Start / Ausgaben / BioPress 80 - Juli 2014 / Vegane Nahrungsergänzung verlässt die Nische

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Vegane Nahrungsergänzung verlässt die Nische

Im Zuge der Vegan-Welle beschäftigen sich immer mehr Menschen mit Nahrungsergänzungsmitteln. Welche sind nötig und sinnvoll? Wo lassen sich eventuelle Nährstofflücken durch natürliche Lebensmittel schließen? Welche Produkte von glaubwürdiger, guter Qualität gibt es als Alternative zu rein chemischen Mischungen – und wenn ohne Bio-Siegel?…  Ökologisch orientierte Anbieter und mehrere Bio-Hersteller haben das Bedürfnis der Verbraucher erkannt und entsprechende Produkte entwickelt. Gerade die vegane Auswahl ist deutlich gewachsen.

Laut Definition handelt es sich bei Nahrungsergänzungsmitteln um „Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die allgemeine Ernährung zu ergänzen.“ Zweites Merkmal ist, dass sie „ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung allein oder in der Zusammensetzung darstellen.“ Die Abgrenzung zwischen Nahrungsmittel und Nahrungsergänzung beziehungsweise Functional - und Novel Food bleibt dennoch schwammig.

Das weiß auch Großhändler Claus, die diverse Lebensmittel zur Nahrungsergänzung im Portfolio haben. Beeren wie etwa Berberitzen und Goji, Matcha und ähnliche normale Lebensmittel ließen sich ebenso dazu rechnen wie Acerolapulver, Acai­pulver, Maca, Gerstengras-, Weizengrasprodukte, Chia Samen, Moringa und mehr. Daneben gebe es immer mehr fertige Mischungen, die tatsächlich nur noch im Nahrungsergänzungsbereich platziert werden sollten.

Bei Claus entwickeln sich Grünteepulver, Kakao und Chia-Samen sehr gut. Aber auch Nischenprodukte in der Art von Baobab und Lucuma seien plötzlich Thema, sagt Sortimentsleiter Ziad Chahrouri. Bis jetzt klappe es, die Nachfrage in dem extrem schnell wachsenden Angebot zu bewältigen. Gewisse Sättigungseffekte dürften aber bei allen Großhändlern auftreten, da sie unmöglich alle aktuell auf dem Markt drängenden Anbieter listen können.

Im Bio-Bereich finden sich sowohl pulverförmige Produkte als auch Kapseln. Nicht alle Produkte dürfen ein Bio-Siegel tragen, da sie beziehungsweise die Hüllen nicht oder nicht zu mindestens 95 Prozent aus landwirtschaftlicher Erzeugung stammen. Trotzdem zeichnen sie sich durch Bio-Vorteile wie Freiheit von unnötigen chemischen Zusatzstoffen, GVO-Freiheit und schonende Verarbeitung aus.

Dazu kommen viele Produkte, die schon seit Jahren im Bio-Bereich zu finden sind und jetzt wieder vermehrt ins Bewusstsein der Verbraucher rücken. Hierzu gehören Braunhirse (z.B. von Werz) oder das Nischenprodukt Brenn­nesselpulver (z.B. von Grüne Vogtei). Pulverförmige Produkte haben dabei den Vorteil, dass man sie gut in den normalen Küchenalltag integrieren kann. Gerade bei Bio-versierten Kunden und Kochfreunden dürfte dies ein beliebter Weg zur Nahrungsergänzung sein.

Interessierte finden vegane (Bio)-Nahrungsergänzungsmittel bislang vor allem in Reformhäusern, Drogerien, Apotheken und im Online-Handel oder Direktversand. Nachdem nun auch immer mehr Naturkostläden und Bio-Supermärkte ihre Regale entsprechend auffüllen, könnte sich für manche Einzelhändler eine Listung ebenfalls durchaus lohnen.

Dafür sprechen nicht zuletzt die aktuellen Geschäftszahlen der Neuform Reformhäuser: Nach einer langen Talfahrt konnten die Geschäfte im letzen Jahr wieder ein Umsatzplus von 4,8 Prozent verbuchen. In den ersten fünf Monaten diesen Jahres lag der Zuwachs im Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum sogar bei über acht Prozent.

Der Erfolg ist zu einem großen Teil den Nahrungsergänzungsmitteln und medizinischen Produkten zu verdanken. Deren Verkäufe erhöhten sich im letzten Jahr um stolze 13 Prozent. Diese Sortimentsbereiche dürften auch dazu beigetragen haben, dass die rund 1.200 Reformhäuser in Deutschland immer mehr junge Kunden gewinnen konn­ten.

Elixiere und Extrakte auf Basis von Kräutern und Gräsern

Zu den natürlichen Nahrungsergänzungsmitteln gehören die flüssigen und alkoholfreien Kräuterauszüge von Herbaria. Der etablierte Gewürz- und Kräuterexperte führt zum einen eine Bio-Fruchtsaftmischung mit Kräuterauszügen, die neben Vitaminen und sekundären Pflanzenstoffen auch zweiwertiges Eisengluconat enthält.

Zum anderen reagiert Herbaria mit dem Bio-Artischocke-Kräuterelixier Bittrio aus Löwenzahn, Enzian und neuen weiteren Bitterstoff-Pflanzen auf das wachsende Interesse an diesen Naturstoffen zur potentiellen Aktivierung des Stoffwechsels und der Verdauungssäfte.

Als zweites Beispiel lassen sich die zwei flüssigen Bio-Kräuterextrakte von Herrens Mark aus Dänemark nennen.  Schon seit über 50 Jahren verarbeitet das Unternehmen auf Fünen selbst angebauten Löwenzahn – neben Enzian eine der wichtigsten traditionellen Bitterstoffquellen für Galle, Leber und Nieren.

Eine milde Milchsäurefermentation soll dabei die Bioverfügbarkeit des Presssaftes erhöhen. Neu hinzugekommen und ebenfalls auf der Biofach vorgestellt, ist ein Extrakt aus Rotklee. Rotklee ist reich an Isoflavonen bzw.

Phytoöstrogenen und dürfte als Zielgruppe insofern vor allem ernährungsbewusste Frauen erreichen. Etwa 30 Prozent weniger Hitzewallungen waren das Ergebnis einer wissenschaftlichen Versuchsreihe, die an einer dänischen Universitätsklinik durchgeführt wurde. Ungewöhnlich ist die Angebotsform der beiden Produkte als große Bag-in-Box mit Trageriemen.

Mit Gräsern und Spirulina auf der grünen Welle

Getreidegräser ebenso wie Spirulina Mikroalgen zeichnen sich durch ihren Nährstoffreichtum aus. Je nach Produkt liefern sie Ballaststoffe, Mineralstoffe, Chlorophyll, Vitamine oder Eiweiß, Spurenelemente und mehr.

Was die Entwicklung und Vermarktung damit hergestellter Nahrungsergänzungsmittel betrifft, gehörten Bio-Unternehmen oft zu den Impulsgebern. Viele der Produkte haben zugleich Rohkost-Qualität und kommen dem Wunsch nach free from entgegen, indem sie weder Gluten noch Lactose enthalten.

Das trifft auf die pulverförmigen Getreidegräser im schützenden Braunglas von Sanatur und Pure Planet zu. Erstere arbeiten dabei mit Gerste, Weizen sowie Dinkel, letztere mit Gerste und Kamut-Weizen. Sanatur ergänzt die Gräser um mehrere weitere Gesundheitsprodukte, neben Hagebuttenpulver, pflanzlichem Jod, Traubenkern OPC, Sanddorn Fruchtfleischöl und Acerola sind dies Bio-Spirulina und -Chlorella Mikroalgen (Naturland zertifiziert.

Den Verkauf der Produkte unterstützt das Unternehmen unter anderem mit Anzeigen, Flyern, Mustern und Kataloge, Produktschulungen oder den Besuch von Spezialmessen. Prospekte, die sich vorrangig an die Endverbraucher richten, bieten sich bei so erklärungsbedürftigen, fremd schmeckenden Produkten besonders an.

Das weiß auch Pure Planet Greenfoods, die hierzulande für die amerikanische Herstellerfirma den Direktvertrieb der Marke und von Eigenmarkenprodukten übernehmen. Von daher bekommt man neben den üblichen Verzehrsempfehlungen auch Rezepttipps, etwa für tiefgrüne Smoothies mit Greens + (aus vier Getreidegräsern plus Spirulina).

Vegane NEM mit und ohne Health Claim

Wie schätzen Sie die Marktsituation für Bio-vegane Nahrungsergänzung ein? Es bietet sich an, bei dieser Frage gezielt auf Hersteller und Anbieter mit einer weniger spezialisierten, breiten Auswahl zuzugehen. Gesund & Leben bieten sowohl funktionelle Lebensmittel wie bittere Aprikosenkerne oder Superfoods als auch Nahrungsergänzungsmittel wie Acai-Pulver, Moringa Oleifera-Produkte oder nicht bio-zertifizierte Weihrauch-Produkte an.

Hier meint man, dass Interesse und Angebot im beratenden Fachhandel zunähmen. In den Supermärkten fehle es dagegen zu oft an Beratungskompetenz. Deshalb sei dort noch keine breitere oder nur bei beworbenen Trendprodukten eine Nachfrageentwicklung spürbar.

Raab Vitalfood gehört dagegen zu den Bio-Pionieren. Schon vor 25 Jahren setzte Firmengründer Michael Raab auf Bio-Süßmolkenpulver, Pu-Errh-Tee, Apfelessigtabletten und ähnliches. Der Hersteller freut sich über eine Entwicklung, die schlicht „hervorragend“ laufe.

Dazu trügen zum einen der allgemeine Trend, sich biologisch, gesund und bewusst zu ernähren, und zum anderen der Vegan-Boom bei. Und diese würden sich sicherlich weiter fortsetzen, insbesondere auch im europäischen Ausland. Unter der großen Palette an gesundheitsbezogenen Bio-Produkten finden sich erneut Acai-Pulver, Getreidegräser und Matcha, daneben eine Auswahl von Hagebutte und Hanfprotein bis zu Moringa, Reishi oder Zimttabletten.

Mit speziellen Bio-Ölen für Veganer, Reisprotein und Grünem Kaffee-Extrakt stehen die nächsten Neuheiten schon in der Pipeline, verrät Raab. Nicht umsonst würden ihre Abnehmer neben der Qualität die kurzen Entwicklungszeiten bei neuen Produkten honorieren.

Zu den typischen Merkmalen von Nahrungsergänzungsmitteln gehört die Auslobung von bestimmten gesundheits­bezogenen Wirkungen (Health Claims). Solche Aussagen tragen viele Produkte aus dem Repertoire von Ihle Vital, nicht zuletzt das Hauptprodukt Mulitaleen.

Das probiotische Nah­rungsergänzungsmittel liefert als pflanzliches Vitalstoffkonzentrat Vitamin C und B-Vitamine, Mangan, Zink und Selen, Pre- und Probiotika – und basiert dabei auf pflanzlichen Zutaten wie gekeimtes Bio-Vollkorn, ­-Frucht- und -Gemüsesaftkonzentraten sowie -Hefe.

Ein weiteres Erkennungsmerkmal für Nahrungsergänzungsmittel ist die häufige Angebotsform als Kapseln oder Tabletten. Presslinge, als interessan­ter Kompromiss zwischen Pulver und Kapsel, findet man seltener.

Medicura jedoch, füllt die zahlreichen Nahrungsergänzungsmittel mit Mikroalgen, Gerstengrassaft, Ma­ca und anderem gezielt in dieser Form in die dunklen Schraubgefäße. Was die Kapseln betrifft, gibt es je nach Zielgruppe auch solche ohne Gelatine. Die Packungen sind leicht, die Produkte gut haltbar, die Anwendung einfach und praktisch.

Das gilt etwa für die veganen Kapseln (Vitamine, Mineralstoffe, Kürbis, Isoflavone) so­wie die orthomolekularen Nah­rungsergänzungsmittel im Blister von Fitné. Hergestellt würden die Orthomol-Produkte nach einen Spezialverfahren aus Bio-Quinoakeimlingen, heißt es bei der Logocos-Tochter.

Anstelle isolierter Vitamine oder Hormone sollen die gewünschten Nährstoffe im natürlichen, pflanzlichen Verbund bleiben und so ihre ernährungsphysiologische Wirkung entfalten. Die Serie richte sich dabei an alle, die zeitweise nicht die Möglichkeit haben, den Bedarf an Vitalstoffen für einen gesunden Stoffwechsel ausschließlich über frische Lebensmittel zu decken.

Traditionen von Kulturvölkern als Vorbild

Auf der Suche nach potenziellen Zutaten für Nahrungsergänzungsmittel oder auch funktionale Lebensmittel orientieren sich die Hersteller außerdem gern an anderen Kulturen und deren traditionellen Naturprodukte. Ein Beispiel dafür sind Ginseng-Produkte, wie sie etwa Hoyer oder Alsitan anbieten.

Bei Alsitan, bislang primär in Reformhäusern vertreten, stehen hier unter anderem Roter Bio-Ginseng-Kapseln, Ginseng Stärkungspulver und Roter Ginseng-Extraktpulver zur Auswahl. In diesen Bereich fallen außerdem die neuartigen Chia-Samen aus Südamerika (z.B. von Naturkost Übelhör oder Davert) und ähnliches.

Bei manchen derzeit populären Produkten gilt es zu prüfen, ob es sie vor 1997 schon in der EU gab. Andernfalls muss beim BVL nach der Novel Food Verordnung ein Genehmigungsantrag gestellt werden. Kein Novel Food und  trotzdem vor allem Insidern bekannt dürften unter anderem südamerikanisches Macapulver oder auch Sacha Inchi und Camu-Camu sein, beides wird  von Buen Vivir angeboten.

Während das Pulver wegen seiner vielfältigen Wirkungen manchmal peruanischer Ginseng genannt wird, liefern die Nüsse in den sternförmigen Samenkapseln der Sacha Inchi-Pflanzen ein wertvolles Öl. Reich an Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren, wird es teils als Speiseöl, teils als vielseitiges Heilmittel genutzt.

Moringa Olifeira lässt sich hier ebenfalls anführen. Die in Teilen Asiens traditionell zur täglichen Ernährung gehörende Moringapflanze hat jetzt Dr. Goerg ins Programm aufgenommen. Zur Auswahl stehen vegane Kapseln oder Pulver, pur oder in Kombination mit Kokosblütenzucker. Sie weisen Rohkostqualität auf und sind in lichtschützenden Violett-Gläsern verpackt, ebenso wie die aparte Mischung aus Matcha und Kokosblütenzucker.

Hersteller und Händler mit Interesse an diesen und ähnlichen innovativen Lebensmitteln konnten auf der letzten Biofach zahlreiche lieferfähige Exporteure kennenlernen. Erleichtert wurde die gezielte Kontaktaufnahme durch Führungen, die die Plattform zur Importförderung in Deutschland IPD in Kooperation mit den europäischen Importförderprogrammen SIPPO anbot.

Bettina Pabel

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