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Schweiz

Die Bio-Schweiz

Jubiläumsjahr mit Höhepunkten und neuen Horizonten

Die Bio-Schweiz © Coop

Die Bioschweiz konnte 2021 das 40-jährige Jubiläum von Bio Suisse, dem Dachverband der Biobranche, feiern. Mit Blick auf die Zukunft sorgten die gute Marktentwicklung und neue Kooperationen für Schlagzeilen.

Die Position als europäisches Bio-Vorzeigeland musste die Schweiz bereits vor einigen Jahren an Dänemark abtreten. Dies hat einen konkreten Grund: Im Bereich der Gemeinschaftsverpflegung, namentlich bei den öffentlich-staatlichen Angeboten, bestehen zwar viele gute Initiativen. Insgesamt nimmt die Schweiz aber im europäischen Vergleich eine Nachzügler-Rolle ein.

Eher ein Nischendasein fristet in der Schweiz auch der klassische Biofachhandel, obwohl Großhandelsunternehmen wie die Bio Partner AG dieses Segment mit innovativen Konzepten und professioneller Vermarktungsunterstützung weiterentwickeln. Der Spielraum ist und bleibt jedoch letztlich beschränkt. Mittlerweile bieten nahezu alle Detailhandelskanäle (LEH) bis hin zu den nun auch in der Schweiz verankerten Lidl- und Aldi-Ketten relativ umfassende Bio-Sortimente an.

Nach vielen Jahren Aufbauarbeit befindet sich immerhin Alnatura auf einem Expansionskurs an teilweise äußerst attraktiven Lagen. Dabei ist zu beachten: Der Alnatura-Erfolg in der Schweiz basiert zu einem nicht geringen Maß auf der strategischen Kooperation mit der Migros-Genossenschaft Zürich als innovativstem Teilverband des marktmächtigen Migros-Genossenschafts-Bundes (MGB).

Erfolgsstory im Detailhandel geht weiter

Anfangs 2021 zeigte der Jahresrückblick 2020 klar: Die bereits vergleichsweise hohen Umsätze im Schweizer Detailhandel stiegen auch im Corona-Jahr auf bereits hohem Niveau nochmals stark an. Aufgrund der Erfahrungen während der harten Lockdown-Phase, in der Schweiz vor allem im Frühling 2020, war diese Entwicklung erwartet worden. Die Nachfrage nach Bio- und weiteren Labelprodukten hatte zeitweise massiv angezogen und konnte die Gastronomie-Verluste mehr als kompensieren. So waren beispielweise im Coop-Kanal die Biomehl-Regale und in der logischen Folge auch die Bio-Frischhefe aus Schweizer Eigenherstellung zeitweise ausverkauft. Die Ursache war keine grundsätzliche Versorgungskrise, sondern eine Art kollektiver Backwahn, der in milderer Form bis heute anhält.

Bio wuchs 2020 um knapp 20 Prozent

Gemäß offizieller Bio Suisse-Zahlen vermeldete der Schweizer Detailhandel für das Corona-Jahr Rekordzahlen im Bioumsatz. Wegen geschlossener Restaurants und Kantinen kochten die Menschen zu Hause, und aufgrund der geschlossenen Grenzen kauften sie in der Schweiz ein. Zusätzlich zum starken Wachstum im Bio-Segment trieb diese Entwicklung den Umsatz mit Bio-Artikeln auf ein neues Rekord-Niveau. Die Schweizer Kundschaft kaufte 2020 Bio-Lebensmittel im Wert von mehr als 3,8 Milliarden Schweizer Franken (CHF). 2019 waren es noch 3,2 Milliarden gewesen. Der Marktanteil beträgt damit neu 10,8 Prozent (2019: 10,3%). Die beliebtesten Produkte sind wie schon in den Vorjahren Eier (28,9% Marktanteil), Brot (26,2%) und Gemüse (23,9%). Lockdown und Homeoffice veränderten die Konsumgewohnheiten. Sowohl Umsatz (1.050 Millionen) wie auch der Marktanteil verpackter und verarbeiteter Bio-Produkte (8,2% + 22,4%) konnten überdurchschnittlich zulegen.

Markttreiber Coop

Die Schweizer Großgenossenschaft Coop sorgt seit dem Bio-Einstieg des Großverteilers in den 1990er Jahren und der strategischen Kooperation mit Bio Suisse für ein stetiges jährliches Bio-Wachstum und einen entsprechenden Nachfragesog auch bei den Zulieferern aus der Landwirtschaft, Tierhaltung und der Verarbeitungsbranche.  

Der Coop-Kanal überschritt 2020 mit dem Bio-Sortiment die symbolträchtige Umsatzmarke von CHF 2,0 Milliarden. Der Nachhaltigkeitsumsatz erhöhte sich um CHF 738 Millionen auf CHF 5,4 Milliarden. Damit bleibt Coop klare Marktführerin. Coop erwirtschaftete 2020 einen Gesamtumsatz von CHF 30,2 Milliarden. Der Gewinn blieb stabil und betrug CHF 539 Millionen (+ CHF acht Millionen). Damit weist Coop trotz herausforderndem Umfeld einen konstanten Gewinn aus. Das Eigenkapital belief sich auf 51,2 Prozent der Bilanzsumme. Coop steht somit weiterhin auf einem sehr robusten finanziellen Fundament und hat beste Voraussetzungen für eine weiterhin positive Entwicklung. Der Nachhaltigkeitsumsatz wuchs 2020 insgesamt um rund CHF 738 Millionen auf CHF 5,4 Milliarden. Damit ist Coop in der Schweiz weiterhin die klare Nummer 1 im Bereich Nachhaltigkeit.

Brotgetreide: Coop setzt auf 100 Prozent Bio-Swissness

Der Coop-Erfolg basiert nicht zuletzt auf der öffentlichen Kommunikation langfristiger Ziele, die erfahrungsgemäß wirksame Impulse auf die Wertschöpfungskette bewirken. So deklarierte der Großverteiler beispielsweise vor mehreren Jahren die genauen Flächen- und Tonnenziele für den inländischen Bio-Sojaanbau – und löste dadurch eine agronomische Wende und das entsprechende Mengenwachstum aus.

Ein Resultat einer gezielten Sortimentspolitik ist auch der vergleichsweise hohe Anteil an Biobrot in den Coop-Regalen. Durch das stetige Nachfragewachstum schaffte es der Schweizer Bioackerbau aber seit den Anfängen des Biolandbaus noch nie, die Inlandversorgung auch nur annähernd sicherzustellen. Dies steht ganz im Gegensatz zum Label IP Suisse, ein sehr erfolgreicher und anspruchsvoller Standard, der auf der Pestizid- und Hilfsstoffe-reduzierten integrierten Landwirtschaft basiert. Das Marienkäfer-Label gibt es seit jeher ausschließlich für Schweizer Erzeugnisse, was die IP Suisse-Verantwortlichen gerne und oft betonen.

Genau hier setzt nun Coop mit einer neuen Zielsetzung an: 100 Prozent inländisches Mehl für das gesamte Biobrot-Sortiment im Coop-Kanal. Die Infrastruktur ist seitens Coop-Gruppe mit der mitten in Zürich liegenden unterneh- menseigenen Swissmill-Mühle, mehreren industriellen Großbäckereien und einem Netzwerk von Instore-Bäckereien längst vorhanden. Aufgrund des zu erwartenden starken Nachfragewachstums für Inland-Brotgetreide sucht Bio Suisse nun aktiv neue Umstellbetriebe. Das Mengenwachstum konnte bereits in den vergangenen Jahren gesteigert werden. Gemäß Bio Suisse-Zahlen wurden im Getreidejahr 2019/2020 in der Schweiz insgesamt 47.702 Tonnen Knospe-Mehl gemahlen. Zwischen 60 Prozent (Weizen) und 75 Prozent (Dinkel) dieses Getreides stammten aus der Schweiz. Die Messlatte für die neuen Coop-Vorgaben ist also hoch, aber nicht unerreichbar.

Strategischer Epochenbruch bei der Migros

Die zweite Großgenossenschaft im Schweizer Detailhandel, die Migros, wurde Mitte der 1990er Jahre von der Biowelle etwas überrumpelt. Der zweite orange Riese, beide Genossenschaften treten mit der Farbe Orange auf, vermarktet jedoch seit 1996 mit beachtlichem Erfolg ein breites Sortiment unter der Eigenmarke Migros Bio. Bei der Beschaffung aus der Schweiz setzte die Migros seit vielen Jahren auf Bio Suisse-Qualität. Dies erfolgte eher zwangsläufig, denn die Schweizer Biolandwirtschaft produziert ohnehin fast flächendeckend gemäß diesem Standard. Für Importprodukte beschränkte sich der Migros-Einkauf jedoch stets auf die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen der Schweizer-Bioverordnung, was in den meisten Fällen hieß: EU-Bioqualität. Für die Verwendung des nur mit entsprechender Lizenzvereinbarung zugänglichen Knospe-Labels interessierten sich die Migros-Verantwortlichen in den vergangenen 25 Jahren zumindest im Rahmen der öffentlichen Kommunikation nie. Neben den einschränkenden Bestimmungen nicht nur beim Import, sondern auch für die Bioverarbeitung waren dafür wohl zwei Hauptgründe verantwortlich: Die Einsparung der Umsatzabgabe für die Knospe-Lizenz und die Abgrenzung gegenüber dem Hauptkonkurrenten Coop.

Im Juni sorgte daher eine gemeinsame Medienmitteilung für Überraschung auch bei gut informierten Kreisen der Biobranche: „Die Migros und Bio Suisse arbeiten künftig noch enger zusammen. So gelten die hohen Standards von Bio Suisse fortan auch für verarbeitete und importierte Migros Bio-Produkte.“ Die beiden Partner hatten die Vertiefung der Kooperation in einer gemeinsamen Medienmitteilung angekündigt, was für sich allein bereits eine kleine Sensation war. „Mit diesem Schritt wollen sich die Migros und Bio Suisse gemeinsam für eine nachhaltigere Landwirtschaft einsetzen“, so die gemeinsame Kernbotschaft. Betont wurde zudem der „durch die Corona-Pandemie beschleunigte Trend zu einer vermehrt nachhaltigen und gesunden Ernährung.“ Tatsächlich hatte auch Migros 2020 das unternehmenseigene Umsatzziel von zehn Prozent mit Bio-Lebensmitteln übertroffen. „Die Migros nimmt dies zum Anlass, die bestehenden Bio-Richtlinien weiterzuentwickeln“, so das Bekenntnis der Verantwortlichen aus der Migros-Genossenschaftszentrale in Zürich.

Import: Woher kommt die Bio Suisse-Qualität?

Für die Coop-Einkaufsverantwortlichen ist die enge Zusammenarbeit mit der Bio Suisse über die Beschaffung aus der Schweiz hinaus auch beim Import seit Jahrzehnten eine gut eingespielte Selbstverständlichkeit. Wie die entsprechenden Mengen beschafft werden sollen, zeigt Migros in der Medienmitteilung auf: „Auch im Ausland ist es dank der höheren Nachfrage nun möglich, die strengeren Richtlinien von Bio Suisse in punkto Produktion und Qualität durchzusetzen. So können Kundinnen und Kunden in Zukunft auch bei importierten Produkten auf den hohen Bio Suisse Standard zählen.“

Die Einführung des neuen Beschaffungsstandards bleibt trotz der großen, aber im globalen Vergleich letztlich dennoch bescheidenen Einkaufsmacht von Coop und Migros eine große Herausforderung. Gut möglich ist vor allem, dass die Beschaffung von Knospe-Qualität für kleinere Akteure der Biovermarktung nun zumindest vorübergehend noch anspruchsvoller wird.

Bio Suisse und Naturland verstärken Kooperation

Die Bio Suisse-Richtlinien priorisieren seit vielen Jahren Bio-Zertifizierungen gemäß den Anforderungen von Naturland und weiteren Traditionslabels mit der so genannten Direktanerkennung. Für entsprechend zertifizierte Importprodukte gelten vereinfachte Abläufe im teilweise sehr aufwändigen Importprüfverfahren durch die Bio Suisse-Administration. Anfangs Oktober 2021 kündigten die beiden Organisationen nun eine strategische Verstärkung der Zusammenarbeit an, die mit der Zielsetzung ‚gemeinsam für einen starken internationalen Biolandbau‘ weit darüber hinausgeht. Im Mittelpunkt der Kooperation stehen mit den Themen nachhaltiges Wassermanagement und soziale Verantwortung zwei zentrale Aspekte eines umfassenden Verständnisses von Nachhaltigkeit, die über die gesetzlichen Regelungen zum Biolandbau hinausgehen. Da Naturland über ausgeprägte Kenntnisse in der Verbindung von Bio- und Fairtrade-Qualität einerseits und viel Know How in Fragen der Bio-Aquakultur verfügt, birgt die vertiefte Kooperation zumindest das Potential für konkrete Fortschritte und Synergien in diesen Bereichen.

Peter Jossi

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