Menschenrechte
Nach Kohle- und Ölembargo: Ansturm auf neue Rohstoffquellen bedroht Umwelt und Menschenrechte
Initiative Lieferkettengesetz fordert verbindliche Regeln
Der Angriffskrieg gegen die Ukraine droht, weit über die Region hinaus Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in Rohstofflieferketten zu befördern. In einer heute veröffentlichten Analyse zeigt die ‚Initiative Lieferkettengesetz‘, wie Bundesregierung und Unternehmen nach alternativen Quellen für Steinkohle, metallische Rohstoffe und Erdöl aus Russland suchen. Dabei geraten zunehmend Regionen wie Kolumbien oder Indonesien in den Fokus, in denen die Rohstoffindustrie zu massiven Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen beiträgt.
Das letzte Woche beschlossene Ölembargo der EU verschärfe diese Entwicklung zusätzlich. Wichtig seien daher verbindliche Regeln zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt in den Lieferketten, so die Initiative.
„Indigene in Kolumbien dürfen nicht zu den Leidtragenden der Sanktionen gegen Putin werden. Wir unterstützen die beschlossenen Importstopps von Rohstoffen aus Russland. Wir sind aber besorgt, dass dies auf Kosten von Menschen und Umwelt in den Abbaugebieten geschieht. Ein wirksames EU-Lieferkettengesetz ist dringlicher denn je“, kommentiert Johannes Heeg, Sprecher der Initiative Lieferkettengesetz.
Seit dem EU-Beschluss über ein Kohleembargo gegen Russland setzt die Bundesregierung verstärkt auf Steinkohle aus Kolumbien. Der dortige Tagebau bedrohe das Recht auf Wasser der umliegenden indigenen Gemeinden, Zwangsumsiedlungen und Mordanschläge seien keine Seltenheit.
Auch um russisches Erdöl zu ersetzen, will Deutschland Importe aus anderen Ländern steigern. Potenzielle Herkunftsländer wie Nigeria, Kasachstan oder die Vereinigten Arabischen Emirate sind für schwere Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen berüchtigt. Der französische Konzern TotalEnergies plant zudem Erdölbohrungen und Pipelines in ökologisch hochsensiblen Regionen in Uganda und Tansania. Um Nickelimporte zu ersetzen, suchen Unternehmen Ersatz aus Indonesien und den Philippinen.
„Ein Embargo für russisches Öl darf nicht dazu führen, dass wir im Jahr 2022 fossile Megaprojekte weiter vorantreiben und für Jahrzehnte unsere Abhängigkeit zementieren“, sagt Antje von Broock, Geschäftsführerin des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Über ein EU-Lieferkettengesetz müssten Erdölunternehmen dazu verpflichtet werden, Risiken für Mensch und Umwelt zu minimieren und ihren Energie- und Rohstoffverbrauch drastisch zu senken.
Bislang sind deutsche und europäische Unternehmen nicht dazu verpflichtet, in ihren Lieferketten auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards zu achten: Das deutsche Lieferkettensorgfaltpflichtengesetz tritt erst 2023 in Kraft, für eine europaweite Regelung hat die EU-Kommission im Februar einen Entwurf vorgelegt, der nach Ansicht der Initiative jedoch noch viele Schlupflöcher enthält. In ihrem Koalitionsvertrag haben sich SPD, Grüne und FDP zu einem ‚wirksamen EU-Lieferkettengesetz‘ bekannt.
Die Initiative Lieferkettengesetz ist ein Zusammenschluss von mehr als 130 zivilgesellschaftlichen Organisationen. Sie wird getragen von:
Amnesty International Deutschland, Arbeitsgemeinschaft der Eine Welt-Landesnetzwerke in Deutschland e.V. (agl), Brot für die Welt, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND), Christliche Initiative Romero e.V. (CIR), CorA-Netzwerk für Unternehmensverantwortung, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), FEMNET e.V., Forum Fairer Handel e.V., Germanwatch e.V., Greenpeace e.V., Inkota-netzwerk e.V., Bischöfliches Hilfswerk Misereor e.V., Oxfam Deutschland e.V., Südwing e.V., ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, WEED - Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung e.V., Weltladen-Dachverband e.V., Werkstatt Ökonomie e.V.