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Unverhoffter Mitstreiter aus Frankreich

Französischer Rechnungshof veröffentlicht Plädoyer für mehr Bio

Unverhoffter Mitstreiter aus Frankreich

Der französische Rechnungshof (Cour des Comptes) hat im vergangenen Sommer unter Auswertung der wissenschaftlichen Fachliteratur eine gründliche Bewertung der französischen Bio-Landwirtschaft vorgelegt. In dem 353 Seiten umfassenden Bericht macht er sich zum Anwalt des Ökolandbaus und fordert eine stärkere staatliche Förderung.

Das französische Landwirtschafts-Ministerium verfolge anspruchsvolle Ziele, ohne aber ausreichende Mittel zur Verfügung zu stellen – so der Rechnungshof. Die Entwicklung der biologischen Landwirtschaft sei im günstigen Fall begleitet, manchmal aber auch gebremst worden.

In einer Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen Literatur untersucht der Rechnungshof die Vorteile der Bio-Landwirtschaft, die sich sowohl in der Verringerung negativer Externalitäten als auch in eigenen positiven Externalitäten zeigten. Insgesamt anerkenne die Literatur bereits Vorteile in folgenden Bereichen:

  • Gesundheit
    Studien deuten auf einen Zusammenhang zwischen Pestizidbelastung und Krankheiten (wie Krebs, Parkinson etc.) hin – sowohl bei Landwirten als auch bei Verbrauchern.
  • Sauberes Wasser
    Bio-Landwirtschaft verringert die Wasserverschmutzung durch Nitrate, Phosphor und Pflanzenschutzmittel.
  • Bodenfruchtbarkeit
    Bio-Böden haben einen höheren Anteil an organischem Material, können mehr Wasser aufnehmen und mehr Kohlenstoff speichern.
  • Luftqualität
    Die Ammoniak-Emissionen des in der konventionellen Landwirtschaft genutzten Stickstoffdüngers bleiben im Ökolandbau aus.
  • Biodiversität
    Auf biologisch bewirtschafteten Flächen gibt es durchschnittlich 30 Prozent mehr Arten, deren Populationen um 50 Prozent größer sind.
  • Emissionen
    Weil keine stickstoffhaltigen Dünger eingesetzt werden, verursacht der Ökolandbau weniger klimarelevante Emissionen, vor allem weniger Lachgas.
  • Tierwohl
    Durch das Verbot der Käfighaltung und der Anbinde-Haltung von Tieren, der Begrenzung ihrer Anzahl und der Garantie von Zugang zu Freiland wird das Tierwohl durch die Bio-Landwirtschaft verbessert.
  • Beschäftigung
    Ökolandbau ist für junge Landwirte attraktiv. Weil er arbeitsintensiver ist, schafft er außerdem Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und in der Bio-Lebensmittelherstellung.

Der Bericht analysiert anschließend, warum die von Frankreich im Jahr 2010 festgesetzten Ziele (15 Prozent Bio-Fläche und 20 Prozent Bio in der öffentlichen Gemeinschaftsverpflegung) nicht erreicht wurden, und leitet daraus zwölf Empfehlungen unter drei Überschriften ab:

  • Aufklärung der Bürger und Konsumenten über den Einfluss der Bio-Landwirtschaft auf Umwelt und Gesundheit
  • Neuausrichtung der öffentlichen Unterstützung der gesamten Landwirtschaft zugunsten von Bio
  • Bessere Unterstützung der Wertschöpfung in der Bio-Branche

Unter anderem fordert der Rechnungshof, die Mittel für Forschung und Innovation in der Bio-Landwirtschaft deutlich zu erhöhen. Auch die Angebote für Ausbildung und Betreuung sollten verstärkt werden. Zwar würden die geringeren Erträge im Ökolandbau oft als Hindernis für eine autonome Nahrungsmittelversorgung dargestellt. Allerdings bewege sich die Produktivität der konventionellen Landwirtschaft nach unten, während die Bio-Landwirtschaft Potenzial für Verbesserungen biete – bei entsprechenden Investitionen in Forschung und Entwicklung.

Als unabhängige Einrichtung, der keine eigennützige Motivation vorgeworfen werden kann, ist der französische Rechnungshof ein wichtiger neuer Fürsprecher für Bio. Dass eine solche Institution von Politik und Verwaltung mehr finanzielle Bio-Unterstützung fordert, ist bemerkenswert und könnte auch bisherige Gegner oder Skeptiker zum Umdenken bewegen.

Lena Renner

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