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Ausland

Auswirkungen der Corona-Krise in Frankreich: Bio, regional & direkt

Direktvermarktung und Naturkostfachhandel als Gewinner

Auswirkungen der Corona-Krise in Frankreich: Bio, regional & direkt © Ecozept
Eingangsbereich von „Prim’Vert-Biocoop“ in Lesneven (Bretagne). Unter dem Motto „Solidaire Attitude“  rufen die 623 Biocoops in Frankreich dazu auf, eine Maske zu tragen und sich vor Betreten die Hände zu desinfizieren.  

Seit Ausbruch der Krise verzeichnet der französische Naturkostfachhandel – ähnlich wie in Deutschland – weiterhin Umsatzzuwächse, jedoch auf niedrigerem Niveau. Doch auch der konventionelle Lebensmitteleinzelhandel konnte bisher die hohen Verkaufszahlen bei Bio-Produkten beibehalten. Unverpackt-Läden scheinen kaum von der Krise betroffen zu sein.

In Frankreich unterscheidet man drei Phasen der Krise: die anfängliche Phase der Hamsterkäufe, die Phase des ‚confinement‘ (also die Zeit der Ausgangsbeschränkungen, die dort viel strikter waren als in Deutschland) und die Phase ‚déconfinement‘ seit Ende Mai, welche sukzessive Lockerungen der Kontaktbeschränkungen brachte. Natürlich wurden und werden auch in Frankreich zahlreiche Verbraucherbefragungen durchgeführt, um das (veränderte) Konsumverhalten zu erfassen.

Folgende Tendenzen lassen sich dabei feststellen – immer mit der Einschränkung, dass es sich hierbei um Verbrauchermeinungen handelt, welche sich nicht zwangsläufig in tatsächliches Kaufverhalten umsetzen:

  • Stärkere Beachtung der Produktzusammensetzung (Inhaltsstoffe)
  • In der Phase der Ausgangsbeschränkungen war das wichtigste Kaufkriterium ‚gut für die Gesundheit‘, welches jedoch in der anschließenden Lockerungsphase (‚déconfinement‘) vom Argument ‚günstiger Preis / Sonderangebote‘ abgelöst wurde (Befragung Kantar/ LinKQ Tracking Covid Worldpanel PGC+FLS , Mai 2020).
  • Stärkere Bevorzugung von Bio-Produkten und regionalen Produkten (Made in France)

In der ersten Phase der Krise stiegen nach einer Befragung von ‚Spirit Insight‘ im Auftrag der Agence Bio (Juni 2020) die mit Bio-Produkten gemachten Umsätze im konventionellen Lebensmitteleinzelhandel um knapp 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Zum Teil sei dies auf Neukunden zurückzuführen: Es gebe rund acht Prozent zusätzliche Bio-Käufer.

Konventionelle Produkte verzeichneten nach dem Nielsen Scan Track lediglich ein Wachstum von 6,8 Prozent. In der déconfinement-Phase hingegen verlangsamt sich dann das Bio-Wachstum auf Werte unter zehn Prozent. Im Juni 2020 fiel dieser Wert beim konventionellen LEH auf 3,7 Prozent und im Naturkostfachhandel sogar auf langsame zwei Prozent Umsatzsteigerung im Vergleich zum Vorjahresmonat herab (Biolinéaires / Bio Analytics). Diese rückläufigen Zuwachszahlen erklären sich teilweise auch durch die leergeräumten Regale während der Phase der Hamsterkäufe - sowohl bei Einzelhändlern selbst, als auch bei den Lieferanten, deren Verarbeitungsprozesse aufgrund teils mangelnder Rohware ins Stocken geraten ist.

Betrachtet man die verschiedenen Vertriebswege, so gibt es klare Gewinner: kurze Lieferketten und Direktvermarktung, wie zum Beispiel der Ab-Hof-Verkauf, die Solidarische Landwirtschaft oder online gestützte Verkaufsplattformen erhielten einen ähnlich starken Zulauf, wie Naturkostfachgeschäfte (Befragung ‚Spirit Insight‘). Die stärksten Umsatzsteigerungen mit Bio-Produkten konnte der konventionelle Lebensmitteleinzelhandel auf den kleineren Innenstadt-Standorten verzeichnen, wohingegen die sogenannten Hypermarchés (ab 2.000 Quadratmeter Verkaufsfläche) nur sehr geringe Zuwachsraten hatten (Nielsen Scan Track). Auch Fachgeschäfte (bio und konventionell) wie Bäckereien, Metzgereien und Obst-& Gemüsefachgeschäfte wurden stärker frequentiert. Ob der E-commerce eine wachsende Bedeutung beim Vertrieb von Bio-Produkten erlangen wird, lässt sich aus den von Agence Bio durchgeführten Umfragen jedoch nicht ableiten.

Wirft man einen Blick auf das Sortiment, so fällt auf, dass sich die Nachfrage nach Nahrungsergänzungsmitteln auch nach der ersten Phase der Hamsterkäufe weiterhin sehr dynamisch entwickelt. Etwas überraschender ist hier schon die Entwicklung bei den Unverpackt-Produkten.

Einer Umfrage des Branchenverbands ‚Réseau Vrac‘ Anfang April zufolge konnten nahezu alle französischen Unverpackt-Läden und deren Lieferanten ihre Aktivitäten aufrechterhalten. Hierbei steigerten rund 40 Prozent der Geschäfte ihre Umsätze und ebenso viele mussten Umsatzeinbußen hinnehmen. Die Umsätze der restlichen 20 Prozent blieben stabil (Biolinéaires N°90 Juli/August 2020). Bei den Naturkostfachhändlern sieht die Umsatzentwicklung im Bereich des Unverpackt-Produkte jedoch ganz anders aus: Nahezu alle Bio-Läden führten den Verkauf von Unverpackt-Produkten auch während der Corona-Krise fort, jedoch mussten 95 Prozent der befragten Händler Umsatzverluste in diesem Bereich hinnehmen.

In Frankreich wird die Zahl der Unverpackt-Läden auf 400 geschätzt – etwa doppelt so viele wie in Deutschland laut einer Studie der HNEE (Hochschule Eberswalde). Knapp 90 Prozent der französischen Naturkostfachhändler und rund 70 Prozent des konventionellen LEH bieten (in sehr verschiedenen Sortimentsbreiten) auch unverpackte (Bio-)Ware an.

Dr. Burkhard Schaer / Michael Böhm
 

Weitere Informationen:
Dr. Burkhard Schaer
Tel. : +33(0)467584227
schaer@ecozept.com
www.ecozept.de

 

Ecozept ist ein auf Biomärkte spezialisiertes Forschungs- und Beratungsunternehmen mit Sitz in Freising bei München sowie Montpellier (Südfrankreich).
Verwendete Quellen: 
Befragung Kantar/ LinKQ Tracking Covid Worldpanel PGC+FLS , Mai 2020
Befragung „Spirit Insight“ im Auftrag der Agence Bio, Juni 2020
Biolinéaires N°90 Juli/August 2020 
Nielsen Scan Track
Biolinéaires / Bio Analytics 
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