlich noch nicht geklärt. Zur Migräne sollen schnelle Wechsel nervaler Aktivität führen. Unmittelbar vor der Attacke komme es zu einer Verengung der Blutgefäße. Eine überschießende Gegenregulation, bei der die Gefäße sich wieder erweitern, sei dann die Ursache des Schmerzes.
Zwar gibt es für die Migräne viele vor allem medikamentöse Therapie-Varianten, auch in der im vergangenen Oktober aktualisierten Migräne-Leitlinie wird aber der Faktor Ernährung gar nicht erwähnt. Schwarz empfiehlt Betroffenen, sich regelmäßig und kohlenhydratreich zu ernähren. Hilfreich sei eine pflanzenbasierte Vollwerternährung mit frisch zubereiteten Zutaten. Koffein verengt die Gefäße, erhöht den Blutdruck und kann somit schmerzlindernd wirken. Eine zu hohe Dosis wirke allerdings dehydrierend und könne die Schmerzen somit befördern.
Wahrnehmungs- und Präferenzsystem
Wie wir „vom Geschmack zum Genuss“ gelangen, führte Karolin Höhl, Ökotrophologin und wissenschaftliche Referentin bei der Dr. Rainer Wild Stiftung, in ihrem Vortrag aus. „Unsere Wahrnehmung geht über das Messen von Umweltreizen hinaus“, so Höhl. „Wir vereinfachen, deuten und konstruieren.“ Besonders visuelle Eindrücke hätten einen starken Einfluss auf die Geschmackswahrnehmung. So werde Tee aus einer roten Tasse etwa als heißer wahrgenommen als Tee aus einer blauen Tasse. Und ein rosafarbener Pudding schmecke automatisch nach Früchten.
Durch evolutionsbiologische Programme lässt sich so manches Essverhalten erklären. „Wir mögen, was wir essen“, so Höhl. Hineingeboren in eine Esskultur, reiche der bloße Kontakt mit einer Speise oft aus, damit wir den Geschmack akzeptieren – das könne aber auch einmal 15, 20 oder 30 Versuche brauchen. Als „sensorisch-spezifische Sättigung“ bezeichnet man das Phänomen, dass wir mehr essen können, je abwechslungsreicher die Speisen sind. Und unter „Neophobie“ versteht man die Angst vor unbekannten Lebensmitteln, die ansteigt, wenn Kinder mobil werden, und ihren Höhepunkt im Alter von drei bis sieben Jahren erreicht.
Was kann man verzweifelten Eltern raten, deren Kinder sich zu einseitig ernähren? Wichtig sei bei der Esserziehung die Nachahmung von engen Bezugspersonen, erklärt Höhl. Auch Teilhabe kann helfen – bei Einkauf, Zubereitung oder der Rezeptauswahl. Man solle die Ausprobier-Möglichkeiten erweitern, erst mit kleinen Portionen anfangen und Vielfalt anbieten. Dabei gelte es, die Kinder als ‚Experten‘ in eigener Sache anzunehmen. Selbstbestimmung sei wichtig fürs Lernen. Verpflichtung und Zwang erzeugten dagegen eher Gegenwehr und seien langfristig kontraproduktiv. „Die Möglichkeit eines ‚Neins‘ muss es beim Verkosten immer geben“, betonte Höhl. Mit denselben Regeln könne man auch bei Erwachsenen das Essrepertoire erweitern.
Insgesamt seien unsere Nahrungspräferenzen ein lebenslanger, psycho-sozialer Enkulturationsprozess, bei dem lange nicht nur die physischen Bedürfnisse befriedigt werden. „Essen schmeckt, wenn es auch die Seele sättigt!“, bringt es Höhl auf den Punkt.
Lena Renner