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Messe

ANUGA 2017
Thema: Bio- und Nachhaltigkeit

Bio-Lebensmittel sind heute in fast allen Verkaufskanälen zu finden. Damit ist der Bio-Branche der Sprung aus der Nische gelungen. Mit Blick auf eine zukunftsfähige und gesamthaft nachhaltige Ernährungswirtschaft vom Feld und Stall bis auf den Tisch ist dies jedoch erst ein Anfangserfolg.

Auf der Anuga schauen wir zurück auf die Anfänge der Bio-Vermarktung und schärfen damit den Blick für die Herausforderungen der Zukunft. Wer heute neu in die Bio-Vermarktung einsteigt, zahlt mitunter Lehrgeld. Einfach Bio bestellen und auch noch Bio verkaufen reicht längst nicht mehr aus. Wenn hinter den Bio-Marketingplänen keine professionellns Beschaffungs- und QM-Systeme stehen, treten früher oder später garantiert Probleme auf.

Nachhaltigkeit im Fokus

Am Anuga Messe-Montag und -Dienstag dreht sich (fast) alles um Nachhaltigkeit im Lebensmittelsektor. Aber auch neue Aspekte der Bio-Vermarktung werden besprochen und diskutiert. In den Veranstaltungen können die Teilnehmer mitwirken und ihre Fragen stellen.

Harald Ebner, MdB in Berlin, eröffnet die Reihe mit einem Vortrag über die UN-Resultate der Untersuchungen zu den Auswirkungen von Pestiziden auf dem Acker bis hin zu den Belastungen der Verbraucher, den Kunden der Lebensmittelkaufleute. Zu oft gehen rücksichtlose Profitinteressen der Chemiekonzerne vor vernünftiger und nachhaltiger Politik für Menschen und Umwelt. Was es braucht ist ein Pestizid-Reduktionsplan mit verbindlichen Zielen und konkreten Vorgaben. Dass es mit immer mehr Gift auf den Äckern nicht weitergeht, haben inzwischen selbst Akteure der konventionellen Agrarwirtschaft wie die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft erkannt.

Die UN-Sonderberichterstatterin für das Recht auf Nahrung, Hilal Elver, hat beim UN-Rat für Menschenrechte einen Bericht zu den Risiken von Pestiziden für die Welternährung vorgelegt. Die globale Chemieindustrie hegt den Mythos, Pestizide seien notwendig, um eine wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Es ist gut, dass UN-Sonderberichterstatterin Hilal Elver dieser Legende entschieden widerspricht. Das Gegenteil ist der Fall: wir müssen aufhören, die Äcker der Welt immer mehr zu vergiften und damit langfristig unsere Lebensgrundlagen zu zerstören. Pestizide sind Teil des Problems und nicht etwa der Lösung. Das bestätigt der neue UN-Bericht in aller Deutlichkeit.

Der UN-Bericht empfiehlt ausdrücklich ökologische Formen der Landwirtschaft als Lösung für die Welternährung. Diese müssen weltweit viel stärker gefördert werden, ob in der Entwicklungszusammenarbeit oder anderen Politikfeldern. Ökologische Landwirtschaft schafft Perspektiven für die Menschen, ohne die eigene Lebensgrundlage zu zerstören. Positive Beispiele dafür gibt es viele.

Nachhaltigkeit im Lebensmittelhandel

Um die Mittagszeit führt der Moderator Peter Jossi (jossi. bio) in die Thematik Nachhaltigkeit im Lebensmittelhandel ein. Kurzinputs von renommierten Fachleuten legen die Grundlage für den fachlichen Austausch. Urs Niggli, langjähriger Direktor von FiBL Schweiz, steigt gleich mit der wichtigsten Frage ein: Kann Bio die Welt ernähren? Er gibt dabei einen Überblick zu den großen Herausforderungen der Ernährungswirtschaft entlang der ganzen Wertschöpfungskette und den Lösungen, welche die Bio-Produktion dabei bietet.

Coop Schweiz: Nr. 1 im The­ma Nachhaltigkeit' ist der programmatische Titel der Praxisausführungen von Roland Frefel, Mitglied der Direktion Coop Schweiz. Im Jahr 2018 wird es 25 Jahre her sein, dass Coop als Nummer 1 des Schweizer Biomarktes das Coop Naturaplan-Programm lancier­te, in Kooperation mit dem landwirtschaftlichen Bio-Dachverband Bio Suisse (Knos­pe-Label) und dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL). Für den Weg vom ersten Bioregal bis zum umfassenden Label-Vollsortiment gibt es einige Schlüsselfaktoren: Klare unternehme­rische Strategieziele und vor allem viel Zeit, Geduld und Ernsthaftigkeit. Heute verfolgt Coop Schweiz Schritt für Schritt das Ziel eines klimaneutralen Unternehmens – noch vor Mitte der 2020er Jahre.

Melanie Prengel von Transgourmet Deutschland präsentiert das Thema Europäische Nachhaltigkeits-Partnerschaften: Wie implementiert Coop ihre Nachhaltigkeitsstandards in Partnerländern und -firmen? Der zur Coop-Gruppe gehörende Transgourmet-Konzern setzt die Erfahrungen der Schweizer Bioniere mittlerweile im europäischen Kontext um. Ein wichtiges Element bildet die Kooperation mit den Beschaffungsmärkten aus regionalen Quellen oder zumindest aus dem europäischen Umfeld.
Auf der Anuga beleuchten diverse Referate und Fachrunden, wie dies in der Praxis gelingen kann. So diskutieren Urs Niggli, Harald Ebner, Alexander Beck (AöL) und Rudolf Bühler (BESH) die notwendigen gesellschaftspolitischen Voraussetuzngen.

Politischen Leitplanken in der Ernährungsbranche

Bei bilateralen und globalen Freihandelsabkommen spielt die heutige Agrar-/ Ernährungspolitik oft die Rolle der Pokerkarte. Falls für den Deal notwendig, werden Zugeständnisse beim Agrarschutz gemacht. In einer Zeit der wachsenden Konkurrenz um Rohstoffquellen und der zwin­genden Notwendigkeit an zukunftsfähigen Produktionsmethoden reift jenseits von ideologischen Grabenkämpfen das Bewusstsein, dass sich dies ändern muss. Gefordert ist the race to the top, ein konstruktiver Wettbewerb um die besten sozial-ökologischen Anforderungen auf der Grundlage verlässlicher und gerechter Handelsverträge für alle Beteiligten und Betroffenen.

Die aktuelle Blockade der TTIP-Verhandlungen schafft einen gewissen Spielraum für wirklich sinnvolle und zukunftsfähige Weiterentwicklung der Handelsregelwerke. Die Einhaltung rechtstaatlicher und demokratischer Grundsätze ist eine an sich selbstverständliche Grundlage dazu – was im heutigen globalen Umfeld bereits besonders betont werden muss.

Bei den Einschätzungen und Statements bezüglich Handelsabkommen sind sich die effektiv Betroffenen in Politik und Wirtschaft oft viel einiger als es den diplomatischen Verhandlungsdelegationen meist bewusst ist. Denn es gibt gemeinsame Interessen: Verlässliche lebensmittelrechtliche Grundanforderungen und gut etablierte Qualitätstandards, Bio-Produktion, Tier-, Umwelt- oder Herkunftsschutz. In Zeiten von Lebensmittelskandalen und Imageproblemen der ganzen Ernährungswirtschaft kann niemand wirklich etwas dagegen haben, der verantwortlich in der Branche tätig ist – und die Agrarverhandlungen nicht nur bloß als Verhandlungsmasse taxiert.

Bio-Handel

Am zweiten Tag wird das Thema Nachhaltigkeit geprägt vom ZNU - Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung der Universität Witten/Herdecke. Die anschließende Diskussion über die nachhaltige Ernährung und die Rolle der Kaufleute wird ebenfalls zusammen mit dem ZNU für weitere Spannung sorgen. Vorweg gibt es am Anuga-Dienstagmorgen Referate über Rückstände und Kontaminanten in konventionellen und Bio-Lebensmitteln sowie sichere und nachhaltige Bio-Rohstoffbeschaffung aus der Ukraine und Osteuropa.

In dem Slot Mehr Bio und Vertrauen berichtet der Bio-Experte Conrad Thimm über Praxis-Beispiele und einfache Regeln für gemeinsames Handeln. Bauern, Produzenten und Handel reden miteinander.

Neue Kooperationen und Marktpartnerschaften

Weltweit direkt vom Hof: Neue Systeme der Direktvermarktung ist ein Projekt der Gebana AG in der Schweiz. Globales Denken wird hier mit lokalem Handel(n) verbunden zur Plattform Marktzugang.
Über die Gestaltung des Marktzugangs diskutieren am Dienstagnachmittag dann Conrad Thimm, Sandra Dütschler (Gebana AG) und Erich Margrander (Bio-Experte und bioPress-Herausgeber) zusammen mit einem Einzel- und einem Großhändler.

Neue virtuelle Technologien öffnen den Weg zu kreativen

Handelspartnerschaften. Der Online-Handel ist dabei nur der Anfang. Innovative Markplattformen ermöglichen gänzlich neue Formen von Markttransparenz. Dies öffnet Chancen für kleinere Nischenplayer. Dem etablierten Beispiel der lokalen Vertragslandwirtschaft folgend sind weltweite Partnerschaften von Fork to Fork im Aufbau. Erste Praxiserfolge zeigen neuen Ansätze über die klassische Fairtrade-Vermarktung hinaus.

Marktzugang für die Ukraine – sicher, aber wie?

Am Beispiel der Ukraine schauen wir zudem über die EU-Grenze hinaus auf das große Potenzial der Ukraine. Die Ukraine hat sich zu einem wichtigen Herkunftsland für Bio-Produkte entwickelt, namentlich für Rohstoffe der Bio-Futtermittelproduktion. Der Großteil der Bio-Produkte aus der Ukraine ist auf den Export von unverarbeiteter Rohstoffe ausgerichtet für die Futter- und Lebensmittelherstellung. Die wichtigsten Produkt sind: Weizen, Dinkel, Mais, Gerste, verschiedene Erbsensorten, Sonnenblumenkerne, Raps und Soya.

Mariia Makhnovets vermittelt als Matchmaking specialist seit mehreren Jahren Kontakte für die Bio-Vermarktung in der Ukraine. Sie ist auf selbstständiger Basis als unabhängige Vermarktungsexpertin tätig. Auf der Anuga stellt Mariia Makhnovets aus erster Hand die großen Anstrengungen der ukrainischen Bio-Branche vor, sichere und verlässliche Qualität sicherzustellen. Dabei kommen hochmoderne Rückverfolgungstechnologien zum Einsatz (Stichwort: Digital Agriculture) wie sie in Werteuropa noch Zukunftsmusik sind.

Mittlerweile bestehen professionelle Zertifizierungs- und Vermarktungsstrukturen, die eine sichere Beschaffung mit viel Zukunftspotenzial erlauben. Diese positive Entwicklung wurde maßgebend durch FiBL-Projekte und weiterer Partner aus Westeuropa entwickelt. Dadurch bestehen heute auch gute und verlässliche Kontakte entlang der ganzen Wertschöpfungskette.

Gleichzeitig bestehen viele Herausforderungen und technische Hürden beim Import von Bio-Produkten aus der Ukraine. Die wesentliche Auflage betrifft zusätzliche operative Exportbeschränkungen und Zusatzkontrollen an der EU-Grenze. Die dadurch entstehenden Logistikprobleme blockieren letztlich oft den Marktzugang. Ausgangspunkt für die verschärften EU-Bestimmungen waren verschiedene Betrugsfälle.

Neben der Ukraine sind auch Bio-Importe aus der Russischen Föderation, Weissrussland, Moldawien, Kasachstan, Aserbaidschan, Kirgisistan und Tadschikistan betroffen. Damit ist eine ganze Weltregion vom Marktzugang über den russischen Einflussbereich hinaus mehr oder weniger blockiert. Der Aufbau verlässlicher und professioneller Vermarktungs- und Zertifizierungs­-systeme ist deshalb nicht zuletzt von großer politischer Bedeutung für die Zukunft der Ost-West-Beziehungen.

Peter Jossi

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