Konferenz
KarmaKonsum: Simplicity in Business
Zu diesem ebenso inspirierenden wie zeitgemäßen Thema hatte Christoph Harrach im letzten Oktober zur 8. KarmaKonsum-Konferenz in der IHK Frankfurt eingeladen. Während sich am ersten Tag ein vielseitiges Vortragsprogramm von kompetenten Rednern dem Thema widmete, fand am Folgetag ein offener Ideen-Workshop statt. Die Verleihung des Gründer-Awards 2014 rundete die wieder gut besuchte Networking-Veranstaltung ab.
In unserer heutigen komplexen Wirtschaft stehe ein hohes Maß an Effizienz durch Prozess- und Leistungsoptimierung an erster Stelle, sagte Harrach in seiner Begrüßung. Mit der daraus folgenden unaufhörlichen Beschleunigung des Lebens, auch innerhalb von Gesellschaft und Politik, zeigten sich immer mehr Menschen unzufrieden.
Für ein dauerhaft befriedigenderes Lebensgefühl gelte es, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen und Verzicht als Befreiung auf diesem Weg zu erkennen. Aber wie könnte Vereinfachung und Entschleunigung im Sinne klarerer Strukturen aussehen? Dieser Frage gingen Ökonomen, Soziologen, Politik- und Wirtschaftswissenschaftler sowie Unternehmer, Kommunikations- und Verhaltenstrainer und Blogger nach.
Prof. Dr. Angelika Zahrnt, bis 2013 Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung, plädierte eindrucksvoll für eine Suffizienzpolitik. Effizienzsteigerungen können ihrer Meinung nach nicht ausreichen, um bei weiterem Wachstum die ökologischen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Unabdingbar seien ressourcenschonende Lebensstile. Insofern sollten auch Unternehmen auf das rechte Maß achten und auf Entflechtung sowie soziale Innovationen Wert legen.
Zugleich sei ein passender politischer Rahmen nötig, etwa bezüglich der Wettbewerbsordnung, Infrastrukturen oder Verteilungspolitik. Exemplarisch nannte Zahrnt eine strenge Begrenzung der Massentierhaltung, den vollen Mehrwertsteuersatz auf tierische Lebensmittel und den Schutz von Gemeingütern vor Kommerzialisierung und Privatisierung. Selbst wenn Suffizienzpolitik teils neue Grenzen schaffe, entstehe so Raum für kreative, glückliche und verantwortliche Lebensgestaltung.
Die Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Gesine Schwan hob dagegen ‚geistigen Reichtum‘ als essentielles Sozialkapital hervor. Reinen Verzicht-Predigten gab sie wenig Chancen. Jeder kenne die positive Erfahrung und Zufriedenheit, wenn man selber etwas tut oder kreiert, sagte sie.
Echtes Erleben, das heißt Auseinandersetzung mit der Welt, mit anderen und sich selbst, brauche Konzentration statt Ablenkung durch Konsum. Dazu sei eine stärkere Bildung erforderlich. Der aktuelle Paradigmenwechsel sei ein politischer Prozess, bei dem die Gesellschaft in möglichst hohem Maß beteiligt sein sollte.
Vom Radio aus Java bis zum Teebeutel
Auch Praktiker kamen auf der KarmaKonsum zu Wort und erläuterten, wie sie alternative Wirtschaftsformen realisieren. Der Soziologe Oliver Errichiello sprach anhand der Geschichte von Wooden Radio, einem Designer-Radio als Entwicklungshilfe- und zugleich erfolgreichem Markenprodukt, über die Chancen von Marken. Trotz der Flut an neuen Marken, könnten diese dem Wunsch der Menschen nach sozialen Bündnissen entgegenkommen.
Unternehmer sollten im Vorfeld überlegen, was sie mit ihrer Marke erreichen wollen. Soll sie kein bloßes renditefreudiges Produkt sein, sondern Vertrauen, positives Vorurteil und Emotionen hervorrufen? Dann gelte es, auf nicht zu komplexe Markenversprechen und bei Neuprodukten auf bleibende Markenbestandteile zu achten. Story-Telling, gutes Design bzw. Qualität und mediale Begleitung stellten hierbei wichtige Faktoren dar.
Eine solche reduzierte Markenbotschaft verfolgt der britische Hersteller von ayurvedischen Bio-Tees Pukka Herbs, über dessen Entwicklung Firmengründer Tim Westwell sprach: ‚Natur in einer Tasse - durch authentische Lebensmittel den Reichtum der Pflanzen erfahrbar machen und einem bewussteren Sein näher kommen.‘
Vor 13 Jahren mit drei Tees begonnen, produziert Pukka heute über 30 Sorten für den internationalen Markt und beschäftigt 33 Mitarbeiter. Westwell äußerte sich überzeugt, dass sich Effektivität und Erfolg auf der einen Seite und bewusstes, nachhaltiges Wirtschaften auf der anderen nicht ausschließen.
So kaufe er die jährlich benötigten rund 400 Tonnen Kräuter nicht auf dem Spotmarkt, sondern bevorzugt direkt ein. Selbst bei Rohstoffen von Großhändlern beteilige sich Pukka aktiv an der Lieferkette und unterstütze zugleich mehrere Fair Wild-Projekte.
Als Unternehmer sei er sich seiner einst gesetzten Wertvorstellungen nicht immer bewusst, gab Westwell zu. Aber man könne sie durchaus lebendig halten und sich immer wieder neu begeistern lassen.
Bettina Pabel