Ukraine
Bio-Kornkammer Ukraine – Handeln, aber richtig!

Der Angriffskrieg der russischen Truppen gegen das westliche Schwesterland empört die weltweite Biobewegung. Die beste Form der Solidarität mit der ukrainischen Biobranche: Der aktive Ausbau der Handels-Kooperation!
Der tapfere Widerstand, mit dem die ukrainische Bevölkerung ihre neu aufgebaute rechtstaatlich-demokratische Gesellschaftsordnung verteidigt ist längst legendär geworden. Weit über die Landesgrenzen hinaus wächst die Erkenntnis, dass damit auch die Zukunft der europäischen Wertegemeinschaft verteidigt wird.
Aufruf ‚Organic Ukraine‘: Trotz Krieg Kooperation ausbauen!
In einem aktuellen Statement ruft die ukrainische Biobranche offensiv dazu auf, trotz oder gerade angesichts des russischen Angriffskriegs im Rahmen der Möglichkeiten die Handelsbeziehungen aufrecht zu erhalten und auszubauen.
In der Biobranche wurde die Entwicklung der sprichwörtlichen ‚Kornkammer Europas‘ zu einem wichtigen Herkunftsland vielfältiger Bioackerbau-Erzeugnisse seit Jahren mit viel Interesse wahrgenommen. Um dies zu erreichen, wurden in Koordination mit der europäischen und globalen Bioszene spezifische Unterstützungsprogramme lanciert. Vielfältige, langfristig angelegte Kooperationen und Entwicklungsprojekte wie das langjährige Engagement des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) unterstützten die ukrainische Biobewegung als gegenseitiger Lernprozess auf Augenhöhe.
Ernährungsversorgung in Nahost und Afrika akut bedroht
Laut offiziellen ukrainischen Quellen ist die Grundversorgung der Bevölkerung dank einer ausgebauten Pflichtlagerhaltung sichergestellt. Viele grosse Agrarbetriebe sitzen zudem auf umfassenden Lagerbeständen und sind entsprechend lieferbereit und offen für neue Kooperationen. Verteil- und Versorgungsprogramme stellen im ganzen Land die Ernährung sicher – in Kooperation mit vielen internationalen Organisationen.
Für die globale Agrar- und Ernährungswirtschaft stellen sich existentielle Herausforderungen mit Gefahren und Risiken, die sich nicht auf Preissteigerungen und vereinzelt verknappte Lieferketten beschränken. Stark bedroht sind der Nahe Osten und einige Länder Afrikas, die sehr stark vom ukrainischen und teilweise dem russischen Brotgetreide-Anbau abhängig sind. Laut offiziellen ukrainischen Quellen hängt die Ernährung von insgesamt mehreren Hundert Millionen Menschen direkt von ukrainischen Getreidelieferungen ab.
Frühlingsaussaat im Kriegs-Modus
Im Frühling steht bekanntlich die Aussaat für Getreide und viele weitere Ackerbaukulturen an, für die Arbeit auf den großen Agrarflächen der sprichwörtlichen Kornkammer Ukraine eine entscheidende Zeit. Die Behörden unternahmen seit März in Koordination mit den Fachleuten der Branche die Organisation, um dies überall dort zu ermöglichen, wo die kriegerische Bedrohung nicht allzu gross ist.
Laut der offiziellen Informationsplattform ‚Ukrinform.net‘ blieben kriegsbedingt dennoch rund ein Drittel der Ackerbauflächen diesen Frühling unbearbeitet. Stark betroffen sind die grossen Agrargebiete des ukrainischen Südostens. Dieser Landesteil ist bekanntlich derzeit am stärksten von russischen Angriffen betroffen. In vielen Gebieten, aus denen die russische Armee zurückgedrängt wurde, stellten verminte Ackerflächen nach wie vor eine große Gefahr dar.
© Entrepreneurship and Export Promotion Office
Donau Soja – Zuversichtlich und lieferbereit
Betroffen vom russischen Angriffskrieg ist auch der Anbau von gentechfreien Futterkulturen, die sich seit einigen Jahren als europäische und ökologisch sinnvolle Alternative zu Herkunftsländern wie Brasilien und China etablierten.
Das Soja Netzwerk Schweiz hat bei seiner Mitgliederversammlung am 22. April 2022 die Beschaffungssituation besprochen und kommt zu dem Schluss: Die Versorgung der Schweiz mit GVO-freiem Tierfutter ist sichergestellt. Matthias Krön, der Gastreferent aus Österreich, schilderte die Lage und Auswirkungen des Krieges in der Ukraine. Als Gründer und Vereinsobmann des Netzwerks ‚Donau Soja‘ plädierte Krön für ‚Vernunft, Augenmaß und eine faktenbasierte Diskussion. Die Ukraine liefert nach wie vor auf dem Landweg, täglich erreichen uns Berichte von erfüllten Lieferverträgen. Auch für die neue Ernte 2022 rechnen wir mit der Ukraine, europaweit zeichnet sich sogar eine rekordverdächtig grosse Soja-Ernte ab. Das Soja Netzwerk ist europaweit ein Vorbild, wie eine ganze Branche freiwillig Verantwortung übernimmt und das Vertrauen in die Land- und Ernährungswirtschaft stärkt.
Sojanetzwerk Schweiz: ‚Njet‘ zu Russland-Importen
Die Schweiz hat bis vor kurzem auch Futtermittel aus Russland und der Ukraine bezogen. Im März 2022 entschied eine Task Force des Soja Netzwerk, keine neuen Käufe von Futter-Soja aus Russland zu tätigen, womit eine wichtige Beschaffungsquelle wegfällt. Die Versorgungssicherheit der Schweiz mit GVO-freiem Futtermittel ist dadurch nicht gefährdet. Mit dem Verzicht auf Futter-Soja aus Russland nimmt das Soja Netzwerk seine Verantwortung wahr und geht den Weg des gemeinsamen Engagements konsequent weiter.
Ukrzaliznytsia – Staatsbahn als bedrohter Lebensnerv
Den ukrainischen Staatsbahnen Ukrzaliznytsia (Originalschreibweise: Укрзалізниця) kommt bei der Durchhaltefähigkeit des ukrainischen Widerstand eine entscheidende Rolle zu, von den lebensrettenden Massen-Evakuationen über die humanitäre Hilfe bis zur Versorgung existentiell notwendiger Güter. Da dies auch der russischen Armee bekannt ist, sind Angriffe auf Personen- und Güterzüge an der Tagesordnung. Die Einsatzteams der Staatsbahnen stehen daher unter Dauereinsatz, neben der humanitären Rettung auch zur Instandhaltung und Reparatur der Infrastruktur. An Rollmaterial fehlt es dabei nicht. Eine im März 2022 neu geschaffene Rechtsgrundlage ermöglicht es der Staatsbahn Ukrzaliznytsia, das auf ukrainischem Gebiet stehende Rollmaterial russischer Eisenbahnen zu ‚nationalisieren‘. Laut einer Medienmitteilung seitens Ukrzaliznytsia könnten insgesamt rund 15.000 Wagons betroffen sein.
Lieferfähigkeit – Landweg im Ausbau
Der russische Angriffskrieg verstärkt die Wirtschaftskooperationen primär mit den unmittelbaren Nachbarländern. Dabei steht auch der Ausbau alternativer Logistik- und Lieferketten im Fokus. In Kooperation mit dem polnischen Agrarministerium wird laut ‚Ukrinform.net‘ die Nutzung der polnischen Hafeninfrastruktur als zumindest Ersatzweg zu den durch den Krieg bedrohten Auslieferungen in den ukrainischen Schwarzmeer-Häfen verstärkt.
Peter Jossi