Grillen
Die Glut der Grillrevolution ist entfacht
Verbraucher entdecken die Welt jenseits von preiswert und sättigend

Die Grill-Fans stehen in den Startlöchern: Die neu gewonnene Freiheit nach diversen Lock-Downs will mit Würstchen und Burgern gefeiert werden. Allerdings gingen die Veränderungen der letzten Monate nicht spurlos an den Sortimenten vorüber. Eine nunmehr joggende und backende Nation will gesunde, nachhaltige Alternativen auf und unter dem Rost. Hier kamen im letzten Jahr einige Neuerungen hinzu.
Der Fachmensch weiß: Gutes Fleisch erweist sich bei Fingerdruck als fest und zeigt eine feine Fettmarmorierung. Ob es dazu noch Bio-Qualität besitzt, verrät auf den ersten Blick ein Bio-Siegel. Als weitere Kennzeichnung führten im April 2019 Lebensmittelhändler zusammen mit der Initiative Tierwohl ein einheitliches, vierstufiges Kennzeichnungssystem ein. Es reicht von Stufe 1 ‚Stallhaltung‘, die gesetzlichen Mindestanforderungen entspricht, bis Stufe 4 ‚Premium‘, zu der unter anderem Bio-Fleisch zählt.
Die Kennzeichnungen findet man auf abgepackten Fleischprodukten in den Märkten von Aldi, Rewe, Penny, Edeka, Netto Marken-Discount, Kaufland und Lidl.
Vegane und vegetarische Alternativen müssen heutzutage nicht mehr um einen Nischenplatz auf dem Rost kämpfen oder gar eine eigene Feuerstelle einfordern. Gerade junge Menschen bestreiten ihre Grill-Partys komplett mit gebackenem Käse, Tofu-Würstchen und einigen überraschenden Pflanzenprodukten.
Sowohl die Wurst- als auch die Fleischlos-Fraktion kann ihre jeweiligen Delikatessen mit mannigfaltigen Soßen, Grillgewürzen und Marinaden toppen. Hier mildern indisch oder mexikanisch inspirierte Geschmäcker das im vergangenen Jahr aufgestaute Fernweh. Wer nicht nur auf, sondern auch unter dem Rost nachhaltige Produkte einsetzen will, greift zu Grillkohle, die möglichst umweltfreundlich hergestellt wurde.
Fleisch: Spezialitäten, Vollsortimente oder regional
Der Fleischmarkt ist so vielfältig wie die Möglichkeiten, ein Rind zuzuschneiden. Die LFW Ludwigsluster Fleisch und Wurstspezialitäten etwa liefert an den Lebensmitteleinzel- und Großhandel, an Warenhäuser, Discounter, Caterer und die verarbeitende Industrie. Für die Grillsaison erhalten sie von der LFW Steakvariationen (Nacken- und Minuten-Steaks), frische und gebrühte Bratwurst sowie Burger.
Von Natur aus ist Fleisch frei von Getreide-Gluten und von Laktose, die in Milch vorkommt. Doch über Gewürzmischungen und Panade kommen beide doch ins Endprodukt. Daher weist die LFW Ludwigsluster ausdrücklich darauf hin, dass die Fleischzubereitungen frei von Gluten und Laktose sind.
Der Thönes Naturverbund Niederrhein/Müritz bietet eine große Palette an Grillwürsten an. Zu den Klassikern zähle der Kräutergriller. Dazu kommen Würstchen Nürnberger Art (auch als Geflügelwürstchen) und Geflügelgrillwurst. Eher exotische Geschmäcker bedienen fünf weitere Spezialitäten: die Chili-Griller, BBQ Grillwurst Cheese and Onion, Grillwurst mit Datteln, Dörrpflaumen und Speck, frische Rinderbratwurst mit Merguez-Würzung und die Grillwurst porco-e-limao mit einer brasilianischen Würzung.
Unter den 138 Fleischprodukten nennt Thönes als besonders für den Grill geeignet die unterschiedlich gewürzten Zuschnitte vom Schwein, etwa Bauchscheiben, Spare Ribs Nackensteaks und Lachs-Steaks. Das Tier landet auch in Form von Grillspießen mit Paprika und Zwiebeln auf dem Teller. Vom Rind kommen die Keulen-Steaks und vom Geflügel die gewürzte Hähnchenkeule, Chicken Wings und Putenoberkeulen-Steaks.
Die Metzgerei Bio-Bühler beliefert Hersteller, Großhandel, Großverbraucher und den selbstständigen Einzelhandel (SEH). Das Fleisch bezieht sie von zirka 600 Landwirten, die gemäß den Richtlinien von Bioland, Naturland und Demeter produzieren. Dazu gehören selbstverständlich der Verzicht auf Antibiotika und artgerechte Haltungsbedingungen. Das umfangreiche Vollsortiment enthält Rotfleisch, Geflügel, saisonal auch Gans und Ente, Brüh-, Koch-, Rohwurst, Schinken und Convenience im Glas.
Rechtzeitig zur Grillsaison stellt Bio-Bühler eine neue Auswahl an Grillwürstchen vor: Bio-Grillwurst Klassik, Bio-Grillwurst Käse, Bio-Grillwurst Chili, Bio-Grillwurst 100 Prozent Rind, Bio-Grillwurst 100 Prozent Geflügel und einen Bio-Grillmix.
Einige Raritäten sind bei der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall (BESH) zu finden, etwa Flanksteak oder Kachelfleisch vom Schwäbisch-Hällischen Schwein und vom Weiderind Boeuf de Hohenlohe. Speziell für den Grill sind die Boeuf de Hohenlohe Hüftsteaks in Knoblauch-Kräuter-Pfeffer vorgesehen. So genannte Nierenzapfen erfordern vom Metzger einiges Geschick, um sie herauszulösen, weswegen sie ebenfalls selten zu haben sind. Dasselbe gilt für das Picanha, ein Schwanzstück, das in Knoblauch-Kräuter-Pfeffer eingelegt ist. Dagegen sind Boston Butt (Schweineschulter plus etwas Nacken), Bauchscheiben in Knoblauch-Kräuter-Pfeffer, Halssteaks in Knoblauch-Kräuter-Pfeffer und das Dry-Aged Kotelett Tomahawk schon fast gebräuchlich.
Grillfleisch gibt es zudem als Spieße, etwa als Ochsen-, Gyros- oder Flammspieß mit Marinade. In anderer Form kann man es als Rote Wurst, rohe grobe Bratwurst, Rostbratwurst oder Bratwurstschnecken auf den Grillrost legen. Die Produkte gibt es je nachdem in Bioland-, Naturland- oder Demeter-Qualität. Zudem wurde der Anbauverband Ecoland gegründet, der neben Vorgaben der EU-Öko-Verordnung eigene Richtlinien vorgibt.
Wer eher regionale Anbieter sucht, wird im Nordosten Deutschlands bei Terra Natur fündig. Der Bio-Großhändler liefert von Süd-Brandenburg über Sachsen-Anhalt bis hoch in den Norden auf die Insel Rügen. Fast die Hälfte der Fleisch- und Wurstwaren bezieht die Firma aus der Region, etwa von der Biomanufaktur Havelland, Bobalis, Gut Kerkow, Landgut Pretschen und Brodowin. Dementsprechend gehören zum großen Sortiment Schweinenacken, Entrecôte, Lammkoteletts (Biomanufaktur Havelland), Büffelgrillwurst (Bobalis), Hüft- und Nackensteak jeweils als Barbecue und Bärlauch sowie Thymian-Bratwurst (Gut Kerkow), Kalbsbratwurst und Kalbsknacker (Landgut Pretschen) sowie Brodowiner Rindsbratwurst.
Im Westen Deutschlands ist BIO-Fleisch NRW angesiedelt. Über 100 landwirtschaftliche Betriebe aus Westfalen haben sich in diesem großen Erzeugerzusammenschluss organisiert. Dementsprechend vielfältig ist das Angebot: Von Lamm, Rind und dem raren Bentheimer Schwein gibt es unter anderem Steak und Kottelets, Bratwürste und mariniertes Grillgeflügel. Kunden in der Region beliefert BIO-Fleisch NRW mit eigenem Fuhrpark, deutschlandweit zusammen mit einer Kühlspedition.
Geflügel: Die zarte Versuchung
Ob weißes Fleisch gesünder als rotes ist, darüber streitet die Wissenschaft noch. Auf jeden Fall ist es häufig zarter, und landet aus diesem Grund gern auf dem Rost. Ein Spezialist für Enten ist unter anderem Eiermacher aus Oberösterreich, der sie in Form von Filets, Keule und Burger anbietet. Seit 2020 gehört auch die vorgegarte ‚Halbe Bio-Ente Sous Vide‘ zum Sortiment.
Im Jahr 2014 entschied Eiermacher, männliche Küken nicht zu töten, sondern im Projekt Bruderhahn mit aufzuziehen. Bei einem Schlachtgewicht von rund 550 bis 600 Gramm darf es sich noch Stubenküken nennen, das grillfertig frisch vakuumiert wird.
Vorrangig kleinerem Federvieh widmet sich Bodin aus Frankreich, etwa den Hühnchen und Perlhühnern. Letzteres kommt nur en gros auf den Markt. Aus den Hühnern dagegen entstehen Geflügelwürstchen, Hähnchenschnitzel oder -Keule. Unter dem Namen Le Picoreur (Der Picker) wandern sie in den Bio-Fachhandel.
Fleischlose Überraschungen
Die Gesundheitswelle spült zunehmend auch vegetarische oder vegane Alternativen auf die Grillroste. Die Gleichung fleischlos gleich gesund gleich Bio geht allerdings nicht immer auf, wie jüngst Untersuchungen von Stiftung Warentest und Öko-Test aufdeckten.
Stiftung Warentest widmete sich in Ausgabe 5/2021 den Veggie-Burgern, von denen sich jedoch keiner die Note ‚sehr gut‘ verdiente. Fünf Produkte erwiesen sich als auffällig schadstoffbelastet, darunter sogar eines aus der Bio-Abteilung: Schadstoffe in kritischer Menge fanden sich beim Black-Bean-Cashew-Burger vegan (Bio) von Alnatura, was ihm das Gesamturteil ‚befriedigend‘ (Stiftung-Warentest-Note: 3,5) einbrachte. Immerhin die Note 1,8 erhielt der Bratling von Beyond Meat, doch fehlt ihm ein Biozertifikat. Seine Basis bildet Erbsenprotein, mit 21 Inhaltsstoffen ist er sehr stark verarbeitet. Man sieht: Wer gesund, bio und fleischlos kaufen will, muss genau hinschauen.
Einige Veggie-Burger genügen den Ansprüchen gesund und bio zumindest auf gutem Niveau. Der Jackfruit Burger von Lotao erfüllt erstens das Kriterium Bio. Zweitens gab ihm die Stiftung Warentest 5/2021 bezüglich Schadstoffen ein ‚gut‘ (Note 2,5). Seine Grundlage ist die nordindische Jackfrucht, die mit pflanzlichen Proteinen versetzt und gewürzt wird.
Ebenfalls aus Jackfrüchten bestehen Produkte des Hersteller Jacky F. Sie kommen aus kontrolliert biologischem Anbau, wurden jedoch noch nicht von Oeko-Test oder Stiftung Warentest geprüft. Allerdings kauft man mit ihnen kein bratfertiges Produkt: Die Jackfrucht-Schnetzel von Pulled Jackfruit BBQ Style etwa müssen erst zu Burgern geformt werden. Zumindest als Beilage kann man fertig zubereitete Salate reichen, die an Fleisch-, Herings- oder Hähnchensalat erinnern, obwohl sie auf Jackfrucht-Basis hergestellt sind.
Die Ausgabe der Öko-Test 6/2021 mit dem Thema ‚gesund Grillen‘ brachte ein ähnlich ernüchterndes Fazit wie das von Stiftung Warentest: Immerhin 18 Testobjekte waren mit gesättigten Mineralölkohlenwasserstoffen (MOSH) verunreinigt, vier davon in gemäß Öko-Test ‚stark erhöhter‘ Menge. Unter 20 veganen und vegetarischen Bratwürsten bekam nur die vegane Algen-Bratwurst von Viva Maris die Note ‚sehr gut‘. Mehrheitlich besteht sie laut Hersteller aus Zutaten in Bio-Qualität. Die Algen wachsen in Aquakulturen oder wild im Nordatlantik.
Während viele Hersteller versuchen, den Fleischgeschmack zu imitieren, setzt Bunte Burger auf Gemüse, das auch danach schmecken darf. Die Bratlinge Boom Jack BBQ und Superheropaddy bestehen zu zirka 70 Prozent daraus und sind zudem gluten-, soja- und palmölfrei. Der Superheropaddy ist nicht zu verwechseln mit dem Super Hero Burger der Firma Wheaty, der aus Weizeneiweiß besteht. Er erhielt von der Stiftung Warentest die Note 2,5.
Der heiße Tipp: Käse
Wer Käse grillen will, benötigt eine Konsistenz jenseits von bröselig oder zerfließend. Die Mittelmeerküche bescherte Vegetariern den Grillkäse Halloumi. So darf aber seit April 2021 in der EU nur noch Käse aus Zypern genannt werden, alles andere quietscht bald nur noch unter Namen wie Ofenkäse zwischen den Zähnen.
Auch Frischkäse aus der Schweiz gart problemlos in der Gluthitze. Die Züger Frischkäse AG hat schon länger einen Bio Bratkäse im Sortiment, den es in den Varianten Barbecue und Provencal gibt. Neu dazu kamen ein Bio Bratkäse Burger in denselben Geschmacksrichtungen und ein Bio Halloumi aus Kuhmilch. Der muss freilich aufgrund der EU-Regelung bis Oktober 2021 umbenannt werden. In der Übergangsphase kommt er als Bio Halloumi Zyros in den Handel, danach nur als Bio Zyros.
Aus Schaf- und Ziegenmilch hergestellt ist der ‚bio verde original griechische Brat-und Grillkäse‘ der Isana NaturFeinkost. Aus Kuhmilch wiederum ist deren Crostello Brat- & Grillkäse hergestellt, den Oregano, Rosmarin und Thymian geschmacklich verfeinern.
Trocken und flüssig würzen
Ob vegan, vegetarisch oder fleischlich – bei allen Fraktionen gesellen sich Gewürze, Marinaden und Soßen in Bio-Qualität dazu. Wer ganz auf der sicheren Seite sein will, achtetet darauf, dass etwa der Pfeffer fair gehandelt ist.
Ein riesiges Angebot steht beim Traditionsunternehmen Münchner Kindl bereit, sämtliche Produkte sind aus zertifiziert biologischem Anbau. Grillfreunde, die einen rauchigen Geschmack bevorzugen, greifen beispielsweise zur Dirty Harry famous BBQ Sauce. Exotische Gewürze bereichern die Münchner Kindl Salsa Sauce, die Mango Curry Sauce, die Chili Sauce und die Asia Sauce. Eine klassische Sorte ist etwa der Dijon Senf. Mit dem Bier Senf, Grill- und Fondue Senf, Honig Senf oder Apfel Meerrettich Senf bringt man überdies eine breite Geschmacksvielfalt auf den Teller.
Da Soßen gern mit Zucker dem Gaumen schmeicheln, betont Emils Bio-Manufaktur, dass die ihrigen weniger oder zumeist gar keinen raffinierten Zucker enthalten. Dazu gehört die neue vegane Burger- und Sandwichcreme, die zudem ohne Verdickungsmittel, Zusatzstoffe, Citronensäure, Hefeextrakt Gluten und Lactose auskommt. Gleiches gilt für Emils smoked Ketchup, redCurry Ketchup, und tomatentomaten Ketchup.
Zum regulären mittelscharfen Senf gesellt sich nun der neue smoked BBQ Senf. Wer als Veganer bislang auf Mayonnaise verzichten musste oder die eierlosen Alternativen zu lasch fand: die vegane Mayo+Knoblauch, vegane Mayo+Zitrone sowie eine vegane Remoulade versprechen intensivere Geschmacksnoten.
Seit 2007 gibt es die Genießermanufactur in Würzburg. Nachdem die beiden Gründer die Zusatzstoffe in einer durchschnittlichen Thai-Paste überprüft hatten, beschlossen sie, Würzpasten in Bio-Qualität herzustellen. Heraus kam unter anderem ein Grillgewürz-Duo mit den Komponenten Hähnchenwürzpaste und Gewürzchilipaste, die man selbst mischen kann. Die Grillsoße Hotspot ist angenehm scharf mit einer Kräuternote.
Aus Hamburg kommen die Gewürzmischungen von Ankerkraut. In Bio-Qualität gibt es die orientalischen Mischungen ‚Kebab by Ali Güngörmüs‘ oder ‚Vadouvan by Ali Güngörmüs‘. Seit kurzem reihen sich auch eigene Grillsaucen ins Bio-Sortiment von Ankerkraut ein, die Grill und Steak Sauce sowie die Burger Sauce.
Holz-, Mais- und Olivenkohle
Das nachhaltige Finish bildet die Grillkohle. In diesem Bereich steht die Marke Nero ganz weit vorn, allein schon weil es das einzige Produkt aus heimischen Hartholz ist, das ein Bio-Siegel – genauer ein Naturland-Siegel – ziert.
Der Konkurrent OlioBric ist aus Olivenkernen hergestellt, und entspricht immerhin dem Eco Management and Audit Scheme (EMAS) entsprechend EU-Verordnung. Die Basis besteht aus Rückständen, die beim Pressen von Oliven anfallen. Daraus formt OlioBric Grillbriketts, die frei von giftigen Zusatzstoffen wie Braunkohle oder Teer sind.
Auch für RebenGlut muss kein Baum sterben, denn hierfür werden die Holzreste aus Weinbergen recycelt. Laut Anbieter entzünden sie sich aufgrund ihrer Trockenheit schnell und ohne chemische Hilfsmittel.
Grillen ist geradezu zu einem Lebensgefühl geworden. Das liegt nicht zuletzt an der wiedergewonnen Freiheit, Freun- de und Nachbarn zu treffen. Darüber hinaus entscheiden sich immer mehr Kunden, nachhaltige Zutaten in Bio-Qualität zu kaufen. Der Markt dafür ist bereit.
Dirk Hartmann