Gesundheit
Mediterran, entspannt & Bio
UGB-Tagung informiert online über Gesundheit und Ernährung

Welchen Nutzen hat eine pflanzenbasierte Vollwert-Ernährung? Wie hängen Psyche und Immunsystem zusammen? Warum können Rinderprodukte für Säuglinge gefährlich sein? Und was verbirgt sich hinter dem neu eingeführten Nutri-Score? Am 7. Und 8. Mai lud der Verband für Unabhängige Gesundheitsberatung e.V. (UGB) zu einer Online-Tagung und gab dabei einen Einblick in vielfältige Gesundheits- und Ernährungsthemen.
Verschiedene Mediziner und Ernährungsexperten plädierten auf der Tagung für eine mediterrane Vollwert-Ernährung: pflanzenbasiert, mit wenig Fleisch und dafür viel Obst, Gemüse, (See-)Fisch, Nüssen und Olivenöl.
Gunter P. Eckert, Professor am Gießener Institut für Ernährungswissenschaft, zeigte, wie Polyphenole gegen Alzheimer und verminderte Gehirnleistungen im Alter wirken können. Die sekundären Pflanzenstoffe, die in der mediterranen Küche reichlich enthalten sind, könnten als Antioxidantien schützend eingreifen, wenn die Mitochondrien, die Kraftwerke unserer Zellen, mit zunehmendem Alter an Funktionsfähigkeit einbüßen. Außerdem wirkten sie auch Entzündungen im Gehirn entgegen. „So bunt wie möglich!“, gab Eckert den Teilnehmern als Ernährungsmotto mit.
Pflanzenbasiert gegen Übergewicht
Auch der Mediziner Günther Schwarz und der Ökotrophologe Hans-Helmut Martin, beide Dozenten an der UGB-Akademie, empfahlen in ihrem Vortrag über den Zusammenhang zwischen der Nichtalkoholischen Fettleber, Typ-2-Diabetes und Adipositas eine mediterrane, pflanzenbasierte Ernährung. Martin nahm unterschiedliche Fette genau unter die Lupe und riet als Fazit zu einer abwechslungsreichen Verwendung der breiten Palette unterschiedlicher Pflanzenöle. Raffinierte Öle sollten dabei zugunsten von nativen, kaltgepressten vermieden werden, da in letzteren die mehrfach ungesättigten Fettsäuren und Vitaminen noch erhalten sind.
Das Gewicht zu normalisieren schützt nicht nur vor Fetteinlagerungen in der Leber, sondern auch vor dem Reflux, der sich durch den Rückfluss von Magensaft in die Speiseröhre und das folgende Sodbrennen bemerkbar macht. Der Mediziner Rainer Matejka riet zur Abhilfe zu basischer Gemüsekost, Kräutertee und der Vermeidung von fetten und süßen Speisen.
Eine Lebensmittelkennzeichnung, die Verbraucher dabei unterstützen soll, zu gesünderen Lebensmitteln zu greifen, ist der Nutri-Score, dessen Verwendung in Deutschland seit Herbst 2020 offiziell erlaubt ist. Auf Basis von 100 Gramm eines Produkts wiegt er günstige gegen ungünstige Nährwerte ab und kommt so zu einer Gesamtbewertung von A bis E, die in Ampelfarben gut sichtbar auf der Vorderseite des Produkts platziert wird. Während der Nutri-Score von Bio-Verfechtern oft eher kritisch betrachtet wird, da eine künstlich gesüßte Cola dabei besser abschneiden kann als ein Bio-Apfelsaft oder gesundes natives Olivenöl, bewertete Stefanie Gerlach von der Deutschen Adipositas Gesellschaft das neue Kennzeichen als wirksames Mittel im Kampf gegen Übergewicht und Diabetes. Dass Verbraucher weniger zu ungesunden Fertigprodukten greifen und Unternehmen gleichzeitig die Nährwertprofile ihrer Produkte verbessern, sei als Folge zu erhoffen.
Verschmähtes Gluten, bedenkliche Plasmidome
Auch aktuelle Ernährungstrends und Forschungsergebnisse wurden auf der UGB-Tagung beleuchtet. Dass Weizen nicht wegen seines Klebereiweißes Gluten zu verteufeln ist, zeigte Ernährungsberaterin Beatrice Schilling. Zwar sei eine ausgewogene Ernährung auch mit alternativen Getreiden möglich, aber nicht von einer Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) Betroffene hätten keinen Grund, auf energie- und ballaststoffreiches Vollkorngetreide zu verzichten. Viele, die befürchteten, sensibel auf Gluten zu reagieren, litten in Wirklichkeit unter einer Unverträglichkeit sogenannter FODMAP – das sind kurzkettige Zuckermoleküle wie Fructose, Lactose und Fruktane, die ebenfalls in Weizen, Roggen und Gerste enthalten sind. Durch eine FODMAP-arme Ernährung könnten die Beschwerden von Menschen mit Reizdarmsyndrom häufig gelindert werden.
Für die meisten ist Weizen also unbedenklich. Vorsicht geboten ist dagegen bei Rinderprodukten wie Milch und Fleisch – zumindest, was die Säuglingsernährung betrifft. Die enthaltenen Plasmidome, eine bislang unbekannte Klasse von Erregern, können nach neuesten Erkenntnissen von Wissenschaftlern das Risiko für Krebserkrankungen erhöhen. So konnte ein enger Zusammenhang zwischen Regionen, in denen viel Milch und Fleisch von europäischen Rindern konsumiert wird, und dem Auftreten von Darm- und Brustkrebs festgestellt werden. Auch wenn die Krankheit erst Jahrzehnte später ausbricht, wird von einer Infektion in den ersten zwölf Lebensmonaten ausgegangen. UGB-Präsidentin Edith Gätjen und Mitarbeiterin Julia Bansner empfahlen daher, für die Beikost der Säuglinge (frühestens ab dem fünften Monat) auf Alternativen wie Geflügelfleisch und Ziegenmilch zu setzen. Auch eine rein vegane Ergänzung zu den Muttermilch-Mahlzeiten sei möglich: etwa mit Beigabe von Mikroalgenöl und Nori-Flocken oder einer Soja-Formulanahrung.
Gesunde Seele – gesunder Körper
Eine neue Perspektive neben der westlichen Medizin bot Großmeister Qingshan Liu, der (zugeschaltet aus der USA) einen Einblick in die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) gab. Eine Hauptrolle kommt dort der Lebensenergie Qi zu, deren Veränderungen untersucht werden und die in Harmonie gebracht werden soll. „Im Nieren-System sitzt das Ur-Qi, das alle anderen Organe betrifft“, erklärte Großmeister Li. „Ein gutes Nieren-Qi macht gelassen und führt zu innerer Stärke.“ Rund um die Uhr seien wir Emotionen ausgesetzt, welche die Gesundheit damit auch am meisten beeinflussten – Ärger wie ein Gift, Glück wie ein gutes Medikament. Aber auch Nahrungsmittel könnten wie Medikamente wirken – etwa kühlende Wassermelone gegen Fieber oder Ingwer und brauner Zucker gegen Erkältung.
Einen ähnlich ganzheitlichen Ansatz wie die TCM verfolgt die Psychoneuroimmunologie (PNI), welche die dualistische Trennung von Körper und Seele in der Biomedizin überwinden möchte. Ausgehend vom biopsychosozialen Modell nach George Engel wird der Mensch dabei als mehr als die Summe seiner Teile betrachtet und die Psyche als wichtiger Immunfaktor anerkannt. Christian Schubert, Leiter des PNI-Labors an der Universitätsklinik Innsbruck, beschrieb, wie chronischer Stress die Infektionsanfälligkeit erhöhen und den Erkältungsschutz vermindern kann. Als besonders problematisch erachtete er dies im Hinblick auf den erhöhten Stress, dem viele jetzt schon seit langem durch die Pandemie ausgesetzt sind.
Dass eine übermäßige Fixierung auf (vermeintlich) gesunde Nahrungsmittel auch zum Problem werden kann, berichtete Friederike Barthels, die am Institut für Experimentelle Psychologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf forscht. Auch wenn die Orthorexie (noch) nicht offiziell als psychische Störung anerkannt ist, seien nach Schätzungen etwa ein bis sieben Prozent der deutschen Bevölkerung betroffen. Erkrankte beschäftigen sich zwanghaft mit dem eigenen Essverhalten, befolgen rigide Ernährungsregeln, bei denen die erlaubten Lebensmittel oft immer weiter reduziert werden, und reagieren bei Nicht-Einhaltung mit Angst oder Schuldgefühlen. Die Folgen reichten vom subjektiven Leidensdruck bis zur Fehlernährung. Bei der Behandlung werde versucht, die Ängste vor ‚ungesunden‘ Lebensmitteln abzubauen und ein entspannteres Essverhalten zu fördern.
Bio essen und genug schlafen
Zur gesunden Ernährung gehört auch der Verzehr von pestizidfreien Bio-Produkten. Jörg Große Lochtmann, Vorstand der Marktgesellschaft der Naturland Bauern AG, erzählte von den jüngsten Entwicklungen im Ökolandbau, vom Bio-Boom und dem Einzug in den Discount. „Bio hat den Handel erobert – aber erobert der Handel jetzt Bio?“, fragte er mit Blick auf den verstärkten Preiskampf, verbilligte Bio-Produkte und überdurchschnittlich viele Handelsmarken statt Herstellermarken im LEH. Um Bio-Standards zu erhalten und weiterzuentwickeln, plädierte er für starke Anbauverbände. Während die Schärfe der Bio-Kontrolle bei der EU-Auslobung eher abnehme, könne man sich auf Verbandssiegel nach wie vor verlassen. Außerdem stünden die Verbände auch für Sozialrichtlinien und könnten helfen, das seit Jahren gleichbleibende Einkommen der Bio-Landwirte zu erhöhen.
Auch das Thema Schlaf bekam auf der Tagung eine Plattform. Der Apotheker Alexander Schäfer sprach vom Schlafhormon Melatonin, den verschiedenen Schlafphasen und seelisch bedingten Schlafstörungen. In puncto Ernährung sorgten Vitamine, Mineralstoffe und bioaktive Pflanzenstoffe für einen längeren und besseren Schlaf. Während Proteine die Wachzeiten verringerten und eine geringe glykämische Last die Schlafqualität verbessere, reduzierten gesättigte Fettsäuren die Tiefschlafphasen.
„Das Konzept der Vollwerternährung passt einfach!“, freute sich Edith Gätjen zum Ende der Tagung. Abschließend lud sie die rund 600 Teilnehmer zum nächsten Fachtreffen ein, dem UGB-Symposium mit dem Schwerpunktthema ‚Magen‘ im Oktober.
Lena Renner